Verband: | ![]() |
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Zeitbedarf: | 45-60 Min. (Vorbereitung: 45-120 Min.) |
Materialart: | Ideensammlung |
Zielgruppen: | Jugendliche, Junge Erwachsene, Mitarbeitende |
Einsatzgebiete: | (Jugend-)Gottesdienst, Predigtvorbereitung |
Themenstellung: | Ideenpool |
Redaktion: | jugonet |
In gedanklicher Verwandtschaft zu Jesu Worten aus der Feldrede „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6,36), stehen seine Worte über das Weltgericht in Matthäus 25,31-46. So wird dort auch die Frage nach Barmherzigkeit gestellt. Jede und jeder wird sich diesbezüglich die Frage nach der eigenen Barmherzigkeit stellen. Leitend ist dabei der Satz „Was ihr einem von diesen meinen geringsten Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25,40b).
Ausgehend von diesen dort beispielhaft geschilderten sechs Versäumnissen an Mitmenschlichkeit wurden die dortigen Negationen positiv gewendet und daraus die sog. Werke der Barmherzigkeit als konkrete Aufgabe christlichen Handelns abgeleitet. In der Tradition kam noch mit der Bestattung ein siebtes hinzu.
Diese sieben Werke können – unabhängig vom Weltgericht – in der Gegenwart Leitkategorien für mitmenschliches Handeln sein. Denn sie greifen elementare Situationen des Lebens auf, Hilfe am Nächsten und an den Nächsten. Da es sich um elementare Situationen handelt, ist es gut möglich direkt an der Lebenswelt junger und auch älterer Menschen anzusetzen: Hunger, Durst und anderer Mangel kamen nicht nur zu Jesu Zeiten vor, sondern können trotz guter Versorgung durch Sozialsysteme und weitestgehendem Wohlstand immer nachvollzogen werden. Schließlich sind diese Situationen auch übertragbar in andere unseres alltäglichen Lebens.
Die Jahreslosung ruft dazu auf, barmherzig zu sein. Es handelt sich dabei um keinen Befehl oder Aufruf mit moralischem Druck. Vielmehr zeichnen diese Worte ein Entsprechungsverhältnis nach, dass dem Menschen nahelegt, so zu handeln, wie er be-handelt wird. Ein „Wie-Du-mir-so-ich-Dir“ im positivem Sinne. Angelehnt an einen Ausspruch eines katholischen Bischofs zum Weihnachtswunder, könnte man die Jahreslosung zuspitzen zu „Mach’s wie Gott – sei barmherzig!“.
Und genau das ist menschliche Aufgabe angesichts der Barmherzigkeit als Gottes Gabe. Auch hier zeichnet sich ein Entsprechungsverhältnis ab, das tief in der biblischen Überlieferung verwoben ist. Menschen haben die Aufgabe anderen Menschen, Mensch zu sein – im ursprünglichen Sinne der Gottebenbildlichkeit. Und dabei nicht Gott sein zu wollen. An deinem Gegenüber, Mensch, an deinem Nächsten (und das ist jede und jeder, die oder der eben gerade mein Gegenüber ist und nicht nur diejenigen, die mir nahe stehen), entscheidet sich dein Mensch-Sein, deine Würde und die der anderen, die sich von der Gottebenbildlichkeit des Menschen ableitet. Jeder Mensch hat Würde und Wert, jedem gilt Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit in die Welt zu tragen, ist ureigenste Aufgabe eines jeden Christenmenschen. Und es gibt Gelegenheiten dazu, auch wenn viele dieser Dienste am Nächsten in professionellen Händen liegen und von diakonischen Institutionen übernommen werden. Hin und wieder hat in der Vergangenheit die Auslagerung dieser Kernaufgaben christlicher Mitmenschlichkeit zu einer Entfremdung davon geführt. Deshalb will vorliegender Entwurf den Anstoß geben, sich den Möglichkeiten von Barmherzigkeit im alltäglichen Handeln bewusst zu werden. Dabei sollen auch die unterschiedlichen Dienste und Handlungsfelder von Kirche in Diakonie in den Blick kommen. Viele Zweige kirchlicher Arbeit sind diakonisches Handeln – nicht nur in den Arbeitsbereichen, die von diakonischen Trägern übernommen werden, sondern auch das konkrete Handeln am Nächsten vor Ort und in den Gemeinden.
Somit ist auch die Jugendarbeit ein diakonisches Handlungsfeld. Um dies bewusst zu machen und die mitunter in sich versäumten diakonischen Handlungsfelder zueinander in Beziehung zu bringen, sei angeregt, einen Gottesdienst gleich gemeinsam in Kooperation mit Diakoniebeauftragten, Diakoniepfarrer*innen und Menschen aus der Praxis zu planen und durchzuführen. Junge Menschen wissen es laut aktuellen Studien sehr wohl zu schätzen, dass sich Kirche für die Mitmenschen und die Gesellschaft einsetzt, aber was sie dabei genau macht, ist oft nicht bekannt. Diesem Informationsdefizit kann mit einem Gottesdienst aufgeholfen werden. Die Idee ist, im Gottesdienst Menschen zu Wort kommen zu lassen, die in ihrer Tätigkeit „Barmherzigkeit ausüben“. Dies kann in Form von Interviews erfolgen oder im direkten Gespräch an Stationen zu den Werken der Barmherzigkeit im Alltag.
Deshalb wird im Folgenden versucht, die sog. Werke der Barmherzigkeit mit der Lebenswelt (junger) Menschen heute in Verbindung zu bringen. Es wird kein fertiger Gottesdienst-Entwurf geboten, eher einzelne Teile, die so oder auch ganz anders ein einem Gottesdienst eingesetzt werden können. Es bleibt über die Anregungen hinaus genug Raum, die eigene Situation vor Ort und vor allem die Personen aus den diakonischen Arbeitsfeldern einzubeziehen.
Die einzelnen Werke der Barmherzigkeit sind im Folgenden aufgeführt. Sie können einzeln nach und nach im Gottesdienst eine Rolle spielen. Möglich ist auch, aus ihnen Stationen für eine offene Phase im oder im Anschluss an den Gottesdienst abzuleiten. Ebenso können auch einzelne Werke herausgegriffen und weiter vertieft werden. Die Fotoaufnahmen zeigen einfache und alltägliche Motive und ziehen mit gedanklichen Assoziationen Linien zur Lebenswelt. Begleitet von Fragen soll die eigene Auseinandersetzung angeregt werden.
Folgende Impulse entlang der „Sieben Werke der Barmherzigkeit“ – immer mit einer Sequenz von Frage, Bibeltext/-vers und konkretem Bild (die Bilder sind alle lizenfrei von der Plattform unsplash zu bekommen und sollen eine Anregung sein. Es können natürlich auch andere andere Bilder, z.B. aus dem eigenen Umfeld genommen werden.) – können im Gottesdienst umgesetzt werden. Sie dienen 1. als Beispiel und 2. als Anregung vor Ort, Jugendliche (über das Sozialpraktikum hinaus) mit Diakonie zusammen zu bringen. Denkbar ist, den Gottesdienst linear anhand der einzelnen Abschnitte zu feiern oder als Gottesdienst mit Gesprächsgruppen zu den einzelnen Themenfeldern. Natürlich können auch einzelne Themenfelder herausgegriffen und vertieft werden, z.B. durch eine Experten-Person, die eingeladen und im Gottesdienst interviewt wird.
Bild: Brooke Lark
Bibelwort
„Denn ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben.“ (Mt 25,34a)
Gedanken zum Bild
Teller, aufgestapelt in einen Schrank, bunt und aufgeräumt. Sie sind leer. Doch sie gehören gefüllt auf Tische. Eine Sammlung Teller macht nicht satt. Ein Tisch mit gefüllten Tellern lädt ein. An einem Tisch wird Gemeinschaft gepflegt – geteilt, Essen und das Leben. Doch es gibt auch Menschen, die sitzen alleine an Tischen, manchmal vor karg gefüllten Tellern. Sie hungern nach Gemeinschaft, wollen satt werden an Leib und Seele.
diakonische Fragestellungen
Hunger ist ein unmittelbares Gefühl, das zu unterscheiden ist nach einem körperlichen Hunger und einem seelischen (s.u.).
Bild: Imani
Bibelwort
„Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben.“ (Mt 25,34b)
Gedanken zum Bild
Wasser fließt in Hände. Gleich werden sie das kostbare Naß zum Mund führen und die Lippen benetzen. Wasser spendet Leben.. Er ist schon gefüllt. Bereit einem Menschen Lebenswasser zu werden. Denn ohne Wasser kein Leben. Wie achtlos rinnt Wasser durch unsere Spülbecken, während woanders Menschen Durst haben. Sie dürsten auch nach Gerechtigkeit. Da geht es auch um Würde.
diakonische Fragestellungen
Hunger ist ein unmittelbares Gefühl, das zu unterscheiden ist nach einem körperlichen Hunger (s.o.) und einem seelischen.
Bild: Mantas Hesthaven
Bibelwort
„Ich war ein Fremder, und ihr habt mich aufgenommen.“ (Mt 25,35a)
Gedanken zum Bild
Ein offenes Tor. Eine Person mit Koffer. Darin – alle Habseligkeiten. Mehr konnte in der Eile nicht gepackt werden. Nur das Nötigste, leichtes Gepäck. Auf dem Weg ins Ungewisse, es gibt kein zurück. Irgendwo weiter vorne beginnt die Freiheit. Was wird ihn erwarten? Er wird ein Fremder sein. Wer wird ihn aufnehmen?
diakonische Fragestellungen
In fast jedem Ort gibt es seit dem Herbst 2015 ein Haus (oder mehrere Container), in denen Menschen leben, die aus einem anderen Land geflohen sind. Die Diakonie und andere Wohlfahrtsverbände haben häufig den Auftrag zum „Integrationsmanagement“.
Bild: Nick de Partee
Bibelwort
„Ich hatte nichts anzuziehen, und ihr habt mir keine Kleidung gegeben.“ (Mt 25,34b)
Gedanken zum Bild
Kleider an der Stange, in Reih‘ und Glied. Sie warten darauf, angezogen zu werden, die Haut zu bedecken, Schutz und Würde zu geben. Menschen brauchen Kleidung. Kleidung ist Schutz. Keine Kleidung ist unwürdig, macht verletzlich. Menschenwürde ist ein Kleid, das jeder braucht!
diakonische Fragestellungen
Der Style entscheidet über das Dazugehören, zeigt, was mir wichtig ist. Für manche beginnt es aber überhaupt damit, genügend zum Anziehen zu haben. Einige tragen Schuhe, die ihren Füßen längst zu klein sein – weil die Eltern nicht genügend Geld gerade für neue Schuhe haben.
Wieder kann ein Gang zur Diakonischen Bezirksstelle helfen, um mehr zu erfahren, wie Armut in eurem Bezirk aussieht. Und egal, wo ihr lebt: Armut gibt es.
Bild: Matheus Ferrero
Bibelwort
„Ich war krank, und ihr habt euch um mich gekümmert.“ (Mt 25,35c)
Gedanken zum Bild
Da sind Hände, die andere festhalten. Sie drücken aus: Du bist nicht allein. In deiner Not, in deiner Krankheit ist jemand an deiner Seite. Pflege, Trost, Hilfe. Ein gutes Wort, Zuwendung – das heilt so manche Wunde. Und es vermag Hoffnung zu geben – auf Heilung.
diakonische Fragestellungen
Für die meisten jungen Menschen ist Diakonie mit Heimen verbunden oder Wohngruppen für Kranke und ältere Menschen. Dieser Vers lädt ganz bewusst zu einer Kontaktaufnahme ein, der Fragen voran gehen können wie: Wo können pflegebedürftige Menschen bei uns zu wohnen? Wie werden die versorgt, die zwar schon älter sind, aber noch (alleine) zuhause wohnen? Kontakt mit der Sozialstation aufnehmen…
Bild: Larry Farr
Bibelwort
„Ich war im Gefängnis, und ihr habt mich besucht.“ (Mt 25,36)
Gedanken zum Bild
Wachen, hohe Mauern, Stacheldraht, unüberwindbar. Trennung. Immer wieder gibt es auch Mauern zwischen Menschen, durch Gitter sehen sie sich an. Da ist etwas zwischen uns. Unüberwindbar, Trennendes, Schuld. Gibt es eine Chance darüber weg zu kommen?
„Wer hinter Gittern ist, hat’s wohl verdient“, sagen sie. Aber was heißt schon „verdient“? Haben wir nicht von unverdienter Gnade gehört? Gnadenlos wird es in der Welt, wenn allein der Verdienst im Vordergrund steht.
diakonische Fragestellungen
Bild: Paul Qispe
Bibelwort
„Ich war tot, und ihr habt mich würdig bestattet.“
Gedanken zum Bild
Tote bestatten ist ein Werk der Barmherzigkeit. Kein Leichnam wird einfach liegen gelassen oder weggeworfen. Einem Menschen, die letzte Würde zu erweisen, bedeutet, seinem Leichnam einen letzten Ort geben, ihn nicht einfach zu verscharren.
diakonische Fragestellungen
Die Beerdigung ist ein einschneidendes Moment für die Angehörigen. Es bringt Emotionen ans Licht, positive wie negative. Zusammen mit Berater*innen aus der Psychologischen Beratungsstelle kann man nachspüren, welche Dynamik ein Todesfall auslösen kann.
-> Dieser Ideenvorschlag stammt aus dem Büchlein „Ganz der Papa!“ – Jugendgottesdienstmaterial zur Jahreslosung 2021.
Das Heft gibt’s für 6,90 € beim Landesjugendpfarramt in Württemberg.