Freier Gefangener und gefangene Freie

1. Erklärungen zum Text

Verkauft und verschleppt nach Ägypten. Sklave eines Staatsbeamten. Dann definitiv zu unrecht ins Gefängnis geworfen. Endlich raus und zum zweitmächtigsten Mann des Landes erklärt. Josef, der Israelit. Allein in der Fremde, Sklave, Gefangener, und schließlich Vizepharao. Und wer hatte das zu verantworten? Seine Brüder! Das Verhältnis zu seinen Brüdern war nie besonders gut. Josef, zweitjüngster von 12 Brüdern, Lieblingssohn des Vaters. Er wurde bevorzugt und verwöhnt. Dazu kamen seine merkwürdigen Träume, in denen seine Familie sich vor ihm verneigte. Die Spannung stieg. Als Josef eines Tages im Auftrag des Vaters seine Brüder aufsuchte, die die Schafe hüteten, ergriffen sie die Gelegenheit und warfen Josef in eine Grube. Eigentlich wollten sie ihn umbringen, doch da kam eine Karawane vorbei und sie verkauften ihn, den verwöhnten Liebling des Vaters. Das schöne Leben war vorbei, von heute auf morgen. Jetzt wurde er gehandelt als Ware, wurde Sklave in der Fremde. Ein neues Land, andere Kultur, fremde Sprache. Und er, Josef, alleine.

Wie fühlt sich Josef wohl?
Was denkt er über seine Brüder?


Vielleicht war es nicht richtig, wie er sich in seiner Familie verhalten hatte. Aber was seine Brüder ihm antaten – sie brachten ihn nicht um, aber dennoch nahmen sie ihm das Leben. Sie sind verantwortlich. Die Jahre gehen dahin. Inzwischen wurde Josef Vizepharao. Seine Aufgabe: Das Land durch die Hungersnot bringen. Auch in seiner Heimat herrscht Hunger. Seine Brüder kommen nach Ägypten, um Getreide zu kaufen. Sie stehen vor Josef, aber erkennen ihn nicht.

Nach zwanzig Jahren begegnet Josef seinen Brüdern. Was geht ihm wohl durch den Kopf? Wie soll er sich verhalten?


Josef gibt sich nicht zu erkennen. Er prüft seine Brüder, um zu sehen, ob sie sich gebessert haben. Scheinbar haben sie es. Beim zweiten Besuch outet er sich. Hier stehen nun seine Brüder vor ihm, die ihn nach Ägypten verkauft haben. Josef denkt an die Träume. Er vergibt seinen Brüdern, küsst sie, weint mit ihnen, umarmt sie und sie erzählen einander. Dann schickt er sie zurück zum Vater, um ihn zu holen. Die ganze Sippe zieht nach Ägypten. Endlich hat Josef wieder seine Familie. Das Drama scheint zu Ende. Da stirbt der Vater. Auf einmal kommt bei den Brüdern die Schuld aufs Neue hoch, 30 Jahre nachdem sie Josef verkauft haben. Warum? In der damaligen Kultur war es üblich, gewisse Geschwisterkonflikte erst nach dem Tod der Eltern auszutragen.

Was befürchten wohl die Brüder?
Wovor hatten die Brüder wohl am meisten Angst?
Was erhoffen sie sich wohl von dieser Begegnung mit Josef?

2. Bedeutung für heute

Was die Brüder Josef angetan haben, war Unrecht! Sie haben ihm äußerlich und innerlich Schaden zugefügt.

Wie ging Josef damit um?


An keiner Stelle lesen wir darüber, dass Josef klagte. Er hätte Grund gehabt. Dreimal wird in der Josefgeschichte erwähnt, dass Gott mit ihm war (1. Mose 39,2-3,21,23). Josef hatte Erfolg in den Aufgaben, die er tat, und die Menschen um ihn herum erkannten, dass Gott mit ihm war. Nicht nur sie, Josef selbst wusste es auch und deutete darauf hin (1. Mose 39,9; 40,8). Das Leid, dass er erfuhr, trennte ihn nicht von seinem Gott. Er vertraute ihm.

Welche Rolle spielte Gott für Josef, als es darum ging, seinen Brüdern zu vergeben?

In 1. Mose 41,51-52 gibt Josef seinen Söhnen die Namen Manasse („der vergessen macht“) und Ephraim („doppelte Fruchtbarkeit“). Hier zeigen sich bereits erste Früchte der Vergebung. Durch die Beziehung zu Gott konnte Josef das Unrecht, dass ihm angetan wurde, loslassen und das Gute, das daraus gewachsen ist, erkennen. Als er sich vor seinen Brüdern outete, sah er bereits Gottes Wirken in der Gesamtsituation (1. Mose 45,5-8). Josef konnte das Unrecht abgeben und seinen Brüdern vergeben, weil er erkannte, dass Gott durch ihn sein Volk retten würde. 1. Mose 50,20 ist praktisch die rückblickende Zusammenfassung von Josefs Leben. Das Vergebenkönnen hat ihn frei gemacht und dazu befähigt, seine Familie zu retten und sich nicht zu rächen. Aber auch seine Brüder werden durch die Vergebung frei. Sie leiden unter Angst. Vielleicht auch unter Schuldgefühlen. Josef setzt ein Zeichen seiner Vergebung, indem er den Brüdern gut zuredet und ihnen zusagt, sie zu versorgen. So können die Brüder sicher sein, dass Josef ihnen vergibt. Sie können ihre – nun unbegründete – Angst beiseite legen. Sie werden frei.

Die Situation von Josef werden wir nicht verstehen können. Dennoch weiß jeder von uns, wie es sich anfühlt, wenn uns Unrecht geschieht, wenn Menschen uns etwas antun, wenn sie uns gegenüber schuldig werden. Wir wissen, was es bedeutet, verletzt zu sein – die einen mehr, die anderen weniger. Im Laufe unseres Lebens kommen immer mehr solcher Situationen zusammen.

Wie gehen wir damit um?
Wie kann Josef uns zum Vorbild werden?

Es geht beim Vergeben nicht darum, alles zu ertragen. Wo Dinge geklärt werden können, da sollte dies getan werden. Wo Wiedergutmachung möglich ist, sollte sie stattfinden. Verstehen kann Vergebung ermöglichen. Josef verstand, dass durch ihn sein ganzes Volk gerettet werden konnte. Wissen über Hintergründe einer Person kann helfen, ihr Verhalten zu vergeben. Manchmal hilft es, sich seine eigene Schuld bewusst zu machen. Das relativiert die Schuld des anderen. Trotzdem bleiben zahlreiche Situationen, die nicht so einfach wieder gut zu machen sind oder erklärt werden können. Hier haben wir von Gott ein riesiges Geschenk empfangen. Wir dürfen das, was uns verletzt, an ihn weitergeben. Wenn wir vergeben, dann sprechen wir den anderen frei von seiner Schuld und entlasten ihn. Wenn wir vergeben, werden vor allem aber wir frei von den Schmerzen der Verletzung, weil sie heilen können.

3. Methodik für die Gruppe

3.1 Bildkärtchen ordnen

Etwa 20 verschiedene Begriffe zum Thema werden auf einzelne Kärtchen geschrieben. Sie dienen als Einstieg und werden zu Beginn der Stunde von der Gruppe geordnet. Dabei gibt es kein richtig oder falsch. Es geht darum, bestimmte Begriffe durch das Ordnen in Verbindung zu bringen oder Zusammenhänge herzustellen und dadurch die Gedanken auf das Thema zu lenken. (Beispielbegriffe: Vergebung, Freiheit, loslassen, Wut, schuldig, Gedanken, Gefühle, heilen, verstehen, Wiedergutmachung, Gott, Last, traurig, einfordern, rächen, Geschenk, schmerzvoll, relativ, negativ, Angst, Gefängnis, gut, weitergeben, verletzen, verloren, Gewinn). Nach dem Ordnen können die Teilnehmer kurz erläutern, wie sie die Begriffe geordnet haben und warum.

3.2 Bibliodrama

Der Bibeltext wird aus einer gut verständlichen Übersetzung vorgelesen. Die Gruppe versucht sich dabei in die Situation des Textes hineinzudenken. Um das zu ermöglichen, werden zwischen den Versen Fragen zu den Gedanken/ Gefühlen von Personen in der Geschichte gestellt (siehe dazu auch die Fragen in den ersten beiden Punkten der Bibelarbeit „Erklärungen zum Text und Bedeutung für heute“). Die Teilnehmer können aus der Ich-Perspektive mögliche Gedanken/ Gefühle äußern. Da bei unserem Bibelabschnitt die Vorgeschichte sehr wichtig ist, um sich in Josef und seine Brüder hineinversetzen zu können, empfiehlt es sich, sie mit ins Bibliodrama einzubeziehen.

3.3 Persönliche Vertiefung – Fragen zum Text

Zur persönlichen Vertiefung kann eine Zeit der Stille eingeräumt werden, in der sich jeder einzeln mit dem Gehörten auseinandersetzen kann. Folgende Fragen dienen zur Vertiefung:

  • Wo trage ich Verletzungen mit mir, die immer wieder negative Gedanken und Gefühle auslösen?
  • Will ich, dass diese Verletzungen heilen? Will ich sie loslassen und bei Gott abgeben?
  • Was hindert mich daran zu vergeben? Verliere ich etwas dadurch?
  • Was gewinne ich dadurch? Wovon werde ich frei?
  • Wie kann Vergebung in diesem all praktisch aussehen?
  • Wo bin ich selber schuldig geworden und brauche Vergebung?

 3.4 Achluss mit einem Lied

FORGIVENESS von Matthew West fasst die wesentlichen Gedanken zusammen und kann als Abschluss dienen.

Click to access the login or register cheese
Wähle dein Team!

Wähle das Team, für das du jetzt Materialien suchst, oder auf dessen Materialien du zugreifen möchtest.

Du kannst jederzeit oben rechts über das Team-Menü ein anderes Team auswählen.

Wechsel zu deinem Konto