Alle Menschen haben verschiedene Bedürfnisse: Sicherheit, Schutz, Vertrauen, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Leistung, Erfolg, Anerkennung sowie Respekt. Immer dort, wo Bedürfnisse verletzt werden, erleben wir Eingriffe in die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit. In diesem Kapitel geht es speziell um verschiedene Formen von Gewalt und Vernachlässigung, die Kinder und Jugendliche in den unterschiedlichsten Systemen (Schule, Familie oder Gruppen) erleben. Dabei muss es sich nicht immer zwangsläufig um körperliche Gewalt handeln. Fast genauso einschneidend, wenn nicht gravierender, ist psychische Gewalt oder sexualisierte Gewalt. Die weite Verbreitung der digitalen Medien und Smartphones spielen dabei eine große Rolle. Gewalt und grenzverletzendes Verhalten sind nicht auf ein soziales Milieu beschränkt, sondern ziehen sich durch alle Schichten. Dies kann dazu führen, dass es unter Umständen schwierig sein kann, gefährdete Kinder und Jugendliche frühzeitig zu erkennen. Bei der Vorbereitung und Durchführung sollte man bedenken, dass Betroffene unter Umständen in der eigenen Trainee-Gruppe sitzen könnten.
Ziel dieser Einheit ist es, die Trainees für das Thema zu sensibilisieren, wo Gewalt in verschiedenster Form, auch im eigenen Alltag, vorkommt. Es ist zeitlich nicht möglich, alle Bereiche detailliert zu betrachten, daher beschränken wir uns nach einer Einführung auf den Bereich Mobbing und sexualisierte Gewalt.
Nr. | Inhalt | Dauer | Material |
1 | Einstieg ins Thema: #Above the Noise | 15 min | Beamer, Lautsprecher, Laptop (Internetzugang), Papier, Stifte; DIN-A6-Karten |
2 | Bedürfnisse von Menschen und Verletzungen | 20 min | Bedürfnisse auf Karten, Kärtchen, Stifte |
3 | Mobbing | 30 min | Arbeitsblatt Mobbing, Fallbeispiel für alle ausgedruckt (s. Downloads) |
4 | Energizer „Zahlen“ | 5 min | |
5 | Einstieg „Sexualisierte Gewalt“: Nähe und Distanz | 15 min | |
6 | #MeToo | 30 min | Bilder |
7 | Abschluss/Kurzimpuls: All that we share | 10 min | Beamer, Lautsprecher, Laptop (Internetzugang) |
Der Einstieg in dieses breite Themenfeld geschieht mit Hilfe eines Youtube-Videos:
„#AboveTheNoise feat. Serena Williams, Neymar Jr., Cara Delevingne, Michael K. Williams, and Kris Wu“ (www.youtube.com/watch?v=oWithLP0VlQ, letzter Zugriff am 28.02.2019). Da das Video komplett in englischer Sprache ist, ist es wichtig, bei den Einstellungen darauf zu achten, dass deutsche Untertitel eingestellt sind. Die Einstellungen kann man rechts unten im Videoclipfenster vornehmen.
Die Trainees bearbeiten während des Clips folgende Beobachtungsaufgabe in Einzelarbeit:
Benenne die verschiedenen Situationen und Gewalterfahrungen, die die Hauptpersonen in dem Clip erleben:
Nach dem Video tauschen die Trainees in Zweierteams ihre Ergebnisse aus. Danach stellen die Zweierteams ihr Ergebnis im Plenum vor.
Alternativ zum Video kann als Einstieg ins Thema mit der Gruppe gesammelt werden, welche Formen von Gewalt bekannt sind. Hierzu eignet sich eine Sammlung auf DIN-A6-Karten. Diese Karten können dann gemeinsam in Kategorien sortiert werden.
Gewalt erfahren wir vor allem dort, wo unsere grundlegenden Bedürfnisse verletzt werden. In Anlehnung an die von Abraham Maslow entwickelte Bedürfnishierarchie überlegen sich die Trainees, wodurch die folgenden Bedürfnisse verletzt werden können. Die Ergebnisse werden auf Karten gesammelt und dem jeweiligen Bedürfnis zugeordnet.
Die Jugendlichen dürfen beim Sammeln gern auf persönlich erlebte oder beobachtete Situationen eingehen. Persönliche Erlebnisse sollten vertraulich behandelt werden. Die Gruppe soll darauf hingewiesen werden, dass Erzähltes nicht weitergesagt werden soll.
Bedürfnisse und Verletzungen:
Das Wort Mobbing stammt vom englischen Verb „mob“ (bedrängen, über jemanden herfallen). Das Verhalten, das wir im deutschen Sprachgebrauch „Mobbing“ nennen, wird im englischsprachigen Raum als „bullying“ (schickanieren, tyrannisieren) bezeichnet. Viele Jugendliche kennen Mobbing vor allem aus der Schule, wo sie sich selbst in der Beobachterrolle befinden. Dies bedeutet nicht, dass Mobbing sich auf das System Schule beschränkt. Mobbing kann grundsätzlich in allen Gruppen vorkommen, allerdings sind die meisten Gruppenangebote außerhalb der Schule freiwillig – daher kann sich jemand, der sich in der Opferrolle befindet, leichter einer Situation entziehen. Und trotzdem kann Mobbing natürlich auch in der christlichen Jugendarbeit vorkommen. In den meisten Fällen wird es sich um Mobbing in der Testphase handeln. In dieser Phase können Mitarbeitende gut eingreifen und dafür sorgen, dass alle respektvoll miteinander umgehen.
Einige Kinder und Jugendliche, die unsere Gruppen und Kreise besuchen, haben vermutlich Erfahrungen mit Mobbing gemacht, unter Umständen auch in der Opfer- oder Täterrolle. Es ist daher wichtig, dass die Mitarbeitenden sensibel mit dem Thema umgehen und Mobbingstrukturen benennen können. Nur wenn Übergriffe erkannt und benannt werden, kann auf die Situation und das Opfer eingegangen werden.
Besprecht das Phänomen Mobbing mit der Gruppe anhand des Arbeitsblattes Mobbing (s. Downloads). Bildet Kleingruppen mit ca. drei bis vier Trainees (je nach Gruppengröße). Die Kleingruppen erhalten alle das gleiche Fallbeispiel, das sie anhand der Fragen bearbeiten sollen. Die Ergebnisse werden im Plenum besprochen. Hierbei soll der Schwerpunkt auf möglichen Lösungsansätzen gegen Mobbing liegen.
Für Gruppenstunden, für die ich persönlich die Verantwortung habe, können mögliche Vorgehensweisen u. a. folgende sein:
Es gibt letztlich nicht die eine Lösung, die in jedem Mobbingfall funktioniert. Aber durch aufmerksames Beobachten der Gruppe ist es möglich, Machtstrukturen zu erkennen und dann einzugreifen, wenn sichtbar wird, dass sich Teilnehmende nicht allein wehren kön-nen bzw. wenn der Werterahmen, den die Gruppenleitung vorgibt, angegriffen wird.
Das Thema ist emotional anstrengend. Folgende Übung dient dazu, die Gruppe nach dem ersten Teil nochmals aufzulockern, bevor es mit dem Themenblock sexualisierte Gewalt weitergeht. Die Trainees bilden Zweierteams. Die erste Aufgabe ist, abwechselnd bis drei zu zählen, wobei die Zahl Eins durch eine gemeinsam beschlossene Geste ersetzt wird. Nach einigen Durchgängen, soll auch die Zahl Drei durch eine Geste ersetzt werden.
Bei dieser Übung geht es darum, die persönlichen Grenzen oder auch Distanzzonen, die wir Menschen haben, zu visualisieren.
Distanzzonen lassen sich in drei Bereiche einteilen:
Es gibt bei den Distanzzonen kulturelle Unterschiede. Der Abstand ist in südlichen Ländern oft kürzer. Die Übung erfolgt in zwei Stufen:
Die Trainees finden sich in Zweierteams zusammen. Beide Trainees stellen sich mit etwa 5 Metern Abstand zueinander auf. Ein Trainee geht langsam Schritte auf die andere Person zu, bis sie die Hand als Stoppsignal hochhebt. Das Stoppsignal soll dann gegeben werden, wenn ein angenehmer Abstand erreicht ist. Dann wechseln die Rollen.
Die Trainees mischen sich neu. Im zweiten Durchgang ist es die Aufgabe, sich mit jemandem zusammenzufinden, die/den man nicht gut kennt oder mit der/dem man außerhalb vom Trainee-Programm nicht so viel Kontakt hat. Dann wird die Übung wiederholt.
Im anschließenden Reflexionsgespräch geht es darum, die Distanzzonen zu besprechen. In den meisten Fällen wird hervorstechen, dass die Distanzzone beim zweiten Durchgang größer ist.
Die weltweite Twitterbewegung mit dem #MeToo, angestoßen von Schauspielerin Alyssa Milano, richtet sich gegen sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt. Zunächst in der Glitzerwelt Hollywoods, dann aber auch in den verschiedensten Kontexten. Auslöser war der Skandal um Hollywood-Produzent Harvey Weinstein, der im Oktober 2017 von mehr als 70 Frauen der sexuellen Belästigung bezichtigt wurde. Einige Schauspielerinnen haben ihn angezeigt, andere haben sein Verhalten öffentlich gemacht. Die Bewegung hat das Gespräch um das Tabuthema sexualisierte Gewalt auf neue Art und Weise angefacht und in die gesellschaftliche Mitte gerückt.
Der Einstieg in dieses nicht ganz einfache Thema soll über eine Bildbetrachtung erfolgen. Verschiedene Bilder von sexueller Belästigung durch Männer und Frauen sowie Mobbing/Cybermobbing (aus dem Internet – öffentliche Aufführungsrechte beachten! – oder selbst nachgestellt) sollen ohne Kommentar nach und nach in eine Stuhlkreismitte gelegt werden. Wer mit Beamer und Laptop arbeitet, kann die Bilder auch nach und nach einblenden. Die Trainees sollen, nachdem sie Gelegenheit hatten, die Bilder zu betrachten, frei erzählen, was ihnen zu den Bildern einfällt. Falls wenig Reaktion kommt, kann man die Trainees einzelne Bilder beschreiben lassen. Da das Thema nicht einfach ist, kann es sein, dass die Bilder Betroffenheit auslösen.
Wenn die Bilder besprochen sind, geht es in diesem Teil hauptsächlich darum, den Trainees einen kurzen Einblick in das Thema zu geben, denn alle Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendarbeit sollten dafür geschult sein. In Württemberg ist es der Präventionskurs „Menschenskinder“, wo das Thema sexualisierte Gewalt intensiv behandelt wird. Weitere Infos erhält man unter www.ejwue.de/service/praevention-sexuelle-gewalt (letzter Zugriff am 28.02.2019). In anderen Bundesländern gibt es vergleichbare Angebote, über die man sich informieren sollte.
Die sozialwissenschaftliche Definition von sexualisierter Gewalt lautet: „Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor Mädchen und Jungen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Der Täter oder die Täterin nutzt dabei seine/ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“ (www.beauftragter-missbrauch.de/praevention/was-ist-sexueller-missbrauch/definition-von-sexuellem-missbrauch (letzter Zugriff am 28.02.2019).)
Das deutsche Strafrecht geht davon aus, dass Kinder unter 14 Jahren grundsätzlich keiner sexuellen Handlung zustimmen können. Sexualisierte Gewalt als Form der Grenzverletzung ist in Deutschland leider nicht die Ausnahme. Genaue Zahlen sind recht schwer zu erheben, da viele Fälle nicht angezeigt oder entdeckt werden. Die polizeiliche Kriminalstatistik gibt Aufschluss über die Zahl der Anzeigen. Für das Jahr 2016 verzeichnet sie
Diese Zahlen sind seit 2010 nahezu gleichgeblieben. Die Betroffenen reagieren unterschiedlich und nicht immer ist von außen erkennbar, dass ein Fall von sexualisierter Gewalt vorliegt. Dadurch kann es beispielsweise zu Verhaltensänderungen kommen – u. a. zu Ängstlichkeit, Aggressivität, Leistungsabfall oder sexualisiertem Verhalten. Auch psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Schlafstörungen oder Hauterkrankungen können ebenfalls Anzeichen sein.
Allerdings ist keines dieser Symptome spezifisch für sexuellen Missbrauch! Das bedeutet, dass jede dieser Auffälligkeiten auch andere Ursachen haben kann. Veränderungen bedeuten oft, dass das Kind oder der Jugendliche Probleme hat oder belastende Dinge erlebt und die Unterstützung zugewandter Bezugspersonen benötigt. Als Gruppenleitung in der Jugendarbeit bedeutet dies, dass wir aufmerksam mit unseren Kindern und Jugendlichen umgehen. Wenn sich Teilnehmende vertrauensvoll an uns wenden, ist es wichtig, sich selbst Hilfe zu holen – entweder beim Leitungsgremium der örtlichen Jugendarbeit, einer/einem Hauptamtlichen in der Gemeinde oder beim Bezirks- oder Landesjugendwerk. Darüber hinaus gibt es einige Anlaufstellen, an die man verweisen kann:
Um die Einheit positiv abzuschließen, lohnt es sich, ein weiteres Youtube-Video einzublen-den: „All that we share“ (www.youtube.com/watch?v=i1AjvFjVXUg, letzter Zugriff am 28.02.2019), ein TV-Werbespot des Fernsehsenders TV2 Dänemark. Bei allen Verschiedenheiten und unterschiedlichen Lebenswegen und Entscheidungen, die wir treffen, ist es wichtig, sich nicht nur von Äußerlichkeiten leiten zu lassen. Was wir als Menschen manch-mal von anderen wahrnehmen, entspricht nicht der Wirklichkeit. Andere ver- und beurteilen ist oft leicht und passiert uns immer wieder. Bei Gott gelten andere Maßstäbe – er blickt hinter die Kulissen direkt in unser Herz. Dabei sollten wir folgenden Bibelvers im Auge behalten: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“ (1. Sam 16,7b Lu).
Wie geht eigentlich … Leben? Darauf versucht die KON-Redaktion auf Grundlage einiger der 10 Gebote mit dem neuen Material Antworten zu finden. Dazu gibt es Themenartikel mit Hintergrundwissen für MitarbeiterInnen sowie Bibelarbeiten und Stundenentwürfe für die Gruppenarbeit.
Neben den 10 Geboten allgemein werden unter anderem spielerisch oder biblisch wichtige Themen wie Neid und Mobbing behandelt. Aber auch das Geschenk des »Ruhetages« im 3. Gebot findet mit einem Vorschlag für eine Bibelarbeit besondere Beachtung.
Es hätte damals wirklich alles so einfach sein können – wenn Adam und Eva im Paradies einfach ihr Vertrauen voll auf Gott und sein Wort gesetzt hätten, statt dem Gerede der Schlange auf den Leim zu gehen. Dann wären sie taub gewesen für die Lügenmärchen, die ihnen die Schlange einflößte. Sie wären fein damit geblieben, dass Gott ihnen geboten hatte, weder vom Baum des Lebens noch vom Baum der Erkenntnis Früchte zu essen. Wir säßen alle noch im Paradies, statt uns jetzt mit Krieg, Klima und anderen Katastrophen auseinander zu setzen. Das ist ein zugleich sehr nachvollziehbarer und dennoch etwas weltfremder Gedanke, der sich das Wesen der Menschen schön redet und die Bibel eher wörtlich als ernst nimmt.
Machen wir uns nichts vor – wir Menschen sind einfach nicht dafür geschaffen, uns an alle Regeln und Gesetze zu halten. Moment. Heißt das etwa, der allmächtige Gott hat gerade bei dem Prunkstück seiner Schöpfung, beim krönenden Abschluss, gepatzt und einen Fehler gemacht? Immerhin ist er doch allmächtig … Warum hat Gott uns dann nicht so geschaffen, dass das Einhalten von Regeln und Gesetzen dann quasi zu unserer „Standardausstattung“ gehört, ähnlich einer werkseitig vorinstallierten App, die sich weder deinstallieren noch löschen lässt? Aus einem, zumindest aus meiner Glaubensüberzeugung heraus betrachtet, ganz einfachen Grund: Wenn ich keine Möglichkeit habe, mich gegen etwas zu entscheiden (z. B. „Nein, ich will aber nicht nur 50 km/h innerorts fahren, immerhin habe ich es eilig“), dann ist es auch nicht machbar, mich bewusst für eine Sache zu entscheiden – z. B. dafür, jemand anderes zu lieben. Und dann ist es egal, ob ich von meiner Liebe zu einem anderen Menschen spreche oder von meiner Liebe zu Gott.
Liebe ist immer freiwillig, ist das Resultat einer freien Entscheidung und kann nicht verordnet werden. Wenn ich Liebe erfahren möchte, muss ich das Recht zur falschen bzw. anderen Entscheidung gewähren und möglich machen. Soweit eine persönliche Einschätzung.
Kommen wir aber nun zu dem, was über die Grenzen des Juden- und des Christentums hinweg bekannt geworden ist und sogar in vielen weltlichen Bereichen Einzug in den Alltag gefunden hat: die 10 Gebote.
In der Geschichte des Volkes Israel werden die 10 Gebote von Gott an Mose diktiert, nachdem er die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Nach dem Bund, den Gott früher mal mit Abraham geschlossen hatte, sollten jetzt die 10 Gebote quasi die „Rahmenvereinbarung“ bzw. die Regeln für einen neuen Bund und einen gemeinsamen, weiteren Weg des Volkes Israel mit Gott bieten.
Heute sind die 10 Gebote scheinbar den wenigsten Menschen bekannt. Immer wieder liest man davon, dass die 10 Gebote den Menschen so vieles verbieten und Gott quasi eine übernatürliche Spaßbremse ist, die den Menschen alles vorschreibt. Tatsächlich geht es aber schon bei den ersten Worten der 10 Gebote um etwas ganz anderes: in der BasisBibel heißt es im 2. Mose 20: 1:
„Gott sprach alle diese Worte: »Ich bin der Herr, dein Gott!
Ich habe dich aus dem Land Ägypten herausgeführt – aus dem Leben in der Sklaverei.“
Das erste, worum es also geht, ist keine Vorschrift an uns Menschen, sondern die Erinnerung an das, was Gott für sein Volk getan hat – ohne dabei vorher Bedingungen zu stellen. Aber jetzt, auf dem Berg Sinai, macht Gott den Israeliten klar: Wenn ihr weiterhin unter meinem Schutz stehen wollt, wenn ich euer Gott sein soll, dann braucht es einen festen Rahmen. Und diese Gebote, die den Rahmen abstecken, lassen sich auf eine Grundfrage reduzieren, die Gott seit damals allen Menschen ganz persönlich stellt:
„Vertraust du mir, deinem Gott, dass ich mich um alles kümmern werde, damit es dir gut geht?“
Wenn ich diese Frage für mich mit „Ja“ beantworten kann, dann geht es für mich nicht länger um ein „Du sollst nicht …“ – sondern um die Erkenntnis „Ich brauche nicht …“ Ich brauche mich nicht selber zu kümmern, sondern darf darauf vertrauen, dass Gott sich kümmert. Dass er dafür Sorge tragen wird, dass ich alles bekomme, was ich zum Leben brauche … Und dann ist es nicht mehr nötig, voller Neid auf andere zu schauen. Schlecht über sie zu reden und ihnen Dinge abzuluchsen. Mit Beziehungen fahrlässig umgehen und den/die andere betrügen. Ich darf aufhören, mich mit allen und allem um mich herum zu vergleichen. Das ist keine Einengung – das ist Freiheit.
Zu einer ganz ähnlichen Einsicht sind auch viele andere Menschen gekommen, die ansonsten mit dem Glauben an einen (christlichen) Gott vielleicht so ihre Schwierigkeiten hatten. Denn das, was in den sieben Geboten vom vierten bis zum zehnten Gebot formuliert wurde, findet sich sowohl sinngemäß auch in den Regeln und Geboten anderer Religionen und Gemeinschaften wieder als auch auf der politischen Weltbühne.
Mit Luther, Augustinus, dem jüdischen Philosophen Philon von Alexandrien und später auch dem niederländischen Theologen Hugo Grotius, dem Lutheraner Pufendorf und dem englischen Philosophen Locke gelang der Wandel von den „Gott gegebenen Geboten“ hin zu der Ansicht, dass sich aus diesen Geboten und Regeln Rechte für die allgemeine Menschheit ableiten lassen, die über eine Konfessionsgebundenheit hinausgehen.
Aus der Arbeit dieser Menschen heraus und über viele Jahrhunderte hinweg wurden diese Rechte zu festgeschriebenen Menschenrechten, wie sie 1789 in der französischem Nationalversammlung beschlossen wurden. Heute sind die Menschenrechte das Werte-Fundament der westlichen Welt.
Und seien wir doch mal ehrlich: Sicherlich gibt es über die Zehn Gebote hinaus viele Gebote und Gesetze im Alten Testament, die uns heute nur schwer oder gar nicht mehr begreiflich sind. Das liegt ganz einfach daran, dass sie in eine ganz bestimmte Zeit hineingesprochen wurden. Um herauszufinden, was diese Gebote also heute noch in unserem Leben bedeuten können, müssen wir den Transfer der Lebenssituation des „Damals“ ins „Heute“ schaffen. Dann stellen wir fest, dass viele Gesetze unter Umständen gar nicht mehr die Relevanz oder Bedeutsamkeit haben, wie es vor 2000 Jahren vielleicht noch der Fall gewesen sein mag. Darum achtet heute auch niemand mehr darauf, aus wie vielen Stoffarten die Kleidung hergestellt wird oder ob wir Frauen nach jeder Periode auch brav Tauben als Opfer verbrennen. Darum werden auch keine frechen Söhne mehr an der Stadtmauer gesteinigt. Und darum sollte es heute auch egal sein, welchen Menschen ich liebe.
Aber die 10 Gebote haben nichts von ihrer Aktualität und Relevanz verloren. Selbst wenn ich Gott ablehne und darum die ersten drei Gebote ignorieren möchte: Niemand kann ernsthaft etwas dagegen haben, wenn wir die Unversehrtheit des Lebens, den Respekt für Ältere, den Schutz von Beziehungen, den Schutz des Eigentums und den Schutz vor Verleumdung bzw. Rufmord auch heute noch achten.
Ein Blick in die Nachrichten und auch in die Geschichte macht deutlich: Religionen sind immer wieder Auslöser von oder Begründungen für Gewalt. Als sehr bekannte historische Beispiele dienen da sicherlich die Kreuzzüge und der Holocaust, aber auch in der jüngeren Geschichte sind die Anschläge auf die Synagoge in Halle 2019, der 11. September oder die Entführungen durch die Boko Haram nur drei Beispiele, die das leider sehr eindrucksvoll belegen.
Es scheint, als ob ein friedliches Neben- oder sogar Miteinander kaum möglich ist. Und der Blick auf die Entwicklung antisemitischer und antiislamischer Gewalttaten in Deutschland zeigt, dass wir diesbezüglich nicht wirklich besser dastehen als die anderen Länder dieser Welt. Woran mag das liegen?
Ein Erklärungsversuch kann sein, dass wir mit dem Judentum, dem Islam und dem Christentum drei große monotheistische Weltreligionen haben, die alle für sich in Anspruch nehmen, an den „einen, wahren Gott“ zu glauben. Und wer davon total überzeugt ist, für den sind alle anderen Ungläubige und ähnliches.
Wer davon überzeugt ist, an den „einen, wahren Gott“ zu glauben, beansprucht für sich alleine, die Wahrheit zu kennen – und straft das Bekenntnis der anderen damit als Lügen. Das nimmt jede Gesprächsgrundlage und verhindert so den nötigen Perspektiv-Wechsel, um vom „gegeneinander“ in ein „nebeneinander“ oder sogar „miteinander“ zu kommen.
Aber so muss es nicht sein. Auch als bekennende, gläubige Christin kann ich in einen guten, konstruktiven Austausch und friedliches Miteinander mit Anhänger:innen des Islam oder Judentums (oder jeder anderen Religion) kommen, ohne mich und meinen Glauben dafür kleinmachen oder negieren zu müssen. Kooperative Glaubenshäuser wie das „House of One“ in Berlin bieten dafür Inspiration und schenken die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft der großen Religionen.
Dahinter verbirgt sich eine Initiative, die sich 2011 als Verein „Bet- und Lehrhaus Petriplatz e.V.“ gegründet hat. Sie besteht aus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, dem Abraham-Geiger-Kolleg Potsdam, dem Forum für Interkulturellen Dialog e.V., dem Ev. Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte, der Ev. Kirchengemeinde St.Petri-St. Marien sowie dem Land Berlin. Ziel des „House of One“ ist es, einen Ort zu schaffen, der sich in „gegenseitigem Verständnis für friedensfördernde, sozial gerechte und naturerhaltende Formen des Zusammenlebens“ einsetzt. Möglich wird dies durch ein Grundsatzdokument, das die wichtigsten Fragen des (religiösen) Zusammenlebens und-Arbeitens in Leitlinien zusammenfasst und das der Verein am 11.10.2011 verabschiedet hat.
Dieses Dokument erkennt an, dass die drei Religionen bei allen Unterschieden doch auch eine gemeinsame Geschichte haben (was beides zeitgleich u.a. in der Wahrnehmung/Würdigung/Interpretation solcher Personen wie Abraham, Noah oder Ismael deutlich wird) und verbunden werden durch den Glauben an einen „welttranszendenten Schöpfer“, der seine ganz individuelle Ausprägung in den einzelnen Religionen findet. Das Dokument bestätigt, dass sich in allen drei Religionen gemeinsame Grundwerte finden, die in einem Miteinander aktuell mit Leben gefüllt und umgesetzt werden wollen.
Gemeinsam haben sich die Initiatoren darum darauf geeinigt, dass sie im „House of One“ eine „Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben“ vertreten, um einen Gegenentwurf zu der erlebten Gewalt in der Gesellschaft zu prägen, der die Würde und Identität aller Menschen wahrt und akzeptiert. Sie verpflichten sich zu einer „Kultur der Solidarität“, die Ausdruck finden soll in der Achtung der Verschiedenheit der Partner, gegenseitigem Respekt und gelebter Rücksichtnahme. Die vereinbarte „Kultur des Respekts und ein Leben in Wahrhaftigkeit“ ermöglicht eine öffentliche, selbstbewusste und transparente Repräsentation des eigenen Glaubens, um von dieser Basis aus mit Vertreter:innen der anderen Glaubensrichtungen sowie anderen Interessierten das Gespräch zu suchen. Die Einigung zur einer „Kultur der Gleichberechtigung“ stellt heraus, dass die Partner gleichberechtigt zueinander agieren, ohne ihr Engagement im „House of One“ mit der Zielsetzung missionarischen Handelns zu verknüpfen.
In meinen Augen zeigt sich in dieser Initiative der Kern, wie ein Miteinander gelingen kann: indem wir gemeinsam auf das uns Einende schauen, ohne das Trennende zu überspielen. Uneinigkeiten werden respektvoll ausgehalten, der Kontakt reißt deshalb nicht ab. Ich darf im Gespräch selbstbewusst zu dem stehen, was meinen Glauben ausmacht und muss den Glauben meines Gegenübers nicht beschneiden – im Vertrauen darauf, dass mein Gesprächspartner mir und meinem Glauben auch respektvoll begegnet.
Von der Gründung des Vereins bis zur Grundsteinlegung sind 10 Jahre vergangen: Mit einer cornonabedingten Live-Übertragung der Zeremonie am 27.05.2021 war es endlich soweit. Auch wenn das „House of One“ noch nicht eröffnet ist, hat es doch schon viele Spuren hinterlassen – nicht nur in Berlin, sondern auch in der Kooperation mit anderen Mehrreligionenhäusern in Deutschland oder internationalen Partnerprojekten.
2027, so hoffen die Träger, kann das „House of One“ seine Tore öffnen. Bis dahin bietet ein Informationscontainer mit Aussichtsterrasse die Möglichkeit, sich über den Baufortschritt zu informieren. Darüberhinaus bietet er Platz für einen Teil der Bildungsangebote, die das „House of One“ schon jetzt für Schüler-, Konfi- und interessierte Erwachsenengruppen anbietet, um über die Arbeit und die Ziele des „House of One“ mit Menschen ins Gespräch zu kommen: dem Antisemitismus und der Isalmfeindlichkeit in diesem Land entgegenzutreten und statt dessen die friedliche Verständigung zwischen den Religionen zu fördern.
Du sollst nicht töten. Nur 4 kurze Worte umfassen dieses 5. Gebot. Ein kurzer, scheinbar klarer und eindeutiger Satz.
Man könnte dazu allerdings viele Fragen stellen und Aspekte diskutieren. Was genau bedeutet „Du sollst nicht töten“? Dass ich keine anderen Menschen umbringen soll? Aber was ist mit Selbstmord oder dem Wunsch todkranker und seit langer Zeit leidender Menschen? Was ist mit Abtreibung? Ist das auch Mord? Gibt es vielleicht Gründe und Situationen, in denen diese Gebot gar nicht so klar ist?
Und wie sieht es mit Tieren aus? Sind die nicht auch gemeint und geschützt mit diesem Gebot? Wäre es daher nicht total sinnvoll, wenn ich mich öfter vegetarisch oder vegan ernähren würde? Oder im ganz Kleinen: Was ist mit den nervigen Mücken, die ich in lauen Sommernächten erschlage?
Um all diese wichtigen und angebrachten Fragen soll es hier nicht gehen. Dieser Artikel legt den Schwerpunkt auf einen anderen Aspekt des Gebots: Du sollst nicht töten – auch nicht mit Worten!
Auch Worte können töten. Sie können verletzten. Sie können weh tun. Oft vielleicht nur relativ kurz. Wie blaue Flecken auf meiner Haut heilen auch viele Verletzungen, die mir verbal zugefügt wurden, nach ein paar Tagen oder Wochen wieder. Gut, wenn es so läuft!
Aber leider geht es auch anders. Worte können extrem tief und nachhaltig verletzen. Worte können ernsthaft töten.
Wenn mir lange genug immer wieder erzählt wird, wie schlecht ich bin, glaube ich das irgendwann selbst. Und vielleicht verliere ich dann auch meinen Lebensmut …
Vielleicht klingt diese dunkle Vision für dich weit hergeholt und es ist sehr schön, wenn du selbst solche Erfahrungen noch nicht gemacht hast. Aktuelle Studien sprechen allerdings eine andere Sprache, zumindest in Bezug auf Kinder und Jugendliche.
Der Verein „Zeichen gegen Mobbing e.V.“, der vor allem an Schulen in ganz Deutschland Workshops zum Thema organisiert, bezieht sich auf seiner Homepage www.zeichen-gegen-mobbing.de z.B. auf die PISA-Studie der OECD aus dem Jahre 2017. Diese besagt, dass in Deutschland jede:r sechste. Schüler:in gemobbt wird. Betrachtet man nur die Kinder in der 5. Klasse, so ist sogar jede:r Zweite von Gewalt in der Schule betroffen.
Mobbing unter Kindern und Jugendlichen findet zu 80% der Fälle innerhalb der Schulen statt, so die Studie weiter. Zumindest das klingt für unsere christliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen auf den ersten Blick positiv. Aber dass Mobbing am häufigsten in der Schule passiert, bedeutet für uns nicht,
Mobbing kann natürlich auch in der Kirche, im CVJM, im EC etc. passieren, wenn wir nicht aufmerksam und sensibel sind und bleiben oder werden! Die Kinder und Jugendlichen, die zu unseren Angeboten kommen, haben möglicherweise ihre Erfahrungen mit Mobbing gemacht. Es gibt unter ihnen sicher Kinder oder Jugendliche, die selbst betroffen sind und bestimmt noch mehr, deren Freund:innen betroffen sind.
Wir sollten uns also diesem unangenehmen, aber wichtigen Thema stellen und es nicht zu einem Tabu in unseren Gemeinden und Vereinen machen.
Die OECD-Studie zeigt auch auf, dass 80% der Schüler:innen gern lernen möchten, wie man Mobbing stoppen, Konflikte besser lösen und positiver miteinander umgehen kann. An dieses Interesse der Kinder und Jugendlichen knüpft der Verein „Zeichen gegen Mobbing e.V.“ mit seinen Workshops an und wir könnten in unseren Gruppen und Kreisen auch dort ansetzen.
Schauen wir hin. Reden wir darüber. Schweigen wir nicht tot, dass es Mobbing gibt im Leben der Kinder und Jugendlichen, die zu uns kommen – und vielleicht ja auch früher oder sogar heute noch in unserem eigenen Leben.
Das Wort „Mobbing“ kommt aus der englischen Sprache und heißt soviel wie „bedrängen“ oder „angreifen“. Ursprünglich stammt dieser Begriff aus der Tierverhaltensforschung. Eine einheitliche Definition, was „Mobbing“ als gesellschaftliches Phänomen genau ist, gibt es bisher leider noch nicht. Der Verein „Zeichen gegen Mobbing e.V.“ nennt allerdings vier Merkmale, an denen wir Mobbing erkennen können:
Nur Hilfe von Außen kann das Mobbing beenden. Umso wichtiger, dass wir darüber sprechen und sensibel bleiben oder werden!
Zum Mobbing „von Angesicht zu Angesicht“ (so nenne ich es hier einfach mal), kommt in unserer Zeit immer mehr das Cybermobbing hinzu. Online im Internet können Menschen rund um die Uhr gemobbt werden. Das Handy ist ja meist dabei, die Schule irgendwann zu Ende und alle gehen nach Hause.
Cybermobbing kann schnell weite Kreise ziehen. Häufig beteiligen sich viele Personen an Cybermobbing, während bei Mobbing z.B. in der Schule oft nur Einzeltäter:innen oder sehr kleine Gruppen agieren. Dazu kommt, dass die Hemmschwelle im Internet sinkt; Mobbing-Kommentare werden so nicht selten noch heftiger. Außerdem ist es im Internet natürlich auch deutlich leichter als Mobber:in Anonymität zu wahren.
Und das Internet vergisst nicht – was einmal im Netz geteilt und gepostet wurde, ist nur extrem schwer oder überhaupt nicht mehr rückgängig zu machen.
Dieser Artikel möchte Tipps geben, was wir in unseren Gruppen und Kreisen zur Prävention tun können – um aufzuklären und evtuel sogar, wenn Mobbing schon passiert (bei uns oder z.B. in der Schule, die die Kinder und Jugendlichen besuchen).
Um vorzubeugen können wir viel unternehmen. Wir können Seminare für unsere Teamer:innen anbieten und dazu geschultes externes Fachpersonal einladen, dass aufklären und uns Tipps geben kann.
Macht euch doch mal auf die Suche und recherchiert, welche Vereine, Fachstellen und Angebote es in eurem Ort oder eurem Kirchenkreis so gibt und ladet zu einem Gruppenabend gegen Mobbing ein. So könnt ihr euch alle auf einen ähnlichen Stand zu dem Thema bringen
Was tun, wenn zu eurer Gruppe Kinder oder Jugendlichen kommen, die von Mobbing betroffen sind?
Das Wichtigste zu Beginn: Zuhören und ernst nehmen!
Wenn sich ein Mensch mit solchen sensiblen Themen öffnet, ist das eine extrem große Überwindung und mit viel Angst und Zweifel verbunden. Umso wichtiger ist, dass wir zuhören und ernst nehmen. Die Kinder oder Jugendlichen, die sich anvertrauen, sollen spüren, dass sie nicht allein sind und dass sie unterstützt werden. Und die erste Unterstützung, die sehr gut tun kann, ist das Zuhören. Also: nicht sie Situation oder die Gefühle herunterspielen. Lieber: zuhören, Verständnis zeigen, trösten. Das kann jede:r!
Passiert das Mobbing in der Schule, kann es z.B. sehr wichtig sein, dass Eltern und Lehrer:innen der betroffenen Person Bescheid wissen, damit sie einschreiten können. Denn Mobbing kann auch versteckt passieren und kann schwierig zu erkennen sein.
Besonders wenn andere Erwachsene von der Mobbing-Situation wissen, kann das dazu beitragen, dass das betroffene Kind bzw. der/die betroffene Jugendliche Verantwortung abgeben kann.
Auch wenn z.B. Mitschüler:innen das Mobbing mitbekommen, trauen sie sich häufig nicht, einzugreifen, aus Angst, selbst gemobbt zu werden. Oder sie wissen schlicht nicht, wie und was gut wäre zu tun. Aus diesem Grund ist es wichtig, Betroffenen deutlich zu machen, dass sie nichts Falsches getan haben und das Mobbing nicht etwa verdienen.
Sind Kinder oder Jugendliche, die von Mobbing betroffen sind, in eurer Gruppe dabei, fallen euch vielleicht ja Möglichkeiten ein, deren Selbstbewusstsein zu stärken. Erfolgserlebnisse bei Spielen können z.B. ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein.
Jeder Mensch ist einzigartig und wertvoll! Menschen, die Mobbing ausgesetzt sind, vergessen das oft zeitweise.
Bei Mobbing innerhalb der Schule werden für die Betroffenen z.B. die Pausen zum großen Problem. Wie sollen sie die Pausen verbringen? Wo? Mit wem? Die Pausen bieten ja viel Zeit für (unbeobachtete) Mobbing-Angriffe.
Ihr könnt in der Gruppe gemeinsam überlegen, was man in solchen Situationen tun könnte. Diese Gedanken könnt ihr euch auch im Vorfeld machen. Überlegt, was in welcher Situation möglich wäre und notiert am besten all eure Ideen. So seid ihr im Thema und ein wenig vorbereitet, falls das Mobbing eure Gruppe wirklich mal akut betrifft.
Der Verein „Zeichen gegen Mobbing e.V.“ nennt auch 7 Tipps für Menschen, die Mobbing ausgesetzt sind:
Nach all diesen Infos und Ideen nochmal zusammengefasst:
Was können wir in und mit unseren Kinder- und Jugendgruppen tun?
Die Trainees setzen sich damit auseinander, welche Spannungen in Gruppen auftreten können und wie sie als Mitarbeitende damit umgehen können. Sie lernen, wie klare Regeln und Grenzen im Gruppenalltag aussehen können und warum diese wichtig sind. Sie entdecken, wie wichtig eine klare und wohlwollende Haltung den Teilnehmenden gegenüber ist, und bekommen Handwerkszeug, damit sie auch in schwierigen Situationen im Miteinander weiterhin gern Gruppen leiten und mit Liebe und Wertschätzung den Teilnehmenden begegnen können.
Nr. | Inhalt | Dauer | Material |
1 | Einführung | 5 min | |
2 | Regeln – Grundlage für eine sinnvolle Gruppenarbeit | 25 min | Stifte, Plakate DIN A3, Spielbeschreibung (s. Downloads) |
3 | Haltung – Wie sehe ich die Teilnehmenden in meiner Gruppenstunde? | 5 min | |
4 | Wie konfrontiere ich richtig? | 20 min | |
5 | Rollenspiele | 45 min | Rollenspiel (s. Downloads), Stifte, Papier |
6 | Der innere Schiedsrichter – Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen | 20 min | Kreppklebeband oder Kreide |
7 | Zusammenfassung | 10 min | |
8 | Impuls | 5 min |
Wer eine Gruppe leitet, wird früher oder später mit spannungsvollen Situationen konfrontiert werden. Ein paar Situationen werden kurz dargestellt und können durch eigene Beispiele ergänzt und ausgeführt werden.
Solche Spannungen gab es schon immer. Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, kann es „spannend“ werden. In dieser Einheit soll es deshalb darum gehen, wie man auch in schwierigen Situationen im Gruppenalltag den Teilnehmenden mit einer klaren und wohlwollenden Haltung begegnen kann. Es werden Handwerkszeuge vorgestellt, mit denen man reagieren kann. Hierzu wird der Ansatz der ressourcenorientierten konfrontativen Pädagogik (ROKT®) vorgestellt (Quelle: Akademie Eigen-Sinn; Fortbildungsmaterial), den man gut in der Gruppenarbeit einsetzen kann.
Es ist sehr hilfreich, den Teilnehmenden, die in unsere Gruppen kommen, von Anfang an eine Orientierungshilfe zu geben, welches Verhalten hier von ihnen erwartet wird. Dies kann geschehen, indem man Gruppenregeln aufstellt, die den Umgang miteinanderbetreffen. Folgendes sollte dabei beachtet werden:
Zur Verdeutlichung kann man das RAD verwenden, da dies alle wichtigen Dinge beinhaltet und gut im Kopf bleibt:
Respekt
Respekt bedeutet, dass wir jede und jeden so achten, wie sie/er ist. Mit ihren/seinen Stärken, Schwächen, Eigenarten und Macken. Gleichzeitig gehen wir respektvoll mit unserer Umwelt, Materialien und Gegenständen um.
Aufmerksamkeit
Wir schenken einander Aufmerksamkeit. Hinhören, was die/der andere bei Geschichten, Erzählungen, persönlichen Dingen oder Spielerklärungen sagt.
Disziplin
Disziplin bedeutet das Üben und Trainieren von Respekt und Aufmerksamkeit. Als leitende Person muss man diese Disziplin einfordern, damit eine Gruppe harmoniert. Dies bedeutet auch, die Teilnehmenden daran zu erinnern oder ihre Aufmerksamkeit einzufordern.
Je nach Teilnehmerkonstellation und Gruppenzielen ist es natürlich unterschiedlich, wie die Einforderung, sich an die Regeln zu halten, aussieht und durchgesetzt wird. Wichtig ist es, konsequent zu sein und den Teilnehmenden trotzdem mit Liebe und Wertschätzung zu begegnen.
Mit dem Spiel „Feuer, Wasser, Sturm“ können mit Kindern die Regeln gut eingeübt werden (s. Downloads). Dieses Spiel kann gut als Übung mit den Trainees durchgeführt werden. Letztendlich können alle Aktions- und Bewegungsspiele (je nach Altersgruppe) zur Einübung der Regeln genutzt werden. Entscheidend ist, mit welcher Haltung die Spielleitung diese Spiele einsetzt und das Spielverhalten mit den Teilnehmenden reflektiert.
Im Anschluss sollte eine Gesprächsrunde folgen, ob diese Methode in der Arbeit mit Jugendlichen auch sinnvoll ist und welche Methoden für diese Altersgruppe infrage kommen könnten.
Trotz guter Regeleinführung wird es immer wieder zu spannungsvollen Situationen in einer Gruppenstunde kommen. Hierbei ist es wichtig, mit welcher Haltung man den Teilnehmenden gegenübertritt. Man braucht eine klare Linie mit Herz. Folgende Grundsätze können im Umgang mit spannungsvollen Situationen helfen:
Das Wort „Konfrontation“ stammt von „confrontare“ (lat.) ab und bedeutet so viel wie „jemandem die Stirn bieten“. Es ist nicht damit gemeint: „Ich zeige dir, wer hier der Chef ist!“ oder ein Agieren mit Macht. Es geht vielmehr darum, ein echtes authentisches Gegenüber zu sein, das Halt und Orientierung gibt und an dem man sich reiben, aber auch ausruhen kann. Dies bedeutet für die Gruppenstunde: Ich bin aktiv, ich sehe die Teilnehmenden, bin sofort zur Stelle und zeige klare Grenzen auf. Ich bin aber ebenso ressourcenorientiert und lobe, unterstütze und stärke. Denn wenn die Teilnehmenden – oder auch wir selbst – mit unseren guten Eigenschaften und Taten gesehen werden, haben wir weniger Grund zu stören und in den Widerstand zu gehen. Ein Mittel der konfrontativen Pädagogik sind hierbei die „4 Stufen der nicht eskalierenden Beharrlichkeit“ (Vgl. Giesekus, Ulrich / Schmid, Sandra / Fix, Alexander: Bevor es kracht. Kids gegen Gewalt stark machen, SCM R. Brockhaus, Witten 2 2010 (antiquarisch erhältlich), S. 8690; Rhode, Rudi / Meis, Mona Sabine / Bongartz, Ralf: Angriff ist die schlechteste Verteidigung. Der Weg zur kooperativen Konfliktbewältigung, Junfermann, Paderborn 3 2003 (antiquarisch erhältlich).).
Die Stichworte zu den Stufen können zur Verdeutlichung zum passenden Punkt auf einem Plakat notiert werden. Sie lauten: Sachverhalt abwertungsfrei benennen, Ärger-Mitteilung, Bedürfnisäußerung, Wunschäußerung.
Ein Beispiel: Du willst ein Spiel erklären, alle Kinder sollen sich dazu hinsetzen. Alex (Name frei erfunden) setzt sich nicht, rennt herum und stört die Gruppenstunde.
Alex hat bis zum Schluss die Chance, ihr/sein Gesicht zu wahren, egal, wie lange es gedauert hat, bis sie/er sich hinsetzt. Wir sind nicht nachtragend, es bleibt nichts zurück und wir verpassen ihr/ihm deswegen keine Konsequenz oder lassen sie/ihn immer wieder spüren, dass sie/er uns nervt.
In diesen Situationen ist die Gruppe meist gebannt dabei, um zu überprüfen und zu schauen, wie das Ganze ausgeht, sodass es oftmals möglich ist, die Beharrlichkeit vor der Gruppe durchzusetzen. Dies ist auch ein Beispiel für die anderen. Ist dies nicht möglich, weil die Gruppe insgesamt zu unruhig ist, übernimmt eine andere Person aus dem Mitarbeiterteam die Leitung der Gruppenstunde, bis die Sache geklärt ist.
Wenn du innerlich Zweifel hast, ob sie/er sich hinsetzt, wird Alex das spüren und sie/er wird weitermachen. Sei souverän und sicher in der 4. Stufe, dann wird Alex das merken und früher oder später nachgeben.
Wenn Alex sich auch nach der 4. Stufe nicht (gleich) hinsetzt und es dir zu lange geht, gibt es zwei Reaktionen, die du unbedingt vermeiden solltest:
Implosion: Keine Reaktion von dir als Mitarbeitenden. Du denkst und sagst: „Mach doch, was du willst!“ (Fluchtverhalten)
Explosion: Du spielst deine Macht aus. Du drohst: „Du setzt dich sofort hin, sonst ..“ (angreifende Verteidigung)
In beiden Fällen wird eine/einer von euch die Lust an der Gruppenstunde verlieren, die Beziehung geht kaputt und die nächsten Spannungen werden nur noch heftiger.
Bist du im Zeitdruck und kannst die 4. Stufe nicht die ganze Zeit wiederholen, dann hast du zum Schluss die Möglichkeit, ihn vor eine Entscheidung zu stellen:
„Wenn du dich jetzt nicht auf deinen Stuhl setzt und aufmerksam bist, kannst du am Spiel nicht teilnehmen. Ich freue mich, wenn du mit dazukommst, aber du musst entscheiden. So kannst du nicht mitmachen.“
Alex kann jetzt eine Entscheidung treffen. Traue der Teilnehmerin / dem Teilnehmer die Entscheidung zu. Wenn sie/er nachher nicht mitmachen kann, hat sie/er sich so entschieden und nicht die/der „blöde Mitarbeiterin/Mitarbeiter“ hat es verboten.
Natürlich kann und sollten solche Konfrontationen die Ausnahme im Gruppenalltag bleiben. Wenn es regelmäßig zu solch langwierigen und öffentlichen Konflikten mit den gleichen Teilnehmenden kommt, dann muss eine andere Lösung gefunden werden, damit nicht die ganze Gruppe darunter leiden muss. In solch einem Fall kann es hilfreich sein, mit den Eltern von Teilnehmenden zu sprechen oder sich von außen Rat zu holen. Wichtig beim Gespräch mit den Eltern ist, die Dinge sachlich anzusprechen. Dies kann gern im Beisein des Kindes geschehen. Besprecht, worauf ihr in der Gruppe wert legt und warum dies so wichtig ist. Versucht, die Eltern als Verbündete zu bekommen, um mit ihnen an einem Strang zu ziehen.
Die Methode der „nicht-eskalierenden Beharrlichkeit“ darf jetzt in Rollenspielen ausprobiert werden. Auch wenn Rollenspiele zu Anfang oftmals künstlich wirken, sind sie doch ein gutes Mittel, um Sicherheit zu bekommen und seinen Stil zu finden. Wenn man sich darauf einlässt, fällt die Hemmung weg und es macht Spaß.
Die Trainees werden in Gruppen eingeteilt. Sie haben kurz Zeit, die Beschreibung (s. Downloads) durchzulesen und ein paar Ideen für die Szene zu sammeln. Eine Person spielt den Mitarbeitenden, die anderen die Teilnehmenden. Im Anschluss werden die Szenen nacheinander vorgespielt und in der großen Gruppe ausgewertet. Folgende Fragestellungen sollten in der Auswertung bedacht werden: Wie war die Situation? Wie hätte der Mitarbeitende noch reagieren können? Was wäre dann vielleicht anders gewesen?
Damit Teilnehmende sinnvolle Entscheidungen (immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten) treffen können, brauchen sie einen Spielraum dazu. Das heißt, sie müssen ausprobieren können, wie man richtig streitet und was Fairness ist. Dazu eignet sich das Prinzip des „inneren Schiedsrichters“. Dieser innere Schiedsrichter schaut nur nach sich selbst und überprüft, ob es fair und ehrlich war, wie man sich gerade verhalten hat. Falls nicht, dann pfeift der innere Schiedsrichter, also er meldet sich, und man merkt, dass man sich gerade blöd verhalten hat.
Die Teilnehmenden sollten diese Möglichkeiten haben, Fairness zu lernen und zu erleben, sei es bei Spielen oder in schwierigen Situationen. In diesen Situationen kann man sie fragen, ob sich denn ihr innerer Schiedsrichter bei ihnen meldet. So wird sich die Gruppe im Laufe der Zeit immer mehr selbst regeln.
Eine gute Möglichkeit, den inneren Schiedsrichter einzuführen, ist das Spiel „Pommes rot-weiß“, bei dem die Teilnehmenden nach und nach ausscheiden, wenn sie Fehler machen. (Um dies nachzuempfinden, wird es im Anschluss mit den Trainees ausprobiert.) Dabei
erklärt man den Teilnehmenden, dass die Spielleitung zwar die Fehler sieht, aber nichts dazu sagen wird. Das Gleiche gilt für die Teilnehmenden untereinander. Das heißt, jede/ jeder schaut nur auf sich und entscheidet selbst, ob sie/er im Spiel bleibt oder nicht. So gibt man die Verantwortung an jede/jeden Einzelnen ab.
Wichtig: Die Teilnehmenden, die ausscheiden, bekommen einen Applaus. Es wird kurz geklärt, dass sie diesen Applaus für ihre Ehrlichkeit und Fairness bekommen. Sie bekommen Applaus, weil sie auf den inneren Schiedsrichter gehört haben. Fehler machen ist nicht schlimm, man soll nur zu ihnen stehen.
Mit Kinder- und Jugendgruppen kann dies immer wieder geübt und trainiert werden. In spannungsvollen Situationen kann man die Szenen aus diesem Spiel wieder herholen, um die Teilnehmenden an den inneren Schiedsrichter zu erinnern. Gleichzeitig hat man so die Möglichkeit, Teilnehmende, die sich einmischen wollen (was es oftmals noch schwieriger und komplizierter macht), daran zu erinnern, dass sie bei sich bleiben sollen und ihre Aufgabe (z. B. ruhig zu sitzen) gut machen sollen.
Neben diesem inneren Schiedsrichter braucht es aber trotzdem auch Mitarbeitende als äußeren Schiedsrichter. Sie geben den Rahmen vor, um die Gruppenstunde sinnvoll zu gestalten und um Konsequenzen einzufordern.
Auf dem Boden wird mit Kreppklebeband oder Kreide im Freien eine so lange Linie markiert, dass alle Teilnehmenden sich an die Linie stellen können. Die Spielleitung ruft abwechselnd und mit gewisser Geschwindigkeit (zu Beginn langsam, dann immer schneller) die vier Begriffe Pommes – Ketchup – Mayo – rot-weiß. Der dazu gehörige Befehl muss ausgeführt werden. Wer einen Fehler macht, scheidet ohne Diskussion aus. Gewonnen hat, wer bis zum Schluss alle Befehle richtig ausübt.
Ketchup: Alle stehen mit den Füßen rechts von der Linie.
Mayo: Alle stehen mit den Füßen auf der linken Seite.
rot-weiß: Alle stehen mittig mit je einem Bein links und rechts von der Linie.
Pommes: Alle klatschen einmal in die Hände, egal wo sie stehen.
Zusammengefasst geht es um drei Ebenen (vgl. Akademie Eigen-Sinn, Fortbildungsmaterial), wie man spannungsvollen Situationen
begegnet. Hier wird das Thema der Einheit in Fragen formuliert. In spannungsvollen Situationen sollten für einen guten Lösungsansatz alle Ebenen bedacht werden.
Mit welcher Haltung trete ich den Teilnehmenden gegenüber? Was sind meine Erfahrungen, Erlebnisse mit Gruppenarbeit und den Mitarbeitenden von damals und heute? Ich bin Vorbild (immer und überall). Was sind für mich Störungen, was ist okay, was nicht?
Diese Ebene ist die wichtigste, denn wir als Mitarbeitende sind das wichtigste Instrument, um den Teilnehmenden in der Gruppenstunde etwas weiterzugeben. Wenn ich an meine Zeit als Jungscharler denke, sind mir vor allem die Menschen mit Ecken und Kanten in Erinnerung. Die Personen, die für etwas einstehen, authentisch sind, zu ihrer Meinung stehen und auch Grenzen eingefordert haben. Erst dann kommt das Programm, das wir gemacht haben. Wie ist das bei dir?
Wo kann ich mir Rückendeckung und Hilfe holen? Wer unterstützt mich, wenn mich eine Situation überfordert? Mit wem kann ich im Nachhinein diese Situationen besprechen?
Du musst nicht alles allein können. Such dir ein Team, bilde dich fort, verwende gute Arbeitsliteratur.
Was trägt dazu bei, um eine gute Gruppenstunde ohne Störungen und spanungsvolle Situationen zu gestalten?
Rahmenbedingungen überdenken: Raumgröße, teilnehmergerechter Raum (Ausstattung), Teilnehmerzahl bzw. Anzahl der Mitarbeitenden, Altersspanne der Teilnehmenden, Zeitpunkt der Gruppenstunde, Einigkeit unter den Mitarbeitenden (gemeinsame Haltung, gute Absprachen, gemeinsame Unterstützung, rechtzeitige und gründliche Vorbereitung).
Klare (gemeinsam erarbeitete) Vorgaben verhindern spannungsvolle Situationen nicht. Aber als Mitarbeiterin/Mitarbeiter lernt man, entspannter damit umzugehen und dadurch noch lange Freude im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu haben.
Warum Konfrontation? Jesus war sein ganzes Leben lang konfrontativ. Er ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, er ging in Beziehung mit den Menschen, war echt und authentisch und vertrat eine klare Linie mit Herz. Er ist mit Überzeugung für seine Botschaft eingetreten. Er hat sich nicht darum gekümmert, was andere denken oder sagen, da er wusste: Es ist richtig und wichtig, Gottes Gebote und Gottes Liebe weiterzutragen.
Warum Regeln, warum Gesetze? Ich erlebe oft Regeln und Gesetze als etwas Einengendes, sie verbieten mir etwas, sind lästig … Gott aber weiß, dass wir Leitlinien brauchen. Wir brauchen Orientierung und Halt. Wenn wir dies begreifen, dann erleben wir Regeln als Hilfe und das Leben in sinnvoller Gemeinschaft ist möglich.
Wo zwei oder mehr Menschen mit ihren unterschiedlichen Meinungen, Interessen und Ideen zusammenkommen, gibt es immer wieder Konflikte – auch in der Kinder- und Jugendarbeit. Oft werden Konflikte mit negativen Gefühlen wie Wut und Ärger verbunden. Deshalb scheuen sich viele Menschen davor. Dabei sind Konflikte nicht grundsätzlich schlecht. Sie bieten uns Chancen für persönliches Wachstum, kreative Lösungen und Veränderungen der Situation. Zum Thema Konflikte gibt es unzählige Modelle und Trainings. In der kurzen Zeit einer Trainee-Einheit lassen sich solch umfangreiche Modelle mit den Jugendlichen jedoch nicht erarbeiten oder gar einüben. Der vorliegende Entwurf konzentriert sich deshalb auf jeweils ein Modell, um Konflikte zu verstehen und Konfliktlösungen zu bewerten, sowie konkrete Tipps für ein Konfliktgespräch.
Nr. | Inhalt | Dauer | Material |
1 | Spiel zum Einstieg (z. B. Zeitungsschlagen) | 10 – 15 min | je nach Spiel, z.B. Zeitungsrolle, Klebestreifen |
2 | Einführung ins Thema, Überblick über die Einheit und Zielsetzung | 2 min | |
3 | Klärung: Was ist ein Konflikt? | 5 min | Arbeitsblatt (s. Downloads) |
4 | Konfliktsituationen aus dem Leben der Trainees | 25 min | Arbeitsblatt (s. Downloads), Stifte |
5 | Das Eisbergmodell | 10 min | ausgeschnittener Eisberg, Kärtchen mit Begriffen (s. Downloads) |
6 | Fünf Konfliktstile | 20 min | Kärtchen mit den fünf Konfliktstilen (s. Downloads), Plakat, Edding |
7 | Sieben Tipps, um Konflikte zu lösen | 10 min | |
8 | Konfliktlösung einüben | 20 – 30 min | Konflikte aus 4. |
9 | Impuls | 5 min |
Als Einstieg kann ein kurzes Spiel dienen, das ein gewisses „Konfliktpotenzial“ hat, z. B. Zeitungsschlagen. Für dieses Spiel wird eine Zeitung zusammengerollt und mit Klebestreifen fixiert. Die Trainees sitzen im Kreis, eine Person steht in der Mitte. Nun beginnt eine Person und sagt den Namen einer anwesenden Person. Die Person in der Mitte muss versuchen, die genannte Person mit der Zeitungsrolle auf die Schenkel zu treffen. Wenn die genannte Person einen anderen Namen aus der Runde sagen kann, bevor sie getroffen wird, darf sie nicht mehr abgeschlagen werden. Wer zu langsam ist oder einen falschen Namen sagt, wird abgeschlagen und muss in die Mitte.
Als Einleitung in das Thema Konflikte kann eine Situation aus dem vorangegangenen Spiel aufgenommen werden (z. B. Uneinigkeit darüber, ob jemand den Namen schnell genug gesagt hat oder nicht; jemand hat sich geärgert, dass die Person in der Mitte zu stark zugeschlagen hat …). Ist es im Spiel zu keiner Konfliktsituation gekommen, kann gemeinsam überlegt werden, welche Konflikte auftreten könnten. Es wird darüber gesprochen, dass Konflikte in allen Bereichen auftreten, in denen Menschen zusammenkommen. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen.
Zielsetzung der Einheit
Das Wort „Konflikt“ leitet sich vom Lateinischen „conflictus“ ab und heißt übersetzt „Zusammenstoß“. Bei einem Konflikt stoßen also verschiedene Meinungen, Interessen, Sichtweisen usw. aufeinander.
Für diese Einheit werden nur Konflikte betrachtet, die zwischen mindestens zwei Personen oder Gruppen bestehen. Aus dieser Konstellation ergeben sich hauptsächlich drei Konfliktarten (s. Downloads).
Gemeinsam mit den Trainees kann zu jeder Konfliktart ein Beispiel überlegt werden.
Die Trainees tauschen sich in Kleingruppen (ca. drei bis vier Personen pro Gruppe) über Konflikte aus, die sie im Alltag erleben oder erlebt haben. Einer der genannten Konflikte wird dann genauer anhand folgender Fragen analysiert (s. Downloads):
Auf eine ausführliche Vorstellung aller Konfliktsituationen im Plenum sollte aus Zeitgründen verzichtet werden. Die Ergebnisse aus den Kleingruppen werden unter „8. Konfliktlösung einüben“ in einem Anspiel der ganzen Gruppe vorgespielt.
Bei einem aktuellen Konflikt können wir meist nur die Auswirkungen sehen, nicht aber die Gründe für den Konflikt. Das Eisbergmodell führt vor Augen, dass es nicht ausreicht, nur die oberflächlichen Symptome eines Konflikts zu bearbeiten. Eine wirkliche Lösung gelingt oft nur dann, wenn wir den Ursachen auf den Grund gehen.
Bei einem Eisberg sind nur ca. 10 bis 15% des Eises über Wasser, der größte Teil ist verborgen. Ähnlich ist es bei Konflikten auch. Nur ein kleiner Teil ist sichtbar und im Bewusstsein der beteiligten Personen, z. B. Worte, Fakten, Taten, Drohungen oder Schweigen. Ein großer Teil ist unsichtbar und spielt sich teilweise auch im Unterbewusstsein der beteiligten Personen ab, z. B. Gefühle (Angst, Neid, Kränkungen), Vorgeschichte, Interessen, Unsicherheit, Beziehung, Werte, Macht, Sympathie, Gewohnheiten und Wünsche.
Ganz besonders bei Konflikten zwischen Teilnehmenden in Kinder- und Jugendgruppen oder auf Freizeiten ist dieser Aspekt zu beachten. Wir sehen die Teilnehmenden nur eine kurze Zeit, viele gehen aber auf die gleiche Schule, sind im gleichen Verein usw. Immer wieder werden dort entstandene Konflikte dann auch bei unseren Angeboten weiter ausgetragen. Um so einen Konflikt tatsächlich zu beenden, reicht es nicht aus, auf die sichtbaren Auswirkungen einzugehen.
Die Trainees sollen schätzen, wie viel vom Eisberg sichtbar ist. Dazu wird ein Schlitz quer in ein Blatt Papier gemacht. Nun kann man den ausgeschnittenen Eisberg weiter heraus- oder hineinschieben. Anschließend sortieren die Trainees die Kärtchen mit den Begriffen zu „sichtbar“ oder „unsichtbar“ zu.
Zur Verdeutlichung kann folgendes Beispiel besprochen werden: Zwei Kinder streiten sich in der Gruppenstunde um eine Schere. Was ist an dem Konflikt sichtbar? Was könnte im Verborgenen eine Rolle spielen?
Jede und jedem ist eine andere Art eigen, mit Konflikten umzugehen. Während die einen Konflikte grundsätzlich scheuen, suchen andere sie geradezu. Es ist hilfreich, sich selbst klarzumachen, zu welchem Stil man selbst tendiert. Ideal sind natürlich Lösungen, bei denen beide Seite ihr Ziel erreichen (Win-win-Situation). Manchmal kann es aber auch sinnvoller sein nachzugeben, als mit großem Aufwand den Konflikt zu bearbeiten. Konflikte anzugehen und mit Kompromiss oder Kooperation zu lösen, kann man einüben.
Die Trainees werden gefragt, wie Konflikte ausgehen können. Die fünf Konfliktstile werden vorgestellt und in ein „Koordinatensystem“ eingeordnet (s. Downloads). Die x-Achse ist dabei das Maß der Orientierung am eigenen Ziel, die y-Achse das Maß der Orientierung am Ziel der anderen Partei. Anschließend können die Trainees zu jedem Stil den Ausgang (lose-win, win-win usw.) zuordnen. Diese Aufgabe kann auch in den Kleingruppen bearbeitet werden. Dann können die Trainees durchdenken, wie ihr Beispielkonflikt mit den verschiedenen Ansätzen (Durchsetzen, Kooperation, Kompromiss, Flucht, Nachgeben) jeweils enden könnte.
Vor allem Menschen, die besonders harmoniebedürftig sind, neigen dazu, ihre eigenen Interessen zurückzustellen, um einen Konflikt zu beenden. Dabei verzichten sie aber auf die Umsetzung ihrer eigenen Ziele und stauen evtl. doch Ärger an. Wer nachgibt, verliert den Konflikt: Lose-win-Situation.
Dieser Lösungsansatz will den Konflikt gar nicht sehen und versucht, ihn zu verdrängen, totzuschweigen oder sich der Konfliktsituation ganz zu entziehen. Wer sich dem Konflikt entzieht, verliert: Lose-win-Situation.
Wenn sich eine Person durchsetzt, werden oft Drohungen und Machtgefälle (z. B. Eltern-Kind, Lehrer-Schüler) benutzt, um das eigene Ziel zu erreichen. Die eigenen Interessen werden auf Kosten des Gegenübers erreicht: Win-lose-Situation.
Beim Kompromiss geben beide Konfliktparteien ein Stück ihres Zieles auf, sodass beide Seiten die Lösung akzeptieren können. Damit erreichen beide Seiten ein Teilziel, aber keine Seite erreicht ihr Ziel vollständig: Win-win oder Lose-lose-Situation, je nach Sichtweise.
Bei der Kooperation versuchen beide Konfliktparteien, ihre Bedürfnisse auszutauschen und kreative Lösungen zu finden, die beiden Seiten gerecht werden. Das ist die schwierigste Art der Konfliktlösung, dafür gewinnen am Ende beide Seiten: Win-win-Situation.
Die folgenden Tipps sind hilfreich, um ein Gespräch zur Konfliktlösung zu führen.
Zum Abschluss der Einheit sollen die Trainees nun das Gelernte anwenden und in Rollenspielen verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorspielen. Dazu gehen die Trainees wieder in die Kleingruppen zusammen. Als Vorlage dienen die Konflikte, die unter „4. Konfliktsituationen aus dem Leben der Trainees“ bearbeitet wurden. Steht noch genügend Zeit zur Verfügung, können die Gruppen alle fünf Lösungsansätze vorspielen. Wird die Zeit knapp, können die Ansätze „Nachgeben“, „Flucht“ und „Durchsetzen“ auf die Gruppen verteilt werden. Die Ansätze „Kompromiss“ und „Kooperation“ sollte jede Gruppe vorbereiten. Ziel ist es, anhand der Tipps zur Konfliktlösung ein beispielhaftes Konfliktgespräch und Lösungsideen zu entwickeln. Die Gruppen spielen ihre Konflikte vor, die Mitarbeitenden können Feedback zu den Konfliktgesprächen und Lösungsideen einbringen.
Konflikte bringen oft Wut, Ärger und Verletzungen mit sich. Wiedergutmachung kann die äußeren Gräben schließen, doch für die inneren Wunden braucht es Vergebung. Wir brauchen den Zuspruch, dass unsere Schuld vergeben ist, um wieder befreit leben zu können.
In Matthäus 18,2122 macht Jesus deutlich, dass unsere Bereitschaft zur Vergebung keine Grenze kennen soll. Und im Vaterunser verknüpft er sogar unsere Bitte um Gottes Vergebung damit, dass wir unseren Mitmenschen vergeben:
„Und vergib uns unsere Schuld –
so wie wir denen vergeben haben,
die uns gegenüber schuldig geworden sind“ (Mt 6,12 BB).
In manchen Situationen erscheint uns diese Forderung fast unmenschlich. Aber Gott kann uns verändern und wir können ihn bitten, dass er das Menschenunmögliche doch möglich macht.
Die meisten Kinder und Jugendlichen sind friedfertig und greifen höchstens zum eigenen Schutz zu körperlicher Gewalt. Es gibt aber auch leider immer wieder Ausnahmen und diese Kinder oder Jugendlichen argumentieren dann eher mit den Fäusten und wüsten Beleidigungen, anstatt mit hilfreichen Worten. Und da sind wir als Mitarbeitende gefordert. Denn auch in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit ist es uns ein Anliegen das soziale Miteinander zwischen Kindern und Jugendlichen in Gruppen und auf Freizeiten zu fördern und Kinder und Jugendliche in gute Beziehungen zu sich selbst und zu anderen zu bringen.
Auf dieser Seite werden Angebote, Gedankenanstöße und ausgearbeitete Themenentwürfe zum Thema „Umgang mit Gewalt“ zur Verfügung gestellt um Mitarbeitende bei diesem Themenkomplex zu unterstützen.
Grundsätzlich:
Räume vermitteln ein Gefühl bei den Besucherinnen und Besuchern, ohne dass auch nur ein Wort gesagt ist. Die grundsätzliche Frage, die sich bei der Raumgestaltung stellt, ist: Welches Gefühl soll den Besucherinnen und Besuchern beim Ankommen vermittelt werden, bevor der Gottesdienst beginnt?
Frage 1:
Dieses Raum-Gefühl sollte die Botschaft oder das Thema des Abends unterstreichen. Dazu müsst ihr zuallererst klären, was das Thema des Jugendgottesdienstes ist.
Frage 2:
Überlegt im Vorbereitungsteam, welches Gefühl der bisherige Gottesdienstraum bei euch vermittelt. Überlegt bspw. wie viele Eindrücke und welche Gefühle ihr beim Betreten einer klassischen Kirche habt. Was macht es mit euch vor dem hohen Gebäude zu stehen? Wie hell oder dunkel ist der Kirchenraum? Ist es eher kalt oder warm? Wie fühlt sich das an, auf der Kirchenbank zu sitzen? Welche Gefühle lösen der Altar und die Kerzen bei euch aus?
Tauscht euch über die Erfahrungen aus und klärt, welche Gefühle und Eindrücke hilfreich für das Thema sind, welche nicht. Vielleicht wäre ein anderer Ort besser geeignet.
Frage 3:
Überlegt, wo sich die Besucherinnen und Besucher vor und nach dem JuGo aufhalten. Gibt es eine Art Vorraum, in dem das Ankommen stattfindet? Oder findet alles in einem Raum statt? Was passiert, wenn der JuGo aus ist? Wo sollen die Leute dann sein und was passiert dort? Und wie bekommt ihr sie schnell zu dem Ort hin? Alle Räume müssen vorbereitet werden und könnten auch ganz unterschiedlich gestaltet sein. Klärt das im Team.
Frage 4:
Klärt, welche Atmosphäre ihr in eurem Jugo schaffen wollt. Sollen sich die Leute wohlfühlen? Oder soll lieber eine ruhige Atmosphäre sein, in der man zur Ruhe kommen kann? Sollen die Leute runterkommen, wenn sie den Gottesdienstraum betreten, oder aufgeputscht werden? Das sollte euch als Team klar sein.
Frage 5:
Checkt jetzt, wer alles am Gottesdienst beteiligt ist und was diese Menschen benötigen. Bspw. Wie viele Mikros benötigen wir? Sind das Funkmikros zum Anstecken, oder stehen die Mikros auf Ständern im Weg? Wie groß ist das Musikteam/ die Band? Wer macht die Moderation? Die Frage an dieser Stelle ist: Was benötigen wir auf jeden Fall, damit der Gottesdienst reibungslos stattfinden kann? Wie sieht die Beleuchtung aus? Damit die Band etwas sieht und die Besucherinnen und Besucher alles gut sehen können?
Frage 6:
Welche Deko/ Raumgestaltung geben eurem JuGo einen Wiedererkennungswert? Vielleicht hat der JuGo einen Namen, oder ein Motto, das irgendwo gut sichtbar erkennbar sein sollte.
Frage 7:
Denkt darüber nach, welche Gegenstände oder Einrichtung das Gefühl stören, das ihr vermitteln wollt. Braucht es das Bild vom Gemeindehaus an der Wand für einen Jugendgottesdienst? Was könnt ihr verschieben/ überdecken, was nicht? Wichtig natürlich, dass ihr alles wieder an den Platz zurückräumt.
Frage 8:
Jetzt geht es ans Eingemachte: Überlegt, welche Gestaltungsmöglichkeiten ihr habt, damit sich das Gefühl von Frage 3 bei den Leuten einstellt. Welche Gegenstände/ Accessoires helfen dabei? Bspw. braucht es für ein Wohnzimmer-Feeling eine gemütliche Sitzgelegenheit, wie ein Sofa, eine Couch oder einen Sessel. Außerdem eine Stehlampe. Usw. Achtet darauf, dass die Besucherinnen und Besucher auch etwas davon haben sollten. Wohnzimmerfeeling stellt sich bspw. nur dann ein, wenn ich als Besucherin oder Besucher auch eine Möglichkeit habe, wenigstens für kurze Zeit gemütlich zu sitzen.
Frage 9:
Besonders authentisch ist natürlich, wenn sich das gesamte Team dem Thema unterordnet. Bspw. ist das Thema „Grillparty“, dann könnten bspw. alle MA eine rote Schürze oder so anziehen. Oder haben Grillbesteck am Gürtel, usw. Es wäre toll, wenn das ganze Team (Moderation, Band, Technik, …) mitzieht.
Frage 10:
Ganz wichtige Frage zum Schluss: Wer räumt auf und stellt alles wieder an den richtigen Platz zurück? Das müsst ihr unbedingt vorher klären! 😉
Um eine Jugendkirche in einem Kirchenraum einzurichten, gibt es keine feststehenden Voraussetzungen oder Bedingungen. Jede Raumsituation kann eine interessante Herausforderung sein. Dass der Zustand, die Ausstattung und Einrichtung einer Kirche, die Atmosphäre, die sie ausstrahlt einen bestimmenden und prägenden Einfluss auf die Vorhaben hat, ist wahrscheinlich unbestritten.
Die Anfragen an die vorgefundene Architektur, den vorgefundenen baulichen Zustand und die bauliche Ausstattung im Blick auf die Einrichtung einer Jugendkirche werden oft genug von den Verantwortlichen aus vielerlei Gründen früh abgewehrt. Es wird damit argumentiert, dass eine Jugendkirche eine vorübergehende Modeerscheinung sein könnte, dass denkmalpflegerische Vorgaben bauliche Eingriffe verbieten oder schlicht, dass finanzielle Grenzen einem Umbau entgegen stehen.
Die Einrichtung einer Jugendkirche hängt nicht von hohen finanziellen Umbauinvestitionen ab. Man darf die Frage, ob so manche Kirchenraumsituation nicht überhaupt vielem entgegensteht, auch quer durch alle Altersgruppen diskutieren – das wird bisweilen zu erstaunlichen Ergebnissen führen. Und nicht zuletzt sollten Umbauvorhaben durch erfahrene Fachleute beraten werden.
Aus den verfügbaren Jugendkirchen-Erfahrungen gibt es hier nun einige Hinweise zu Raumbedingungen, die für die Einrichtung einer Jugendkirche bzw. einer Experimentierkirche hilfreich sein wollen.
Sitzen, stehen, bewegen
Kirchenbänke sind nicht einfach nur schlecht oder unzeitgemäß. Aber diese in der Regel festmontierten Sitzmöbel verhindern Flexibilität in der Raumgestaltung, sie verhindern Bewegung im Kirchenraum und sie üben eine Art Sitzzwang in der Kirche aus (mal abgesehen von temporärem Aufstehen am Platz). Allerdings sind Stühle auch nur dann eine gute Alternative, wenn sie auch wirklich mit vertretbarem Aufwand in ein Stuhllager weggeräumt werden können. Viele haben schon über den wunderbaren Raum ihrer Kirche gestaunt, wenn sie es – oft gegen starke Widerstände – doch gewagt haben, die Kirche einmal leer zu haben.
Bodenbeläge und die Heizung in Jugendkirchen
Da wird man in den wenigsten Fällen wirklich die Wahl haben. Aber die Robustheit und die Ausstrahlung, die Eignung für vielfältige Aktivitäten sollten das Maß sein – vom Tanz bis zur künstlerischen Arbeit mit Farben, vom Festmahl bis zur Tape-Aktion sollte der Fußboden-Belag nichts verhindern.
(Heizung: dass es überhaupt eine gibt, auch flexibel, Kosten/Heizart/Einfluss auf Musikinstrumente)
Küche als Ort einer spirituellen Dimension
Eine gut ausgestattete Küche (also nicht allein zum Tee kochen) verfügbar zu haben, hilft allein schon zur Verpflegung der Menschen bei Veranstaltungen/Angeboten, die länger als eine Stunde dauern.
Die Küche als Ort einer spirituellen Dimension, die das „nicht allein vom Brot leben, aber eben auch vom Brot“ gestaltbar werden lässt, ist nicht zu unterschätzen. Mit der Küche kann in vielfacher Weise die Verbindung zwischen „Küchentisch“ und Altar gestaltet werden.
Strom – Licht – Technik
Auch in diesem Bereich kann man sich finanziell verfransen. Wenn aber in einer Kirche nur zwei Steckdosen vorhanden sind, deren Sicherung schon bei kleinsten Belastungen rausfliegt, dann hindert diese Ausstattung nur.
Einen Starkstromanschluss benötigt man nur für größere Musik- oder Theater- oder (Licht-)Kunst-Aktionen.
Nicht alles muss fest installiert sein, aber die Dinge sollten ohne viel Aufwand flexibel verfügbar sein. Eine gute Tonverstärkung und -übertragung, Licht zur atmosphärischen Raumveränderung oder wenn es einfach mal abends richtig hell sein soll. Der Wunsch nach einem Lichtsteuerpult wird schnell aufkommen. Beamer-Projektionen müssen möglich sein. Auch hier kommen nicht nur fest installierte und klassische Projektionsflächenformate in Betracht. (was kann es denn dann sonst noch sein?) Es geht nicht um eine perfekte technische Ausstattung, aber zu klein gedachte Lösungen behindern in der Praxis unnötig.
In der kommenden Zeit wird keine Jugendkirche ohne Internetanbindung und einer unkomplizierten WLAN-Verfügbarkeit auskommen. Warum auch? Die Webkultur birgt einen wachsenden und wunderbaren Schatz an Möglichkeiten.
Wasser marsch!
In einer Jugendkirche – weil vieles eben nicht nach einer Stunde zu Ende ist – braucht es einen Zugang zu einer ausreichenden Toilettenkapazität. Für viele Aktivitäten wird zusätzlich ein größeres Waschbecken nötig sein, man denke nur ans Pinselauswaschen, wenn mit Farben gearbeitet wurde.
Duschen in bzw. bei einer Jugendkirche scheinen eine abgefahrene Idee zu sein. Aber bei Theaterworkshops, Theateraufführungen, wenn vielleicht mal eine Gastgruppe in der Kirche übernachtet oder sogar eine Veranstaltung mehrere Tage dauern soll, dann wäre eine Dusche zumindest hilfreich.
Material-Lager
Egal ob man Kleinmaterial oder große Raumelemente im Einsatz hat, der Kirchenraum ist kein Lager: das braucht es extra. Am Übergang zwischen „arbeiten“ und feiern muss sich die Kirche immer verwandeln (können). War hier Materialfülle, Chaos und Vielfalt das Motto, wird dann der Fokus auf die Liturgie des Festes gerichtet sein. Dazu passt in der Regel nicht die Atmosphäre eines Materiallagers oder eines Stuhllagers. Dafür braucht es extra Lager-Räume. Und Leere, Ordnung, Klarheit und Konzentration haben schon einen großen Wert.
Eine Orgel ist fast in jeder Kirche
Eine vorhandene Orgel kann in einer Jugendkirche ein interessantes Experimentierinstrument sein. Der Umgang mit einer Orgel verlangt allerdings Sachverstand. Die Pflege einer Orgel lässt nicht alle Aktivitäten ohne Vorsorge zu. Hier kann man nur dazu raten, mit den Verantwortlichen für die Orgel Gespräche für bestimmte Problemstellungen zu führen.
Auch der Außenraum gehört dazu
Bei allen Raumüberlegungen darf der Außenbereich, der Außenraum nicht vernachlässigt werden. Zumindest gehören dazu Fragen der Lärmbelästigung gegenüber Nachbarn und beim Kommen und Gehen (auch mit Fahrzeugen). Dazu gehören aber auch Blicke auf mögliche Außenaktivitäten: der Aufenthalt „vor der Tür”, was dringt von drinnen nach draußen (Licht und Schall), jeder Kirchenraum hat ein drinnen und ein draußen, gibt es Plätze für Außenaktivitäten, wie „strahlt” ein Innen nach draußen, wie strahlt die Umgebung der Kirche in ihren Innenraum?
Diese Liste der Raumbedingungen ist vielleicht noch nicht vollständig. Sie enthält auch eher Beachtungspunkte, als dass es eine Checkliste zum schnellen Abarbeiten wäre.
Viele Punkte werden zu langwierigeren Prozessen führen, manche sind auch leicht zu bearbeiten.
Ganz grundsätzlich geben wir den Rat für fast alle Problemfelder: Gespräche, Gespräche, Gespräche mit den Zuständigen und Verantwortlichen. Es lohnt sich ganz besonders für die Schaffung günstiger Raumbedingungen und für die Erschließung größerer Spielräume im Kirchenraum, wenn es viele gute Gesprächsfäden gibt, wenn diese intensiv genutzt und gehalten werden.
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