Erkenntnisgewinn

1. Erklärungen zum Text

Wir befinden uns am Ende des Buches Hiob. Der Abschnitt gibt die zweite Antwort Hiobs auf Gottes Rede wieder. Lange hatte er auf eine Reaktion Gottes warten müssen. Alles hat Hiob verloren: seinen Reichtum, seine Familie und seine Gesundheit. Geblieben waren ihm nur Zweifel, Verärgerung und Freunde, die ihm, wie auch seine Frau, Vorwürfe machten und meinten, Gott verteidigen zu müssen (z.B. Kap. 11). Obwohl Hiob an Gott festhalten will (vgl. Hi. 2,10), wirft er ihm doch Willkür vor (Hi. 9,22–35). Er versteht nicht, warum er derartig leiden muss. Für ihn ebenso wie für seine Freunde ist Leid eine Strafe Gottes, die Hiob wegen schweren Sünden auferlegt wird (z.B. Hi. 22,5). Da er sich selbst jedoch für unschuldig hält, wirft er Gott vor, ungerecht zu sein. Er wünscht sich von ihm eine Erklärung. Hiob gerät mit seiner eigenen Logik an seine Grenzen, und die Reden seiner Freunde – die meinen, Gott verteidigen zu können und zu müssen – sind ihm keine Hilfe.

Letztlich stellt sich Gott Hiobs Anschuldigungen, doch ganz anders, als dieser es dachte. Statt einer Erklärung der Umstände macht Gott ihm seine Größe deutlich. Der Mensch Hiob soll Gott über die Ursprünge und Zusammenhänge der Welt belehren (Hi. 38,3 und 40,7). Das ist natürlich nicht möglich. Schnell merkt Hiob, dass er mit seiner Weisheit am Ende ist und Gott nichts antworten kann (Hi. 40,4f). Gottes Macht und seine Gerechtigkeit übersteigen menschliche Vorstellungen und Möglichkeiten bei weitem. Hiob sieht letztlich ein, dass er die ganze Zeit falsch an die Sache herangegangen ist. Er hat über Gott geredet, ohne ihn wirklich zu kennen. Er hat ihn eher als ein Objekt logischer Betrachtungen gesehen als den allmächtigen Schöpfer. Hiob war ein frommer Mann (Hi. 1,1) und hatte sich nicht gegen Gott gestellt. Das Elend, das er durchlebte, hatte seinen Ursprung nicht in einem Fehlverhalten. Doch genau das nahm er an, weil er, genauso wie seine Freunde, von Gott nur „vom Hörensagen“ gehört hatte. Was Hiob wirklich fehlte, war eine echte Beziehung zu Gott. Seine Schuld, die er jetzt bekennt (Hi. 42,6), lag in seiner Überheblichkeit begründet. Er war der Meinung, genau zu wissen, wie sich Gott verhalten muss und hat sich damit selbst über Gott gestellt. Nun erkennt Hiob, dass wirkliche Weisheit nicht heißt, Gott zu erklären, sondern ihn als Schöpfer und Herrn anzunehmen, dessen Möglichkeiten den menschlichen Verstand weit übersteigen.

2. Bedeutung für den heutigen Hörer

Das Grundthema des Buches Hiob, die Frage nach dem Ursprung des Leids und des Umgangs mit ihm, ist hoch aktuell. Die Nachrichten sind immer gut gefüllt mit Berichten über Terrorismus, Kriege, Naturkatastrophen, Flüchtlingsdramas, Hungersnöten, Verkehrsunglücke und ähnlichen Schreckensszenarien. Und auch jeder einzelne erlebt früher oder später leidvolle Momente. Freundschaften und Beziehungen gehen in die Brüche, Krankheiten werfen die Lebensplanung um, Todesfälle stürzen Familien in Trauer, finanzielle Sorgen lähmen. Die Welt ist voller Elend, vor dem niemand wirklich die Augen verschließen kann, weil es einfach zu viel davon gibt. Und das alles scheinbar grundlos und ohne Sinn. Und wie bei Hiob drängt sich auch uns heute die eine Frage auf: Warum?

„Warum lässt Gott dieses ganze Elend und Leid zu? Ist er nicht ein liebender Gott? Er müsste doch eingreifen und seine geliebten Geschöpfe retten! Warum sieht er tatenlos zu?“ Diese sogenannte Theodizeefrage (Rechtfertigung Gottes) beschäftigt Menschen seit Jahrtausenden. Und doch rechtfertigt sich Gott vor uns ebenso wenig wie vor Hiob. Und genauso wie Hiob führt uns die Frage nach dem Warum nicht näher zu Gott. Das Leid ist ein Merkmal der von Gott getrennt lebenden Welt. Er will und wird es beenden, wenn er alles neu macht (Offb. 21, 4f). Bis dahin gilt uns die Zusage, dass Gott auch im Leid anwesend ist. Er wird die Welt nicht in das sorgenfreie Paradies zurückverwandeln, aber er spendet Trost und kann Leid wieder in Freude verwandeln, selbst wenn uns das unmöglich scheint (vgl. Hi. 42,10–17). Er will für uns da sein und wir können uns auf ihn verlassen und ihm zutrauen, dass er uns nicht im völligen Chaos versinken lässt. Was zählt, ist eine echte, lebendige Beziehung zu Gott. Wir können ihm ganz persönlich begegnen, mit ihm ins Gespräch kommen, ihm alle unsere Freuden und Sorgen mitteilen. Er ist in Jesus selbst Mensch geworden und versteht uns in jeder Lebenslage völlig – viel besser, als wir das selbst könnten. Wir können Gott in seiner Größe nicht erfassen, aber wir können ihn in seiner Liebe erfahren.

3. Methodik für die Gruppe

3.1. Einstieg

Zu Beginn bietet sich eine Runde „Nobody is perfect“ an, aber in abgewandelter Form. Die Teilnehmer sollen einen ihnen unbekannten Begriff erklären. Alle bekommen etwas Zeit zum Überlegen und Aufschreiben, dann stellt jeder seine Erklärung vor. Bei großen Gruppen können auch mehrere Freiwillige gegeneinander antreten. Gewonnen hat – im Gegensatz zum Originalspiel – derjenige, der die Bedeutung des Begriffs genau getroffen hat. Je weiter dabei die Fragestellung thematisch bzw. fachlich von der Lebenswelt der Teilnehmer entfernt und je unbekannter der Begriff ist, desto besser. Es sollte deutlich werden, wie schwierig es ist, etwas zu erklären, das man nicht kennt.

3.2. Erster Gesprächsteil

Steigt ins Gespräch ein, indem ihr euch zunächst über das Thema Leid austauscht.

  • Was haltet ihr von den neuesten Elendsmeldungen der Nachrichten?
  • Habt ihr selbst Leidvolles erfahren? Wie seid ihr damit umgegangen?

Sollte der Punkt Theodizee nicht von selbst erwähnt werden, versucht das Gespräch in diese Richtung zu lenken. Es sollte aber nicht an dieser Frage hängen bleiben, sondern zu Hiob überleiten.

Lest dann gemeinsam Hiob 42,1–6. Wie kommt Hiob zu seinen Aussagen? Umreißt dazu kurz seine Situation, indem ihr auf zurückliegende Gruppenstunden zurückgreift oder Hiobs Werdegang, seine Position und die seiner Freunde zur „Warum“-Frage, sowie Gottes Antwort in groben Zügen erläutert.

3.3. Hörensagen

Was meint Hiob damit, dass er Gott nur vom Hörensagen kennt? Um das zu verdeutlichen, bietet sich eine Runde „Stille Post“ an. Auch bei kleinen Gruppen wird der letzte in der Reihe nicht mehr den Satz hören, den der erste eigentlich gesagt hat.

3.4. Zweiter Gesprächsteil

Durch Hörensagen weitergegebene Informationen verfälschen leicht. So hat auch Hiob ungenaue Vorstellungen von Gott. Seine Frömmigkeit entspringt nur der Tradition und nicht auch der persönlichen Beziehung zu Gott. Er meint, Gott genau zu kennen und zu wissen, wie er sich verhalten muss und gerät dadurch mit seinem Glauben in eine Sackgasse.

  • Kennt ihr auch solche auf Hörensagen basierende Frömmigkeit?
  • Wie sieht es mit euren Traditionen aus, kennt ihr deren Ursprung und Bedeutung?
  • Habt ihr vielleicht schon selbst einmal erlebt, dass Gott eure Meinung über ihn oder z.B. auch darüber, „was ein Christ darf“, deutlich zurechtrückt?
  • Wie ist es zu einer solchen Änderung gekommen oder wie kann es zu ihr kommen?

Macht im Gespräch an Hiobs Beispiel deutlich, wie wichtig eine lebendige Verbindung zu Gott für den Glauben ist. Er will Mittel- und Orientierungspunkt sowie Korrektur für unser Leben. sein Er ist kein ferner Gott (Apg. 17,27), sondern stets zum Gespräch bereit. Das zu nutzen lohnt sich. Wir sollten aber auch bereit sein, uns von ihm korrigieren zu lassen. Und wir müssen es aushalten, so wie Hiob auf manche Fragen keine Antwort zu erhalten; vielleicht auch deshalb, weil diese Antwort unseren Verstand ohnehin überfordern würde (V. 3).

3.5. Abschluss

Hiob erhält von Gott die Bestätigung, „recht gesprochen“ zu haben (Hi. 42,7f). Damit sind sowohl sein Schuldbekenntnis als auch seine Zweifel und Kritik im gesamten Buch gemeint. Gott hält es aus, wenn wir Fragen an ihn haben, ihn nicht verstehen und ihn damit konfrontieren. Beschäftigen euch gerade solche Fragen? Tauscht euch darüber aus, schreibt sie auf, bringt sie im Gebet vor Gott und erwartet eine Antwort – die womöglich ganz anders ausfällt, als gedacht.

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