So sollt ihr beten: Unser Vater im Himmel

Eine Bibelarbeit rund um das Vaterunser

Mit dem Vaterunser ist es so eine Sache. Auf der einen Seite ist es das Gebet, das alle Christen auf der ganzen Erde verbindet und vielen Menschen schon Kraft und Trost gegeben hat. Auf der anderen Seite wird sicher kein anderes Gebet so gedankenlos „heruntergeleiert“ wie das Vaterunser. Schon vor 500 Jahren war das wohl nicht anders. Martin Luther klagt: „Es ist Jammer über Jammer, dass ein solches Gebet ohne alle Andacht zerplappert und zerklappert wird in aller Welt.“
Was ist das Vaterunser nun? Wichtigstes Gebet der Christen oder alte Leier? Immerhin ist es das einzige Gebet, das Jesus seinen Jüngern mit auf ihren Glaubensweg gegeben hat. Und er hat ja nicht dazu gesagt: „Vorsicht, bei übermäßigem Gebrauch nutzt sich dieses Gebet ab!“ Diese Bibelarbeit soll eine Hilfe sein, das Vaterunser neu zu entdecken als ein Gebet, in dem wir mit unserem alltäglichen Leben vorkommen.

Das Vaterunser – ein Blick in die Bibel

Vgl. Matthäus 6, 9-13 und Lukas 11, 2-4

An zwei Stellen im Neuen Testament wird uns das Vaterunser überliefert: In Matthäus 6, 9-13 und in Lukas 11, 2-4. Die beiden Versionen des Vaterunser sind nicht identisch, was darauf hinweist, dass das Vaterunser wohl in unterschiedlichen Fassungen im Umlauf war. Interessant ist auch, dass der Schluss des Vaterunser „… denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen“ nicht von Jesus stammt, sondern erst am Ende des 1. Jahrhunderts an das Originalgebet von Jesus angehängt wurde (deshalb stehen diese Worte in den Bibelausgaben auch nur im Kleingedruckten; wer möchte, kann das ja mal in der eigenen Bibel nachprüfen).
Ich beziehe mich mit meinen Gedanken zum Vaterunser im Folgenden auf die Version von Matthäus.

„Unser Vater im Himmel“

Vgl. Matthäus 6, 7+8

Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen, was Jesus vor dem Vaterunser sagt. In Matthäus 6, 7+8 wendet sich Jesus dagegen, dass man beim Beten viele Worte macht, um damit bei Gott Eindruck zu schinden. In Vers 8 heißt es: „Euer Vater weiß, was ihr braucht, bevor ihr ihn bittet.“ Beim Beten geht es also nicht darum, Gott über unsere Lage zu informieren oder ihm ein paar Vorschläge zu machen, wie er uns helfen könnte. Gott weiß am besten, was wir brauchen. Nachdem Jesus erklärt hat, wie man nicht beten soll, gibt er seinen Jüngern ein Beispiel, wie sie beten können. Das Vaterunser ist ein vertrauensvolles Gespräch mit dem Vater im Himmel, das ernst macht damit, dass Gott schon am besten weiß, was wir brauchen.
Darum beginnt das Vaterunser auch mit der Anrede: „Unser Vater im Himmel.“ Immer, wenn wir das Vaterunser beten, kann uns diese Anrede daran erinnern: Jetzt hört mir der zu, der weiß, was ich wirklich brauche. Und schon aus unserem ganz alltäglichen Leben wissen wir, dass wir dann Vertrauen zu jemandem haben, wenn wir spüren: Hier versteht mich jemand und ahnt, wie es mir geht und was ich brauche.
Für uns Christen im 21. Jahrhundert ist es vielleicht schon normal, Gott als Vater anzusprechen. Doch die Geschichten und Worte von Jesus versprühen bis heute eine enorme Freude und Begeisterung darüber, dass der heilige und allmächtige Gott wie ein guter Vater ist. Denken wir nur z. B. an die Geschichte vom verlorenen Sohn.

vgl. Lukas 15,11-32

„Geheiligt werde dein Name“

Bei Gott ist der Name Programm. Denn der Name Gottes sagt etwas aus über ihn. Wenn wir z. B. Gott mit dem Namen „Vater“ anreden, dann bringen wir ja damit zum Ausdruck, dass Gott wie ein guter Vater ist. Der Name steht also für die Person Gottes, für Gott selber. „Geheiligt werde dein Name“ meint dann soviel wie „Du Gott, sollst heilig sein, dein Name soll in Ehren gehalten werden.“ Martin Luther hat – so finde ich – den Sinn dieser Vaterunser-Bitte gut erfasst, wenn er sagt: „Gottes Name ist zwar an sich selbst heilig; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er auch bei uns heilig werde.“ Es geht also darum, dass Gott in unserem Leben heilig gehalten wird, dass wir Ehrfurcht haben vor ihm oder mit anderen Worten gesagt: Dass wir Gott an die erste Stelle setzen in unserem Leben. Ganz schön herausfordernd!

„Dein Reich komme“

Hinter dieser Bitte steckt die Sehnsucht, dass Gott mit seiner Herrschaft in unser persönliches Leben und unsere Welt kommt. Schon jetzt, wo wir unter Unfrieden und Angst leiden, und dann am Ende der Zeit, wenn Gott für alle sichtbar seine neue Herrschaft aufrichtet.

 „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“

Bei dieser Bitte ist es hilfreich, noch einmal darauf zu achten, was vor dem Vaterunser steht: „Euer Vater weiß, was ihr braucht.“ Wie eine Überschrift über das ganze Vaterunser ist dieser Satz. Wir überlassen uns im Vaterunser nicht dem Willen eines Tyrannen, der uns fertig machen will, sondern dem Vater im Himmel. Gottes Wille soll in unserem Leben geschehen, weil Gott es gut mit uns meint. Wenn wir darum bitten, dass Gottes Wille wirklich überall – das meint „wie im Himmel so auf Erden“ – geschehen möge, dann schließt das zugleich auch ein, dass wir danach fragen, was wir dafür tun können, dass Gottes Wille verwirklicht wird auf unserer Erde. Die zehn Gebote und die Worte von Jesus zeigen uns, wie Gott sich das Leben auf unserer Erde vorstellt. Wer betet „dein Wille geschehe“, der kann sich nicht gemütlich im Sessel zurücklehnen, sondern muss auch bereit sein, sich dafür einzusetzen, dass Gottes Wille geschieht.

„Unser tägliches Brot gib uns heute“

Typisch Jesus, denke ich bei dieser Bitte. Denn Jesus war kein übernatürlicher Guru, der schon einen halben Meter über dem Boden schwebte. Sondern er hat sich um die Bedürfnisse seiner Anhänger gekümmert. Zweimal wird uns sogar davon berichtet, dass er Menschen mit Brot und Fisch satt gemacht hat (vgl. Matthäus 14, 1321; Matthäus 15,29-39). In der Bitte um das tägliche Brot vertrauen wir unser Leben Gott an mit allem, was wir zum Leben brauchen. Wieder lohnt sich ein Blick in die Erklärung von Martin Luther zum Vaterunser: „Gott gibt das tägliche Brot auch ohne unsere Bitte allen bösen Menschen; aber wir bitten in diesem Gebet, dass er’s uns erkennen lasse und wir mit Danksagung empfangen unser tägliches Brot. Ums Dankbarwerden für das, was wir haben, geht es also.

 „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“

Tag für Tag werden wir schuldig an Gott und an Menschen. Ich vermute, wir alle wissen nur zu gut, wie es einen belasten kann, etwas nicht mehr wieder gut machen zu können. Die Vaterunser-Bitte gibt uns die Chance, ehrlich zu werden und zu uns selber und zu unserer Schuld zu stehen. Zu uns selber stehen können wir nur, weil Gott vergibt, was zwischen ihm und uns steht. Vergeben meint, dass unsere Schuld im wahrsten Sinn des Wortes ver-geben, weggegeben wird. Gott befreit uns von dem, was uns eigentlich niemand abnehmen kann. Weil Gott uns vergibt, können wir auch denen vergeben, die an uns schuldig werden. Dem vergeben, der mich verletzt hat, das kostet Kraft und funktioniert manchmal nicht von jetzt auf nachher. Doch jedes Vaterunser erinnert uns daran, dass Gottes Vergebung und unsere Vergebungsbereitschaft zusammenhängen. Eine anschauliche Beispielgeschichte dafür erzählt Jesus in Matthäus 18,23-35.

vgl. Matthäus 18, 23-35

„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“

Das Wort „Versuchung“ beschreibt eine Situation, in der wir in der Gefahr stehen, nicht mehr den Willen Gottes zu tun. Jede und jeder weiß wahrscheinlich ziemlich gut, wo die eigenen wunden Punkte liegen. Wir bitten mit dieser Vaterunser-Bitte darum, dass Gott uns vor solchen brenzligen Situationen bewahrt. Die zweite Bitte „erlöse uns von dem Bösen“ ist wie ein sehnsüchtiger Schrei, dass Gott uns endlich von allem befreit, was uns zerstört und niederdrückt. Endgültig wird dieser Wunsch in Erfüllung gehen, wenn Gottes neue Welt anbricht (vgl. Offenbarung 21).

Das Vaterunser – ein Gebet für’s Leben

Martin Luther hat das Vaterunser sehr geliebt. Er hat einmal gesagt, dass er „nicht satt werden“ könnte vom Vaterunser und es für ihn das „allerbeste Gebet“ sei. Von Luther können wir uns begeistern lassen für dieses Gebet. Weil das Vaterunser ein Gebet ist, das wir nicht selber formulieren müssen, sondern vielleicht sogar auswendig können, bietet es eine große Chance. Vielleicht hat die eine oder der andere schon Situationen erlebt, in denen einem die Worte zum Beten fehlen. Weil man so sorgenvoll oder traurig ist und einfach keine Kraft mehr hat zum Beten. Oder weil uns die eigenen Worte so leer und hohl vorkommen. Dann tut es gut, ein vorformuliertes Gebet zu haben, in das wir alles hineinlegen können, was uns bewegt. Da muss ich nicht mehr selber Worte finden, sondern kann mich sozusagen in die alten Worte einhüllen, die schon Tausende von Menschen vor mir gebetet haben. Gewiss kann das Vaterunser zur Leier werden, doch bewusst gebetet entfalten seine Worte eine Kraft, die den Beter tragen kann. Geben wir dem Vaterunser eine Chance, zu unserem Gebet zu werden!
Ideen für eine Gruppenstunde rund ums Vaterunser
Wahrscheinlich werden die Jugendlichen das Vaterunser aus dem Religionsunterricht oder dem Konfirmandenunterricht kennen, vielleicht sogar auswendig beten können. Ob sie etwas mit diesem Gebet anfangen können, ist eine ganz andere Frage. Wirklich genial wäre es, wenn die Jugendlichen merken würden, dass das Vaterunser ein Gebet fürs Leben ist.

Einstieg

Material: Lied: „Schick dein Gebet zum Himmel“ von Beatbetrieb (als Download im Internet zu finden)

Beginnen könnte man mit dem Lied „Schick dein Gebet zum Himmel“ von der Band „Beatbetrieb“. Für mich wäre diese Aufforderung „Schick dein Gebet zum Himmel“ so etwas wie der rote Faden, der sich durch die gesamte Gruppenstunde zieht. Denn es geht ja ums Beten oder besser gesagt: Es geht darum, wie wir beten können und was Jesus darüber denkt.

Das Vaterunser und ich

Material: Ein Plakat: „Ja“, ein Plakat „Nein“ Statements

In einer sogenannten „soziometrischen Übung“ zeigen die Jugendlichen, welche Beziehung sie zum Vaterunser haben und was sie über dieses Gebet denken. Dies funktioniert folgendermaßen: Im Raum werden an einer gedachten Linie auf dem Boden zwei beschriftete Plakate verteilt: Links steht „Ja“, rechts steht „Nein“. Den Jugendlichen werden nun Statements vorgelesen und sie stellen sich auf der Linie an einen Punkt je nachdem, ob sie diesem Statement zustimmen können oder zumindest eher zustimmen, eher nicht oder überhaupt nicht. Es werden dann jedesmal ein oder zwei Jugendliche kurz interviewt, warum sie sich gerade an diesen Punkt der Linie gestellt haben.

Mögliche Statements:

  • Ich kann das Vaterunser auswendig.
  • Ich bete das Vaterunser einmal oder mehr als einmal in der Woche.
  • Das Vaterunser ist für mich ein wichtiges Gebet. Ich kann das Vaterunser (oder zumindest einen Teil) in einer fremden Sprache beten.
  • Ich finde es wichtig, dass das Vaterunser im Gottesdienst gebetet wird.
  • Das Vaterunser leiern doch eh die meisten Menschen nur runter.
  • Das Vaterunser ist ein völlig veraltetes Gebet, das keiner mehr versteht.
  • Ich kenne jemanden, dem das Vaterunser sehr wichtig ist.

Das Vaterunser – ein Gebet, das ich verstehe?

Material: 8 DIN A3-Plakate mit je einer Vaterunser-Bitte

Im Raum werden DIN A3-Plakate aufgehängt, auf denen jeweils eine Bitte des Vaterunser notiert ist. Während nun noch einmal das Lied von Beatbetrieb läuft, haben die Jugendlichen die Möglichkeit, zu jedem Plakat Aussagen, Fragen oder einfach ihre Meinung dazuzuschreiben. Anschließend werden die Plakate gemeinsam angeschaut und evtl. kurz ausgewertet (für die Gruppenleiterin oder den Gruppenleiter sind diese Aussagen der Jugendlichen insofern hilfreich, um auszuloten, was die Jugendlichen am Vaterunser interessiert).

Das Vaterunser im Gespräch

In Gruppen werden nun die einzelnen Bitten des Vaterunser in den Blick genommen. Es ist wahrscheinlich am besten, wenn die Jugendlichen selber auswählen, mit welcher Bitte bzw. mit welchen Bitten sie sich beschäftigen möchten:

Anregungen zum Gespräch in der Gruppe:

  • Kurzes Gespräch darüber, was die Jugendlichen über die jeweilige Bitte denken, was sie interessiert, welche Fragen sie haben (hier kann nochmal auf die Plakate Bezug genommen werden).
  • Die Bitten könnten ins heutige Deutsch übertragen werden, um dann zu überlegen, was sie mit unserem Leben zu tun haben.
  • Jede Gruppe kann das, was sie besprochen haben, noch kreativ darstellen, indem sie eine kurze Theaterszene zu ihrer Bitte entwirft oder ein Standbild darstellt, das dann mit der Digitalkamera fotographiert wird (aus den Fotos könnte dann eine Vaterunser-Collage entstehen, die im Gemeindehaus aufgehängt wird).

Vaterunser-Spiel

Material: Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel, Aufgaben (siehe Druckvorlage) in Briefumschlägen

Nach so viel Denken und kreativ Sein können die Jugendlichen in einem Spiel testen, wie gut sie das Vaterunser kennen. Das Spiel ist als Hausspiel konzipiert und lehnt sich an „Mensch, ärgere dich nicht“ an. Vier Gruppen treten gegeneinander an. Als Spielplan dient ein Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel. Ziel ist es natürlich, am schnellsten alle vier Spielfiguren in Sicherheit zu bringen. Zusätzlich zu den normalen Spielregeln gelten folgende Regeln: Bei jeder „6“ muss die Gruppe eine Nummer mit einer entsprechenden Aufgabe suchen, die im Haus (oder auch im Freien) versteckt ist. Die Gruppe muss dann zurück zur Spielleitung und dort ihre Aufgabe erfüllen. Erst, wenn sie die Aufgabe erfüllt hat, darf der Spielzug durchgeführt werden. Auch, wenn die Spielfiguren zweier Gruppen auf demselben Feld zusammentreffen, muss eine Aufgabe gesucht und erfüllt werden. Die Spielfigur derjenigen Gruppe, die schneller ist bei der Suche und der Erfüllung der Aufgabe, darf auf dem Feld stehenbleiben.

Andacht

Eine kurze Andacht (evtl. noch einmal auf das Lied von Beatbetrieb Bezug nehmen) und ein Vaterunser kann die Gruppenstunde beschließen. Möglich wäre auch, den inzwischen wahrscheinlich ziemlich bekannten Text „Unterbrich mich nicht“ zu lesen oder vorzuspielen. Hier wird eine Unterhaltung zwischen Gott und einem Menschen, der gerade das Vaterunser betet, geschildert. Dieser fiktive Dialog ist z. B. im Kursbuch Konfirmation, S. 115 abgedruckt, das man sicher im Pfarramt ausleihen kann.

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