Materialart: | Erzählung |
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Zielgruppen: | Jugendliche, Junge Erwachsene, Mitarbeitende |
Einsatzgebiete: | Gottesdienst, Events + Projekte, Freizeiten |
Verband: |
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Redaktion: |
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Zeitbedarf: | 20-40 Min. (Vorbereitung: 5-10 Min.) |
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Die Alltagsgeschichten stammen aus dem Heft „Schatten der Reformation – das Magazin zum Themenjahr 2013 Reformation und Toleranz“ der EKD.
In einer 8. Klasse eines Gymnasiums gestalteten Schüler eine interaktive Homepage, auf der ein Klassenkamerad beleidigt und gedemütigt werden kann. Die Startseite der Homepage zeigte das Bild des Schülers und es blinkte permanent ein Schriftzug auf: „Lass ihn leiden!“
Besucher dieser Homepage konnten entscheiden, ob und wo der Schüler geschlagen werden soll. Beim Anklicken des entsprechenden Menüs schlug dann eine Faust den Jungen an der entsprechenden Stelle. Dazu ertönte Applaus. Ebenso konnte man Beleidigungen hinschreiben, für andere Schüler lesbar. Auch fanden sich sehr demütigende Geschichten über den Jungen auf der Homepage.
Ein Lehrer erfuhr zufällig von dieser Internetseite und berief eine Klassenkonferenz ein. Alle Lehrer waren schockiert, dennoch entstand ein Streit, was zu tun sei. Die einen sprachen sich für Sanktionen aus. Andere Lehrkräfte fanden das Ganze aufgebauscht. Ihrer Meinung nach handelte es sich hier um einen einfachen Schülerstreich. Früher habe man das Bild von einem Klassenkameraden an die Tafel gemalt und dazu geschrieben: Dieser Junge ist ein Depp.“ Solche Schülerstreiche müsse man einfach tolerieren…
von Stefan Maass
Eine Kleinstadt war innerhalb von 15 Jahren von 8.000 Einwohnern auf 20.000 Einwohner angewachsen. Die alteingesessene Bevölkerung war unsicher und ängstlich. Die meisten Zugezogenen kamen aus der ehemaligen Sowjetunion und der Türkei. Die Stadt beschloss, Verständnis und Toleranz im Zusammenleben zu fördern.
Eine Gruppe von Bürgern ohne Migrationshintergrund, von Einwohnern mit türkischem und russlanddeutschem Hintergrund und von Vertreter-/innen verschiedener sozialer Institutionen sollten Probleme identifizieren und Vorschläger erarbeiten, wie das Zusammenleben verbessert werden könne. Die Gruppe traf sich insgesamt fünf Mal für zwei Tage von 9 bis 16 Uhr. Die Mitglieder der Gruppe gingen sehr rücksichtsvoll miteinander um und versuchten, unterschiedliche Positionen zu verstehen.
Das Mittagessen wurde jedes Mal in einem anderen Restaurant eingenommen. Als die Gruppe die ersten beiden Male zum gemeinsamen Essen ging, erläuterte der verantwortliche Sozialarbeiter, dass das Essen kein Schweinefleisch enthalte. Das gemeinsame Essen nach den Arbeitsphasen bot eine wunderbare Gelegenheit, dass sich die Teilnehmenden der Projektgruppe noch besser kennenlernten.
Beim dritten Treffen ging die Gruppe in ein chinesisches Restaurant. Diesmal sagte der Sozialarbeiter nichts zum Essen. Plötzlich rief eine junge Muslimin entsetzt: „Da ist Schweinefleisch!“ Alle Muslime ließen sofort ihre Gabel fallen. Insbesondere die Jüngeren waren völlig verunsichert, was das für die bedeute.
Eine ältere Frau fragte den Sozialarbeiter, wieso er nichts zum Essen gesagt habe. Er antwortete: „Es hat ja niemand gefragt. Und es gibt ja auch eine Speise mit Hühnchenfleisch!“ Die Emotionen kochten hoch. „Müssen wir jedes Mal fragen? Ist nicht bekannt, dass Muslime kein Schweinefleisch essen?“ fragte eine Muslima.
Der Wirt kam angelaufen und erkundigte sich, ob mit dem Essen etwas nicht stimme. Ein Teilnehmer antwortete: „Einigen von uns schmeckt kein Schweinefleisch und sie wussten nicht, dass in dem Essen Schweinefleisch ist.“ Nun wurden die Muslime noch ärgerlicher und meinten: „Es geht nicht darum, ob es uns schmeckt oder nicht! Es geht um unseren Glauben!“ Ein Muslim wandte sich an den Sozialarbeiter und sagte: „Sie werden es einmal vor Gott verantworten müssen, was Sie heute getan haben!“ Der Sozialarbeiter war nun auch sehr verärgert und entgegnete: „Muss man immer für euch mitdenken. Außerdem will ich auch mal wieder Schweinefleisch essen! Ich habe wegen euch zweimal auf Schweinefleisch verzichtet. Es gibt auch ein Essen ohne Schweinefleisch und ihr hättet ja fragen können, welcher Topf kein Schweinefleisch enthält!“
Entsetzen, Wut und Misstrauen wurden jetzt offen ausgesprochen. Den ganzen Nachmittag bearbeitete man diesen Konflikt. Die Teilnehmenden der Gruppe äußerten ihre Zweifel am Erfolg dieses Projekts.
Später zeigte sich, dass es gerade wegen dieses sehr starken Konflikts möglich war, einander zu begegnen und sich ehrlich die Meinung zu sagen, aber auch die Meinung des anderen zu hören. Offenheit und Ehrlichkeit in der Gruppe verhalfen zu mehr Verständnis füreinander, so dass dieses Projekt schließlich erfolgreich war.
von Stefan Maass
Von der Dame, die an der Supermarktkasse im Norden Frankfurts ihr Portemonnaie zückt, ist kein Fetzen Haut zu sehen. Das lange Gewand verhindert jeden Blick auf Knöchel und Handgelenke. Nasenwurzel und Augen verschwinden in einem dunklen Schatten hinter einem Gitternetz aus grobmaschigem Stoff. Selbst die Hände sind – als die junge Frau der Kassiererin einen 50€-Schein reicht – in Stoffhandschuhen versteckt.
„Ham Sie’s nett anners?“, fragt die Frau an der Kasse im breitesten Hessisch. „Klaanar?“
Die Verschleierte schüttelt schweigend den Kopf. – „Für das bissl ’n Fuffzischer!“ – Natürlich hat sie alles verstanden. Aber sie sagt nichts.
Wie viel Maskerade kann eine Gesellschaft, in der Blickkontakt so viel zählt, ertragen? Eine Gesellschaft, in der jeder jederzeit einen Ausweis mit Lichtbild bei sich tragen sollte – auch wenn er ihn fast nie braucht. In der man sich etwas ins Gesicht sagt, wenn man offen miteinander redet. In der man die Augen nur abwendet, wenn man sich schämt.
Die Burkafrau ist gebürtige Frankfurterin, wie jeder in diesem Dorf am Stadtrand weiß. Sie ist auch die Einzige, die hier so herumläuft – oder noch bis vor einem halben Jahr herumlief. Heute ist sie seit langem wieder einmal zu sehen. Ansonsten hat sie sich vollständig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Warum sie diesen Aufzug wählt, weiß keiner so genau. Eine Provokation? Vielleicht. Ohne Burka würde sie bestimmt gar nicht auffallen. In der Regel lässt sich kaum jemand aus dem Dorf etwas anmerken, wenn sie auftaucht. Aber irritiert sind die Leute noch immer. Sie ertragen den Anblick, sie billigen ihn nicht.
von Burkhard Weitz
Ein gewöhnlicher Tag in der City einer Kleinstadt in Deutschland, genauer in einer Parfümerie. Es duftet mehrschichtig, leuchtet in allen erdenklichen Rottönen aus den Regalen und über allem liegt ein Hauch von Luxus. In elegantem Schwarz gekleidete Damen und Herren schwirren wie geschäftige Bienen durch den Laden, um jeden Wunsch der meist gut frisierten und mit Make-up kaschierten Kundschaft zu erfüllen. Der Eindruck des Besonderen und Kultivierten vermittelt sich und das wohligwarme Gefühl: Der Kunde ist König. Eine gutsituiert gekleidete Frau nähert sich einem Regal mit Artikeln, die mit der Bräunung der Haut zu tun haben. Sie greift hier und da in das Regal, nimmt Tuben, Tiegel oder Fläschchen heraus und liest die Hinweise auf den Verpackungen. Offensichtlich scheint das Erforschen dieser Informationen sie nicht zu befriedigen, denn sie wendet sich an eine der schwarz gekleideten Fachkräfte. Eine dunkelhäutige Frau, die ihr krauses Haar streng nach hinten gekämmt hat, eilt ihr freundlich entgegen. Die gutsituierte Frau trifft mit ihrem Bräunungsproblem auf die dunkelhäutige Fachkraft. Es stellt sich heraus, dass sie eine Selbstbräunungscreme erwerben möchte. Ein Fachgespräch entwickelt sich. Es fallen die Namen bestimmter Markenartikel. Schließlich hält die Kundin eine Tube in der Hand und will sich vergewissern: „Wie sind denn Ihre Erfahrungen? Sie scheinen es ja selbst ausprobiert zu haben!“ Ein Moment der Stille tritt ein, ein gewisses Unverständnis im Blick der Fachkraft: Die dunkelhäutige Frau steht nach einer Antwort ringend mit offenem Mund da, bis sie in ein schallendes Lachen ausbricht. Die Kundin wendet sich irritiert ab und lässt die freundliche Fachkraft stehen.
von Gabriele Sand
In einem Dorf mit ca. 3.500 Einwohnern und mehr als 50% evangelischen Bürgern gab es über längere Zeit Probleme mit den Besuchern des örtlichen Jugendraums. Der Jugendraum lag im Keller des evangelischen Kindergartens mitten im Ort. Die Besucher des Jugendraum waren alle Skinheads mit rechtsextremen Ansichten. Die ca. 20 männlichen und weiblichen Jugendlichen zerstörten immer wieder die Möbel des Raums und vor dem Jugendraum kam es öfters zu Schlägereien, auch mit türkischen Jugendlichen, die ebenfalls aus dem Dorf stammten.
Schließlich bat der Bürgermeister des Ortes alle Jugendlichen zu einem Gespräch in den Jugendraum und drohte, ihn zu schließen.
Es erschienen zahlreiche Jugendliche zu diesem Gespräch mit dem Bürgermeister. Das Gespräch wurde von beiden Seiten sehr engagiert geführt. Plötzlich warf der Bürgermeister den Jugendlichen vor, dass sie keinen Anstand hätten. Er führte als Beispiel an, dass sie doch sicherlich gemerkt haben müssten, dass er Nichtraucher sei und dennoch würden sie in seinem Beisein rauchen. Anständige Menschen würden außerhalb des Jugendraums rauchen. Einige Jugendliche entschuldigten sich und verließen den Raum, um draußen weiter zu rauchen.
Das Gespräch ging weiter und nun herrschte ein reges Kommen und Gehen unter den Jugendlichen, da es immer welche gab, die rauchen wollten und daraufhin nach draußen gingen. Schließlich sagte der Bürgermeister: „Ihr wisst überhaupt nichts über anständiges Benehmen! Es ist eine Unverschämtheit und absolute Respektlosigkeit gegenüber einem Gast andauernd den Raum und damit auch das Gespräch zu verlassen. Es fehlt euch an jeder Erziehung!“ Dies war für die Jugendlichen zu viel, da hörte ihre Toleranz auf. Sie sagten, dass sie bereit waren, in Anwesenheit des Bürgermeisters ausnahmsweise auf das Rauchen zu verzichten und auf seinen Vorschlag draußen zu rauchen einzugehen, aber dass er sie dann erneut angriff, war zu viel für sie. Sie verließen den Raum. Der Jugendraum war danach erst einmal für längere Zeit geschlossen. Die Ruhestörungen und Sachbeschädigungen fanden daraufhin an anderen Plätzen im Ort statt.
von Stefan Maass
„Die gesamte Weihnachtszeit ist für mich eine Zeit der Ruhe und der Besinnung. Heiligabend ist von dieser Stimmung bestimmt, wenn auch das Gefühl der Freude und des Glücklichseins vorherrscht. Seit meiner Kindheit beginnt Weihnachten mit dem gemeinsamen Besuch des Gottesdienstes an Heiligabend. Vor der Bescherung singen wir manchmal gemeinsam, schließlich darf auch das gemeinsame Essen nicht fehlen. Der Abend ist von Freude geprägt und ist doch ein Abend eher ruhiger Natur. Eine ganz andere Art Weihnachten zu feiern, lernte ich durch meine Frau kennen. Sie kommt aus Mexiko und als wir zum ersten Mal in Deutschland zusammen Weihnachten feierten, war sie schon vom Heiligabendgottesdienst enttäuscht. Für sie war nichts von der Freude über Jesu Geburt zu spüren: Die Gottesdienstbesucher würden alle schauen, als wären sie auf einer Beerdigung. Nach dem Abendessen legte meine Frau eine CD mit Tanzmusik auf und wollte tanzen. Tanzen an Weihnachten? Dies war für mich unvorstellbar. Meine Frau konnte meine Zurückhaltung nicht verstehen. Die Geburt Jesu ist doch eine Freude, und dieser Freude muss man doch Ausdruck verleihen, und das heißt eine Geburtstagsparty feiern und dazu gehört auch tanzen. Ich verstehe ihre Argumentation. Beide Arten Weihnachten zu feiern sind aus dem christlichen Glauben zu begründen. Dennoch fällt es mir schwer, an Heiligabend zu tanzen. Mir sind meine Kultur und meine Gewohnheit wichtig. Ich kann nun zwar besser verstehen, dass andere Weihnachten eine Party feiern wollen. In der Ehe bleibt aber die Frage, wie wir gemeinsam den Weihnachtsabend gestalten.“
von Stefan Maass
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