Gemeinsam wachsen in Glaube und Leben – heute von Bonhoeffer lernen

Einheit | Theologischer Artikel
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Gemeinsam wachsen in Glaube und Leben – heute von Bonhoeffer lernen

Materialart: Theologischer Artikel
Zielgruppen: Jugendliche (15-19 Jahre), Junge Erwachsene (18+), Studenten
Einsatzgebiet: Predigtvorbereitung
Verband: Deutscher EC-Verband
Redaktion: echt.
Zeitbedarf: 20-40 Min. (Vorbereitung: 10-20 Min.)
Bibelstelle: Römer 15,7 anzeigen
Bibelstelle
Römer 15,7

7Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.

Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

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Was brauchen wir heute? Menschen und Orte, wo Leben und Denken zusammen finden. Dort entsteht, was uns hilft, Leben und Glauben hilfreich zu gestalten. Das gilt von einem bis heute viel gelesenen Buch Dietrich Bonhoeffers (1906-1945): „Gemeinsames Leben“ (Erstveröffentlichung 1939). Es entstand aus Erfahrungen in den Jahren 1935-1937 im Predigerseminar in Finkenwalde. Bonhoeffer lebte dort mit zunächst 23 Theologen zusammen, die Pfarrer werden sollten. Sie teilten das Leben miteinander: von der morgendlichen und abendlichen 45-minütigen Andacht über das theologische und praktische Arbeiten bis hin zum gemeinsamen Singen und Spielen. Bonhoeffer ging es darum, das Leben in der Nachfolge Jesu wirklich einzuüben und nicht nur darüber zu reden. Nur was wir regelmäßig vollziehen, wird uns und unser Leben wirklich in der Tiefe prägen: „Übung macht den Meister.“

Vor allem anderen aber steht die Wahrnehmung: Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern ist ein großes Geschenk Gottes! Wer von uns würde glauben, ohne andere, die einem Jesus lieb gemacht hätten? Wer von uns wäre gewachsen, wenn nicht durch die Ermutigung und Korrektur anderer? Keiner von uns kann ohne andere glauben! Insofern ist es mehr als natürlich, sich nach Gemeinschaft zu sehnen: „Die leibliche Gegenwart anderer Christen ist dem Gläubigen eine Quelle unvergleichlicher Freude und Stärkung.“ Der Mitchrist ist ein Zeichen für die Gegenwart Gottes selbst. Wer lernt, den Mitchristen so von Christus her zu sehen, der wird an ihm froh werden und Gott dafür danken.

Aber wo Leben und Glauben wirklich miteinander geteilt werden, bleibt es nicht aus, dass wir voneinander enttäuscht werden: der andere sieht meine Bedürfnisse nicht, setzt aber seine eigenen durch; der andere betet nicht so innig, wie es ein ernsthafter Christ soll; er ist unpünktlich; er nimmt seine Verantwortung als Mitarbeiter nicht ernst genug; er ist… jedenfalls verletzt er mich – und mein Bild von wahrer christlicher Gemeinschaft. Bonhoeffer hält diese enttäuschenden Erfahrungen für sehr heilsam. Sie konfrontieren uns mit der Wirklichkeit des anderen, sie befreien uns von unserem Bild von ihm und führen zur wirklichen Begegnung mit ihm, so wie er ist und nicht, wie wir ihn uns wünschen. Das schmerzt und tut weh. Auch weil wir dadurch erfahren, wer wir selbst sind: solche, die über andere urteilen; die sich bemitleiden, weil andere sie verletzen; die andere nur schwer ertragen können, weil der eigene Selbstwert abhängig ist von einem bestimmten Verhalten anderer; die nicht akzeptieren, dass der andere Zeit braucht, um die Dinge dazu zu lernen, die er wirklich unbedingt lernen muss…

Christliche Gemeinschaft bringt uns in Verbindung mit Not und Schwäche, Begrenzung und Leiden anderer und von uns selbst. Dem weichen viele aus, auch wenn sie theoretisch vielleicht mit Paulus sagen: „Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat.“ (Röm 15,7) Sie gehen und suchen sich eine andere, in ihren Augen bessere Gemeinschaft. Oder sie bleiben und stehen „wie ein lebendiger Vorwurf für alle andern im Kreis der Brüder“, wie Bonhoeffer es trefflich auf den Punkt bringt.

Diese realistische Wahrnehmung birgt das Geheimnis des Lebens in sich: wir finden endlich zu dem, was uns als Einzelne und was uns als Gemeinschaft wirklich ausmacht, und kommen dadurch als die, die wir wirklich sind, endlich vor und zu Gott. Wo wir diese tiefere Erkenntnis, die Gott uns schenken will, vermeiden, verlieren wir das Leben. Wer diesem Geburtsschmerz ausweicht, wundere sich nicht, dass das Leben, nach dem er sich subjektiv ehrlich sehnt, nicht zur Welt kommt. „Der Ausschluss des Schwachen und Unansehnlichen, des scheinbar Unbrauchbaren aus einer christlichen Lebensgemeinschaft kann geradezu den Ausschluss Christi, der in dem armen Bruder an die Tür klopft, bedeuten. Darum sollen wir hier sehr auf der Hut sein.“

Bonhoeffer will aber nicht, dass wir uns einfach mit dem abfinden, was uns und unsere Gemeinschaft ausmacht. Im Gegenteil: Die Gemeinschaft ist ein idealer Lernort, wo Erfahrungen gemacht werden, die einen selbst und die Gemeinschaft verändern. Bonhoeffer spricht realistisch von den Sünden in der Gemeinschaft, vom Geist des Verurteilens, der Sünde der Empfindlichkeit, vom heimlichen Wort über den anderen… Das darf nicht hingenommen werden, weil es die Gemeinschaft auf Dauer zerstören wird. Es braucht ein Doppeltes: „Wir sind sanft und wir sind hart gegeneinander, denn wir wissen von Gottes Güte und von Gottes Ernst.“ Wir brauchen den gegenseitigen Trost und wir brauchen die Ermahnung. „Je mehr wir lernen, uns selbst das Wort vom Andern sagen zu lassen, auch harte Vorwürfe und Ermahnungen demütig und dankbar anzunehmen, desto freier und sachlicher werden wir zum eigenen Wort. Wer selbst in Empfindlichkeit und Eitelkeit das ernste brüderliche Wort ablehnt, der kann auch dem Andern nicht in Demut die Wahrheit sagen, weil er die Ablehnung fürchtet und sich dadurch wieder selbst verletzt fühlt.“

Wir tun gut daran, diese Spur heute aufzunehmen. Jeder ist gefährdet, dieser befreienden Wahrheit auszuweichen. Aber die Warnung und Verheißung Jesu gilt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24)

Bonhoeffer benennt mit zwei Sätzen, in welche Richtung wir uns entwickeln sollen: „Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft.“ Und: „Wer nicht in der Gemeinschaft steht, der hüte sich vor dem Alleinsein.“ Wir brauchen beides. Fragen wir uns doch ehrlich: Kann ich mit mir selbst und mit Gott regelmäßig und hilfreich umgehen? Bin ich bereit, anderen wirklich zu dienen und mir dienen zu lassen? Beurteile ich andere hauptsächlich nach dem, was sie mir bringen oder bin ich gewillt, mich selbstlos einzubringen und mich in Freiheit um des anderen willen auch zurückzunehmen? Christliche Gemeinschaft beinhaltet auch das offene Gespräch über unsere Schwierigkeiten und die Suche nach Wegen, wie wir wachsen können. Gott hat jedem von uns Leben zugedacht, dass wir im Vertrauen und in der Liebe wachsen, für uns selbst und als Gemeinschaft. Bonhoeffers „Gemeinsames Leben“ ist lesenswert – ist lebenswert!

  • Autor / Autorin: Pfr. Thomas Maier
  • © Deutscher EC-Verband
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