Sag mir die Wahrheit!

1. Erklärungen zum Text

Ein zentrales Motiv unseres Textes besteht im Hin und Her zwischen „rein und unrein“, „heilig und weltlich“, „Religion und Politik“. Auf der einen Seite sehen wir die jüdischen Führer, die Jesus nach dem religiösen Prozess (Joh 18,12-27) vor den weltlichen Herrscher Pilatus schleifen. Unter der Obrigkeit der Römer war ihnen zwar erlaubt, in innerjüdischen Angelegenheiten zu richten, jedoch nicht die Todesstrafe zu vollstrecken. Daher brauchen sie die Unterstützung des Pilatus. Dieser tut sich schwer damit, in der ohnehin aufgeheizten Stimmung im besetzten Land, ein religiös motiviertes Todesurteil zu verantworten. Er versucht die Wogen zu glätten und befragt den Angeklagten selbst. Da Pilatus keine Schuld feststellen kann, versucht er Jesus anlässlich eines Straferlasses zum Passahfest in die Freiheit zu entlassen. Doch die jüdische Obrigkeit möchte lieber einen Räuber in Freiheit wissen, als einen, vor dem sie Angst haben, weil er ihnen die eigenen, sicher geglaubten Überzeugungen raubt. Inmitten dieser Gemengelage stellt Pilatus die zentrale Frage: „Was ist Wahrheit?“

Die Anklage gegen Jesus besteht in drei Worten: „König der Juden“. Die religiösen Führer werfen ihm Gotteslästerung vor. Darauf steht die Todesstrafe. Diese Anklage haben sie äußerst clever gewählt, denn auch für Pilatus ist dies brisant – jedoch unter politischen Vorzeichen. Er fürchtet, dass Jesus sich selbst zum König ausrufen lassen könnte. Dies wiederum könnte politische Unruhen nach sich ziehen. Daher befragt ihn Pilatus besonders hierzu. Doch Jesus zerstreut gleich zu Beginn der Anhörung die Bedenken des römischen Verwalters. Da sein Reich nicht von dieser Welt ist, braucht Pilatus keine Unruhen durch ihn oder seine Nachfolger zu fürchten. Dies beruhigt Pilatus und doch wühlt ihn auf, dass in diesem vermeintlich „schwachen“ König mit seinem „weltfremden“ Reich ihm einer gegenübersteht, der davon spricht, dass gerade hierin Wahrheit verborgen sein soll.

Beim Lesen des Johannesevangeliums wird klarer, worum es sich bei dieser Wahrheit genau handelt – nämlich um Jesus selbst (vgl. Joh 1,16; Joh 14,6). Er selbst, der als ewiger Gott in sein Eigentum kommt und von denen, die er geschaffen hat, nicht erkannt und zum Tode verurteilt wird – um ihn geht es. Der Richter der Welt wird von der Welt gerichtet und vollzieht damit das Gericht über ebenjene Welt. Religion und Politik, Innerliches und Äußerliches, Weltliches und Überirdisches, all das trifft sich in der menschgewordenen Wahrheit Jesus Christus.

2. Bedeutung für den heutigen Hörer

„Über Religion und Politik spricht man nicht.“ So lautet eine landläufige Meinung. Aber warum ist das so? Weil es bei Religion und Politik oft um persönliche Überzeugungen geht. Wenn nun die eigenen Wahrheiten von Anderen in Frage gestellt werden, wird es brenzlig. Das Ganze verschärft sich noch, wenn Religion und Politik direkt aufeinandertreffen. Hier ist der Kampf um Wahrheiten nicht fern.

Die Frage, inwiefern Religiöses politisch, bzw. Politik religiös ist, ist aktueller denn je. Terror im Namen des Islam und die patriotische Verteidigung des christlichen Abendlandes scheinen sich heimlich hinter dem Rücken die Hand zu geben, wenn es darum geht, totalitäres Gedankengut zu verbreiten und vermeintliche Wahrheiten zu proklamieren. Aber auch die Religion des Kapitals mit seinem „alternativlosen“ Drang zu immer mehr Wachstum ohne Rücksicht auf Verluste reiht sich hier mit ein. Wie kann da der christliche Glaube mit einem König, dessen Reich nicht von dieser Welt ist, in gerade dieser Welt bestehen? Wie kann die Wahrheit Jesus Christus helfen, wenn sie von den Seinen nicht aufgenommen wird (vgl. Joh 1,11)?

Wahrheiten konkurrieren in unserer pluralistischen Gesellschaft miteinander. Das, was mir heilig ist, muss nicht unbedingt gesamtgesellschaftliche Relevanz haben oder mehrheitsfähig sein. Wenn Überzeugungen aufeinandertreffen und der Glaube zum Politikum wird, liegt der Rückzug ins Private nahe. Aber ist dieser Schritt dann richtig? Passt das mit dem Evangelium von Jesus Christus zusammen, welches globale Ambitionen besitzt (vgl. 2. Kor 5,19)? Kann die Botschaft von Jesus Christus, der sowohl religiöse als auch politische Führer ins Schwitzen bringt, einfach so ins Private verdrängt werden?

Hierzu ein paar Thesen und Fragen, die zum praktischen Weiterdenken anregen können:

Jesu Reich, das nicht von dieser Welt ist, ist nicht das Reich einer anderen Welt. Es ist eher das Bild dessen, wie unsere Welt eigentlich sein sollte.

  • Wie sähe unsere Welt aus, wenn die Wahrheit Jesus Christus endgültig regieren würde?
  • Welchen Anteil hätten seine Nachfolger daran?

Christliche Wahrheit ist nicht die Wahrheit zwischen zwei Buchdeckeln. Sie ist Person. Jesus Christus.

  • Inwiefern macht dies das Christentum zu einer starken / schwachen Religion?
  • Was kann ich jemandem antworten, der mich als Christ fragt, was Wahrheit ist?

3. Methodik für die Gruppe

Bibeltext aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten

a) Teilt die Gruppe in drei Teile ein und gebt allen den gleichlautenden Bibeltext.

1. Gruppe: die jüdischen Führer
2. Gruppe: Pilatus
3. Gruppe: Jesus

b) Lest nun den Text, indem ihr ihn abschnittsweise betrachtet.

1. Abschnitt: Johannes 18,28-32
2. Abschnitt: Johannes 18,33-36
3. Abschnitt: Johannes 18,37-38
4. Abschnitt: Johannes 18,39-40

c) Nach jedem einzelnen Abschnitt macht ihr eine kurze Pause, in der sich die einzelnen Kleingruppen eurer Teilnehmenden austauschen, wie sie die Entwicklung in der biblischen Geschichte aus je ihrem Blickwinkel wahrnehmen.

  • Was gefällt euch (nicht)?
  • Was findet ihr befremdlich?
  • Was wünscht ihr euch für den Fortgang der Geschichte?

d) Nachdem ihr miteinander den Austausch nach dem 4. Abschnitt beendet habt, versucht ihr als komplette Gruppe ein Fazit zu ziehen.

Mögliche Fragen, die euch dabei helfen können:

  • Wer hat in diesen Prozess gewonnen?
  • War es ein religiöser oder ein politischer Prozess?
  • Was ist Wahrheit?

Ein Abend mit dem Bürgermeister

Ladet in eure Gruppe euren Bürgermeister/Stellvertreter/Ortsvorsteher … ein und gestaltet miteinander einen Diskussionsabend. Hierbei könnt ihr durchaus den Bibeltext mit einbeziehen / miteinander lesen. Leitend für das Gespräch mit dem politischen Verantwortungsträger könnten folgende Fragen sein:

  • Wie lässt sich das Verhältnis von Religion und Politik in unserer Stadt / unserem Dorf momentan beschreiben?
  • Was können Kirche und Staat voneinander lernen? Worin unterscheiden sie sich? Wo sind sie sich ähnlich?
  • Wie können wir als Christen dienen?
  • Wie können uns als Christen die politischen Verantwortungsträger in unserer Stadt / unserem Dorf dienen?
  • Woher nehmen politische Verantwortungsträger ihre Wahrheiten / Überzeugungen, die sie vertreten?
  • Wie klingt es für euren Bürgermeister/Stellvertreter/Ortsvorsteher …, dass Jesus Christus die einzige Wahrheit ist?

Film: Die letzte Stufe

Dieser sehr sehenswerte Film zeigt das Leben von Dietrich Bonhoeffer, der im Dritten Reich einer der führenden Persönlichkeiten in der Bekennenden Kirche war. Er versuchte, sich dem Nazi-Regime zu widersetzen. Hierbei war er als Christ besonders herausgefordert, weil er sich mit der Frage auseinandersetzte, ob und wie ein Christ ins politische Geschehen eingreifen darf.

a) Schaut mit der Gruppe gemeinsam den Film an. Er ist u. a. frei bei YouTube verfügbar.

b) Anschließend sprecht miteinander z. B. über folgende Fragen:

  • Was können wir heute von Dietrich Bonhoeffer und seinem Widerstand lernen?
  • Warum ist es notwendig / unnötig, ins politische Geschehen einzugreifen? Was darf ich als Christ? Was nicht?
  • Welche politischen Entwicklungen nehmen wir momentan wahr? Welche Haltung haben wir dazu, wenn wir gleichzeitig nach der Wahrheit Jesus Christus fragen?
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