Wenn man die Zeit beim Schopf packen muss

Einheit | Theologischer Artikel
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Wenn man die Zeit beim Schopf packen muss

Materialart: Theologischer Artikel
Zielgruppen: Jugendliche (15-19 Jahre), Junge Erwachsene (18+), Studenten
Einsatzgebiet: Gruppenstunde
Verband: Deutscher EC-Verband
Redaktion: echt.
Zeitbedarf: 20-40 Min. (Vorbereitung: 15-20 Min.)
Bibelstelle: Markus 1,15 anzeigen
Bibelstelle
Markus 1,15

15und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!

Die Bibel nach Martin Luthers Übersetzung, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.

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Der Unterschied von Kairos und Chronos

Die Flanke fällt direkt in den Strafraum. Du hast deinen Bewacher abschütteln können. Der Ball liegt direkt vor deinen Füßen. Nur Bruchteile von Sekunden bleiben dir zur Entscheidung. Dann ziehst du ab. Und….?

Es gibt Momente im Leben, die nicht nur ein Fußballspiel entscheiden können. Sie können dich zum Helden oder zum Versager machen. In solchen Momenten muss man hellwach und entschlossen sein. Die alten Griechen nannten einen solchen Moment „kairos“. Die Bedeutung wird klarer, wenn man sich einen Jungen mit einem wehenden Haarschopf vorstellt. Dieser huscht vorbei und man muss ihn sofort packen, wenn er nicht für immer vorbei sein soll. Der Kairos muss beim Schopf gepackt werden. Er ist der entscheidende Augenblick.

Wenn das Neue Testament von „Zeit“ spricht, ist häufig diese griechische Vorstellung vom günstigen Augenblick zu Grunde gelegt. Paulus spricht von der günstigen Zeit, Gutes zu tun (2Kor 8,14) oder er nennt einen Zeitpunkt des Wiedersehens (vgl. 1Thess 2,17).

Solche günstigen Zeitpunkte können nicht erzwungen, berechnet oder im Kalender eingetragen werden. Sie sind von Gott verfügt. Und wenn sie da sind, muss man sie entschlossen ergreifen.

Solche günstigen und oft heilsentscheidenden Zeitpunkte sind mit der Verkündigung des Evangeliums gegeben. Markus spricht gleich zu Beginn seines Evangeliums davon, dass die Zeit erfüllt und das Reich Gottes nahe herbei gekommen ist (Mk 1,15). Nun gilt es, umzukehren und an das Evangelium zu glauben. In früheren Zeiten verwendeten Christen manchmal das Bild des „Gnadenzuges“, der im Leben ein oder zwei Mal vorbeifahre und anhalte. Dann gilt es, entschlossen einzusteigen. Denn dieser Zug bringt einen ins Reich Gottes. Einen solchen Kairos kann man z.B. auf einer Freizeit oder auch auf einer Mitarbeitertagung erleben. Manch einer hat ihn aber auch schon im Krankenhaus erlebt. Denn auch Krankheitszeiten können Zeiten sein, in denen Gott uns ruft. Immer aber kommen diese Zeiten überraschend. Gott schenkt sie. Er ist der Herr der Zeit. Er hat die Zeit geschaffen und er bestimmt, wann der günstige Zeitpunkt ist.

Etwas anderes ist die zerrinnende oder vergehende Zeit. Das Bild einer Sanduhr mag veranschaulichen, was gemeint ist. Auch diese Zeit ist unwiederholbar. Sie besitzt jedoch etwas Gleichmäßiges. Sie fließt. Das griechische Wort hier für heißt „chronos“. Diese Zeit lässt sich mit einer Uhr, dem „Chronometer“, messen. Sie lässt sich auf einem Zeitstrahl eintragen. Unsere Lebenszeit ist „Chronos-Zeit“. Auch sie liegt in Gottes Hand. Interessant ist nun, wenn beides, Kairos und Chronos, aufeinandertreffen. Paulus kommt im Blick auf die Geburt von Jesus darauf zu sprechen: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn.“ (Gal 4,4). In die waagerechte Chronos bricht aus der Vertikalen die Geburt des Sohnes Gottes hinein. Chronos und Kairos werden eins. Die Zeit ist erfüllt. Wir sprechen daher auch von einer Zeit vor Christus und einer Zeit nach Christus. Es ist die letzte Zeit (Hebr 1,2). In dieser Zeit gilt es, Christus entschlossen nachzufolgen (Mk 10,30).

In unserem Alltag können wir den besonderen Kairos immer wieder erleben. Wenn ich zum Beispiel Abendmahl feiere, weiß ich, dass Gott mir ganz nahe kommt. Manchmal mache ich auch beim Bibellesen oder Beten diese Erfahrung. Auch Augustinus, der Bischof von Hippo in Nordafrika (354-430), hatte eine solche Erkenntnis: Augustin war ein Intellektueller, dem es schwerfiel, an Gott zu glauben. Eines Tages aber saß er weinend in seinem Garten, als er aus dem Nachbarhaus eine Kinderstimme rufen hörte: „Nimm und lies, nimm und lies!“ Augustin wusste nicht, was diese Stimme sollte. Doch aufs Geratewohl öffnete er den vor ihm liegenden Band paulinischer Briefe und las: „… nicht in Fressen und Saufen, nicht in Unzucht und Ausschweifung, nicht in Hader und Eifersucht; sondern zieht an den Herrn Jesus Christus und sorgt für den Leib nicht so, dass ihr den Begierden verfallt“. (Rö 13,13-14). Augustin fühlte sich von diesen Worten zutiefst getroffen. Denn sie sprachen genau in seine Lebenssituation. Klarheit und Gewissheit durchströmten sein Herz. Er wusste, er hatte endlich die Wahrheit gefunden. Mitten im Chronos hatte sich für ihn persönlich der Kairos des Heils ereignet.

  • Autor / Autorin: Dr. Rolf Sons
  • © Deutscher EC-Verband
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