Jesus glaubwürdig bezeugen – auch unter Druck

1. Erklärungen zum Text

Paulus muss in der dritten von insgesamt fünf verschiedenen Gerichtsverhandlungen (Apg 21–25) Rede und Antwort stehen. Mal sind es öffentliche Foren, mal religiöse, mal staatliche Organe.

V.1-9: Anklage Für den Zusammenhang ist 23,12 ff. wichtig. Nachdem Paulus in Sicherheit gebracht worden war, beraumt der Statthalter Felix eine Verhandlung an. Cäsarea ist die Hauptstadt der römischen Provinz Judäa. Die Beteiligten der Verhandlung:

Felix herrschte als Statthalter von 52 n. Chr. für ca. acht Jahre. Seinem Bruder Pallas verdankte er wohl die Ernennung, denn der war am Hof der Kaiser Klaudius und Nero einflussreich und beliebt. Felix war ein freigelassener ehemaliger Sklave. Trotz seiner Herkunft war er skrupellos in der Machtausübung und ließ jüdische Aufstände brutal niederschlagen. Der römische Historiker Tacitus schrieb wenig später über ihn: „Er übt die Macht eines Königs mit der Gesinnung eines Sklaven aus“.

Tertullus war beruflicher Anwalt und erfahren in der Prozessführung. Er kannte sich im römischen und im jüdischen Rechtswesen gleichermaßen aus. Hier vertrat er die Interessen von „Hohepriester Hananias mit einigen Ältesten“: Sie sind Mitglieder des Hohen Rates und damit Vertreter der höchsten religiösen Instanz Israels.

Paulus war römischer Staatsbürger, Jude und „im Auftrag des Herrn unterwegs“. Er hatte keinen Anwalt dabei, wenn man mal davon absieht, dass der Heilige Geist von Jesus auch griech. „Paraklätos“ = Beistand, Anwalt, Tröster, Fürsprecher genannt wird (vgl. Joh 14,16).

Tertullus Schmeicheleien („Frieden, Fürsorge, Dankbarkeit“) stehen im starken Kontrast zur Realität (repressives System, Verachtung der Juden). Drei Anschuldigungen gegen Paulus trägt er so vor, dass deutlich wird: sie betreffen das römische Recht und nicht nur religiöse Befindlichkeiten:

a) Paulus stifte Unruhe, zettele Aufstände an und bedrohe den Frieden der römischen Provinz.

b) Paulus sei als Anführer der Nazoräer-Sekte Staatsfeind, denn dieser Jesus (so der unterschwellige Vorwurf) war der Konspiration gegen den Kaiser verdächtig und verurteilt worden.

c) Versuchte Tempelentweihung; da die Tempelanlagen unter römischem Schutz standen, war hier auch die innere Sicherheit in Gefahr.

V.10-21: Paulus verteidigt sich selbst und bekennt seinen Glauben an Jesus. Paulus eröffnet weniger einschmeichelnd als sein Vorredner und weist dann alle Anklagepunkte Schritt für Schritt zurück. Dabei macht er deutlich, dass das Christentum eben keine jüdische Sekte ist, sondern der eigentliche „Weg“ im Judentum. Indem sich Paulus als Christ bekennt, bekennt er sich als treuer Jude und untermauert das durch Hinweise auf zentrale jüdische Glaubensaussagen. Nichts davon sei staatsgefährdend oder sicherheitsbedrohlich. Mit dem Verweis auf die fehlenden Zeugen (V.19) spricht Paulus einen schwerwiegenden Verstoß gegen das römische Recht an. Er verteidigt sich sachlich, argumentiert klar in der Sache und greift niemanden an.

2. Bedeutung für heute

Die spezielle Situation des Paulus scheint weit weg zu sein von unserem Alltag. Für den eigenen Glauben vor Gerichte gezerrt zu werden, ist in Deutschland – Gott sei Dank – unüblich. Aber wahrscheinlich hat das jeder schon erlebt: Angriffe auf eigene Verhaltensweisen und Positionen, heftige Kritik, das Gefühl ausgeliefert zu sein, die Ohnmacht, wenn ungerechtfertigte Vorwürfe im Raum stehen. Opfer von Gerüchteküche und Hasstiraden können ein Lied davon singen, was es heißt, im „Rampenlicht der Anklage“ zu stehen.

Für Paulus ging es nicht nur um den Angriff auf seine Person oder seine persönliche Freiheit. Für ihn (und wohl auch für Lukas, den Autor) stand die Zukunft und Glaubwürdigkeit des Evangeliums auf dem Spiel. Dafür kämpft er gegen große und mächtige Gegner und verlässt sich einzig und allein auf die Wahrheit und darauf, dass Jesus ihm treu und verlässlich zur Seite steht und zum Ziel bringt (sehr wichtig: Apg 23,11!).

Wie können wir heute „unerschrocken“ (V.10) Jesus bezeugen? Was lernen wir von Paulus?

2.1 Gelassenheit

  • Sich nicht sofort persönlich angegriffen fühlen! Es mag vorkommen, dass wir tatsächlich wegen unseres Glaubens frontal angegriffen werden. Wir können aber auch vermuten, dass hinter steilen Thesen oder (manchmal provozierenden) Fragen zu Kirche und Glauben echtes Interesse an unserer Meinung steht. Eine doppelte Chance tut sich dann auf: Ich erfahre evtl. mehr über die Hoffnungen meines Gegenübers. Und ich kann selbst bezeugen, was mir der Glaube bedeutet.
  • Gut zuhören. Paulus konnte deshalb Schritt für Schritt die Vorwürfe entkräften, weil er genau hingehört hatte. Zuhören ist auch eine Gelassenheitsübung: Ich löse mich von allen Ambitionen, was ich meinem Gesprächspartner eigentlich alles erzählen müsste. Zuhören äußert sich in echtem Interesse und gutem Nachfragen.
  • Gott vertrauen. Selten hängt es an uns, ob das Evangelium zum Ziel kommt. Wir dürfen wach sein für Gelegenheiten, aber auch gelassen sein im Hinblick auf den „Erfolg“ unseres Bekennens.
  • Schüchternheit oder Scheitern sind für Gott kein Hindernis. Vielleicht ist uns der leugnende Petrus (Lk 22,54 ff.) manchmal näher als der aneckende Paulus. So oder so dürfen wir immer wieder neu anfangen und es wagen, jeder auf seine Weise.

2.2 Mut

  • „Wer vor Gott kniet, kann vor Menschen aufrecht stehen“, sagte mal jemand. Nicht nur bei Paulus finden wir die gesunde Mischung aus Anbetung des Heiligen und Unerschrockenheit vor Menschen (z. B. Dan 2).
  • Wir können nur gewinnen! Und zwar nicht, weil wir in einer Debatte das letzte Wort hatten, sondern an Erfahrung, wenn wir unsere Komfortzone verlassen und etwas riskieren.

3. Methodik für die Gruppe

3.1 Einstieg

Meinungslinie a/b: Alle stellen sich in einer Reihe hintereinander auf und treten jeweils nach rechts oder nach links raus – je nachdem, wie die Antwort passt (das muss der Leiter jeweils genau anzeigen):

  • Hass-Spam müssten stärker verfolgt und geahndet werden – ja / nein
  • Ich mag gern vor vielen Leuten reden / nicht so gern
  • Ich wurde schon mal zu Unrecht angegriffen – ja / nein
  • Ich bin eher nachgiebig / ich bin eher standhaft
  • Mit Kritik kann ich gut umgehen – ja / nein

Alternativ: Das Lied „Die Behauptung“ von den Toten Hosen einspielen – dann überleiten

3.2 Bibelgespräch

  • Gegebenenfalls Zusammenhang erläutern anhand einer Landkarte: Stationen der Gerichtsverhandlungen
  • Bibeltext (evtl. in verteilten Rollen) lesen.
  • Bei einer größeren Gruppe Kleingruppen einteilen. Mögliche Fragen für ein Bibelgespräch könnten sein:
  1. Was denkt ihr, wie sich Paulus in dem ganzen Verfahren fühlt? Fallen euch vergleichbare Fälle ein (unschuldig inhaftierte Journalisten …)?
  2. Habt ihr schon mal Ähnliches erlebt bzw. empfunden (ohnmächtig einer falschen Anschuldigung ausgeliefert / angegriffen, weil ihr klar Position bezogen habt / angefeindet oder verspottet, weil ihr an Jesus glaubt …)?
  3. Wie argumentiert Tertullus? Was genau sind seine Anklagepunkte?
  4. Wie verteidigt sich Paulus? Was genau entgegnet er?
  5. Was beeindruckt oder befremdet euch bei Paulus?
  6. Wovon lasst ihr euch konkret inspirieren?
  7. Lest Apostelgeschichte 23,11 – Welche Rolle spielte dieses Erlebnis wohl für Paulus? Wo wünscht ihr euch eine ähnlich klare Ermutigung von Gott?
  8. „Wer vor Gott kniet, kann vor Menschen aufrecht stehen.“ Diskutiert diesen Satz.
  9. Tragt vom Text und von euren eigenen Erfahrungen her zusammen, was helfen könnte, Jesus heute „unerschrocken“ (V.10) zu bezeugen?
  10. Stellt eine Erkenntnis zu Punkt 9 in einem Standbild dar und lasst die anderen später im Plenum raten, was es ist. Erläutert es dann (z. B. gut zuhören). Im Anschluss eventuell im Plenum die Standbilder vorführen und erraten lassen.
  11. Kurzer inhaltlicher Abschluss als Mutmacher: Gelassenheit und Mut (evtl. Bezug zu 1. Petr 3,13 ff.).

3.3 Gebet

Dabei auch für verfolgte Christen, für zu Unrecht inhaftierte Menschen, aber auch für politische Verantwortungsträger beten – z. B. als Kerzengebet mit laut formulierten oder stummen Anliegen.

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