Geistliche Vorbilder – herrlich unperfekt?!

Einheit | Theologischer Artikel
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Geistliche Vorbilder – herrlich unperfekt?!

Materialart: Theologischer Artikel
Zielgruppen: Jugendliche (15-19 Jahre), Junge Erwachsene (18+), Studenten
Einsatzgebiete: (Jugend-)Gottesdienst, Gruppenstunde, Predigtvorbereitung, Schulung
Verband: Deutscher EC-Verband
Redaktion: echt.
Zeitbedarf: 20-30 Min. (Vorbereitung: 10-15 Min.)
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Wenn wir uns fragen, was eigentlich ein „geistliches Vorbild“ zum Vorbild macht und ich schaue so zurück, welche Menschen mich geistlich geprägt haben, so fällt mir auf, dass sich das diese Menschen selten bewusst vorgenommen hatten. Man könnte sagen: Zum Vorbild kann man sich nicht machen, man wird es (oder auch nicht). Die Menschen in der Bibel sind es wohl gerade dadurch geworden, wie sie ihren Alltag gemeistert und Verantwortung übernommen haben. In mancherlei Hinsicht ragten sie echt heraus, oft aber waren sie auch weit davon entfernt „perfekt“ zu sein. Was sie zu Vorbildern werden ließ, hatte wohl auch etwas damit zu tun, wie sie beides miteinander verknüpften: die herrlichen Momente und die unperfekten Momente. Drei unterschiedliche Möglichkeiten dieser Verknüpfung von „herrlich“ und „unperfekt“ sind mir aufgefallen, die prägende Vorbilder formen können.

Echt herrlich und echt unperfekt

Da finden wir z. B. Menschen in der Bibel, die darin Vorbilder sind, dass sie „echte Menschen“ sind, nämlich „echt herrlich“ und „echt unperfekt“. Es gibt in der Bibel einen wunderbaren Psalm, der darüber staunt, was eigentlich einen Menschen zum Menschen macht. Darin betet und staunt der Psalmist über den Menschen zu Gott hin: „mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt“ (Ps 8,6). Nach der Bibel ist ein Mensch an sich „herrlich“, „echt herrlich“. Was in anderen Kulturen nur von einem König gesagt wurde – z. B. in Ägypten vom Pharao – wurde im Alten Israel von jedem Menschen so gesagt: Jeder Mensch ist ein König: begabt, ein Abbild Gottes, berufen, mit den eigenen Gaben die wunderbare Schöpfung Gottes zu pflegen, zu genießen, zu feiern. Das sind der Glanz und die Herrlichkeit jedes Menschen. In genau demselben Vers wird aber auch deutlich, dass es zwischen Mensch und Gott bei aller Nähe auch einen Unterschied gibt: „du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott“. Der Mensch ist nicht Gott, nicht in dem Sinne „perfekt“, dass er alles kann und niemanden braucht. Ein Mensch ist hilfsbedürftig, angewiesen auf andere Menschen und auf Gott. So ist ein Mensch einerseits hochbegabt, andererseits nie sich selbst genug, sondern braucht andere. Mir fallen in der Bibel einige Beispiele auf, wo Menschen dadurch zu Vorbildern werden, dass sie ihr Menschsein annehmen und leben: echt herrlich und echt unperfekt, Verantwortung annehmen aber auch Grenzen respektieren, ihre Gaben zur Entfaltung bringen, aber sich nicht für unersetzlich halten, Hilfe sind und ebenso Hilfe annehmen, den Garten bebauen und bewahren und sich doch über die Hilfe begeistert freuen, die zu ihnen passt (1. Mose 2,15.18.23).

Da ist z. B. der Prophet Elisa: Zugegeben, es ist schon atemberaubend und auch übermenschlich, was der so drauf hatte, mit welchen Gaben er glänzte (2. Kön 2-13). Aber ich finde, genau darin zeigt er das Potential von uns Menschen: Er scheute sich nicht, seine Gaben einzusetzen. Er machte ungesundes Wasser trinkbar, ermutigte den König in bedrohlicher Lage, brachte sogar einen verstorbenen Jungen zurück ins Leben. Möglich war ihm dies nicht zuletzt auch daher, weil er gelernt hatte, sich vieles bei seinem geistlichen Lehrer, dem Propheten Elia, abzuschauen (der konnte vieles davon nämlich auch). Als der Dienst von Elia zu Ende ging, machte Elisa alles in umgekehrter Reihenfolge dem Elia nach (2. Kön 2). Wir können hier regelrecht zusehen, wie Elisa durch Elia lernt. Am „Wendepunkt“ aber bittet Elisa, dass er den Geist bekommen kann, den Elia hat: Damit ist sich Elisa seiner Grenzen bewusst und bittet gleichzeitig um die entscheidende Gabe, durch die er wirken kann und möchte. Er ist „echt herrlich“ und „echt unperfekt“.

Natürlich können wir das auch bei den Jüngern von Jesus sehen, besonders eindrücklich bei Petrus. So lässt Jesus einerseits die Gaben und Fähigkeiten aufblühen, als Petrus endlich mal den Ertrag all seiner mühevollen Arbeit in Fülle einsammeln kann und im gleichen Augenblick erkennt Petrus den Unterschied zwischen sich und Jesus und ist genau dann ein vorbildhafter Mensch (Lk 5,1-11).

Und so würde ich aus diesen Geschichten die Ermutigung ableiten, dass wir uns nicht zurückziehen, sondern unsere Gaben entdecken und entfalten und dass wir überhaupt Vorbilder suchen: Möglichkeiten entdecken, wie wir als Menschen wirken können und unsere Grenzen dadurch anerkennen, dass wir lernfähig bleiben – echt herrlich und echt unperfekt.

Echt unperfekt und doch herrlich

Besonders häufig finden wir in der Bibel Geschichten von Menschen, die glänzend gewirkt haben, obwohl sie auch dunkle Flecken in ihrer Biographie hatten, wo also die herrlichen und unperfekten Momente krass nebeneinander stehen. Da fällt einem natürlich gleich wieder Petrus ein mit seinen flotten Sprüchen und oft ist dann wenig dahinter. Aber er hat eben auch seine herrlichen Momente, zeigt Mut, bekennt Jesus als Christus, zeigt Bereitschaft ihm nachzufolgen. Er ist echt unperfekt und doch herrlich. Im Alten Testament gibt es da noch viel wildere Geschichten. Da ist David, ein König nach dem Herzen Gottes. Er besiegt den übermächtigen Krieger Goliat (1. Sam 17), verschont seinen Konkurrenten Saul (1. Sam 24; 26), ist zu tiefster Freundschaft zu Jonatan im Stande. Auf der anderen Seite begeht er Ehebruch mit Bathseba, hat den Tod ihres Ehemanns auf dem Gewissen (2. Sam 11) und bleibt bei den tiefen Konflikten in seiner Familie absolut untätig (2. Sam 13). Das steht nebeneinander, völlig unvermittelt.

Oder da ist Gideon, der berufen wird, sein Volk Israel von den ständigen Raubzügen des Volkes der Midianiter zu befreien (Ri 6-8). Trotz fester Versprechen Gottes bleibt er ängstlich, versichert sich über alles mehrfach, führt aber letztlich aus, wozu Gott ihn berufen hat, macht sich dann aber doch auch ein Götzenbild, von dem er Sicherheit erhofft. Auch hier sehen wir: herrliche Momente und unperfektes Verhalten stehen krass nebeneinander.

Gerade solche Geschichten lassen etwas erahnen davon, dass man sich nicht zum Vorbild machen, aber dazu werden kann. Denn Gott wirkt über uns hinaus, wo wir uns ihm anvertrauen; wo wir nicht vollkommen sind, uns aber vollkommen Gott hingeben. Es hängt dabei nicht alles Gelingen an uns und doch hängt sich Gott an uns – den echt unperfekten und doch herrlichen Menschen. Gott bricht sein Segenshandeln und seine Rettungsmaßnahmen nicht dort ab, wo wir Fehler machen, sondern geht durch unsere unperfekten Momente mit hindurch, wo wir unsere Gaben in aller Unvollkommenheit für und mit Gott einsetzen.

Für mich zählen die Menschen zu den wichtigsten Vorbildern, an denen ich bei allem Einsatz eine fröhliche Gelassenheit wahrnehmen konnte. Ich denke, eine solche Gelassenheit nährt sich auch aus diesen Geschichten, in denen Begabungen und Verfehlungen krass und unvermittelt nebeneinander stehen und Gott sich davon nicht zurückzieht, sondern dabei bleibt.

Echt herrlich unperfekt

Am eindrücklichsten sind mir jedoch die Menschen und Personen der Bibel, denen es gelungen ist, ihre unperfekten Momente, Charakterzüge oder ihre Grenzen in ihre Persönlichkeit zu integrieren. Die Begabungen und Verfehlungen nicht nur nebeneinander stehen lassen, sondern sich ihnen stellen, sie zusammenbringen, versöhnen. So kann ich mich an der Geschichte von Petrus nicht satt lesen, wie Jesus ihn dreimal fragt, ob er ihn liebhat, nachdem er ihn vorher dreimal verleugnete, bis Petrus schließlich alles Jesus hinlegt: „Herr, du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe“ (Joh 21). Damit aber wird er zum Vorbild, ausdrücklich von Jesus so benannt: „Weide meine Schafe!“ Hier ist in der Persönlichkeit des Petrus etwas zusammengekommen: Er hat sich seinen Grenzen und Verfehlungen gestellt, sie benannt. Sie sind ein Teil von ihm und haben ihn gerade so reifen lassen, zum Vorbild werden lassen.

Im Alten Testament berührt mich eine Geschichte, die wenig bekannt ist, und in der ein Mann und eine Frau jeweils beide zu beeindruckenden Vorbildern heranreifen, genau dadurch, dass sie sich ihrem unperfekten Leben stellen (1. Mose 38). In der Geschichte von Josef und seinen Brüdern tut sich ein Nebenschauplatz auf, der zunächst überhaupt nichts mit Josef zu tun zu haben scheint: Der Wortführer seiner Brüder, Juda, verlässt die Familie, um eine eigene zu gründen. Er bekommt drei Söhne, besorgt dem ältesten eine Frau mit Namen Tamar. Als dieser stirbt, erhält nach geltendem Recht der nächste Sohn Tamar mit zur Frau, um deren Existenz zu sichern. Als auch dieser Sohn stirbt, begeht Juda ein großes Unrecht gegenüber seiner Schwiegertochter Tamar: Er sieht seinen jüngsten Sohn bedroht. Obwohl sie offiziell die Frau des jüngsten Sohnes ist, schickt Juda sie zurück in ihren Geburtsort unter einem Vorwand, überlässt sie sich selbst und gefährdet damit ihr Leben. Jahre später geht Tamar einen ungewöhnlichen Schritt, als sie davon hört, dass Juda verwitwet ist und in der Nähe ihres Geburtsortes weilt. Sie verkleidet sich als Hure, Juda erkennt sie nicht, will sie für eine Nacht und gibt dafür einen Pfand. Sie wird schwanger, bei Juda kommt dies nur als Schwangerschaft seiner Schwiegertochter an. Als er sie wegen Ehebruch umbringen lassen will, überführt sie ihn durch den Pfand und er bekennt, dass sie gerechter ist als er (1. Mose 38,26). Mit diesem Bekenntnis stellt sich Juda seinem Fehlverhalten. Er macht die Augen davor nicht zu, sondern bringt es mit seinem ganzen Leben zusammen. Er stellt sich dem und entwickelt sich zu einem Menschen, der dann sogar bereit ist, sein Leben für das Leben seines Bruders einzusetzen und vor Josef auch die Schuld der Brüder bekennt (1. Mose 44,16).

Sowohl Juda als auch Tamar können wir als Vorbilder lesen, die echt unperfekt herrlich sind: die eine wartet nicht auf eine günstige Lebenslage, sondern entfaltet ihre Cleverness gerade in der Situation, die so „unperfekt“ für sie ist. Der andere stellt sich seiner unperfekten Lebensführung und gibt seine Verfehlungen zu und wird so zur Umkehr fähig, entwickelt die Größe, Schuld zu bekennen. Hier stehen herrliche und unperfekte Momente nicht nebeneinander, sondern kommen zusammen und prägen diese beiden Persönlichkeiten auf immer.

Sicher sind es noch mehr Dinge, wodurch Menschen für uns zu geistlichen Vorbildern werden. Wenn wir uns fragen: Wie können und wollen wir junge Menschen begleiten und vielleicht auch prägen, so wäre die vorrangige Frage nicht, wie wir ihnen gute Vorbilder sind, sondern ganz schlicht: Was können sie an uns ablesen, wie wir die unperfekten Seiten an uns und in unserem Leben meistern, mit Gott in Verbindung bringen und dabei menschlich bleiben. Genau dort könnte dann etwas aufblitzen von einer geistlichen Persönlichkeit, die von Jesus Christus getragen wird, der gerade dadurch „verherrlicht“ wurde, dass er alles Unperfekte auf sich genommen und in seinem Leben verwandelt hat.  

  • Autor / Autorin: Dr. Torsten Uhlig
  • © Deutscher EC-Verband
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