Bye, bye Kuschelklub / Wenn ein neues Gesicht im Teenkreis auftaucht

Ich stelle in meiner Arbeit als Jugendreferent immer wieder fest, dass wir uns schwer damit tun, „neue“ Besucher, z.B. nach einer ich glaub’s-Woche, in unsere Teenkreise zu integrieren. Oft erlebe ich, dass es damit zusammenhängt, dass viele unserer Teens in die gleiche Gemeinde, Schule oder in einen anderen Verein gehen. Man kennt sich gut und der Teenkreis ist ein weiterer Ort, an dem man sich trifft und gemeinsam etwas erlebt, sich austauscht und über Gemeinsamkeiten, wie z.B. die neue Lehrerin, redet. Neue Besucher, die diese Gemeinsamkeiten teilen, haben kaum Probleme, im Teenkreis „anzukommen“. Sie kennen viele und fühlen sich sehr schnell integriert.

Teens, die aus einem anderen Umfeld – ohne viele Gemeinsamkeiten – kommen, fällt es wesentlich schwerer, sich in die Gruppe zu integrieren und sich wohlzufühlen. Woran liegt das? Jede Gruppe, in der wir uns befinden, befindet sich in einer von fünf Gruppenphasen.

Orientierung

Kontakte aufnehmen

Die anderen und der Leiter werden „getestet“ und „erkundet“. Man geht aufeinander zu und prüft, ob es sich lohnt, einander näherzukommen.

In dieser Phase ist es absolut unproblematisch, dass Neue dazustoßen. Man checkt sich gegenseitig noch ab und der Einzelne ist überwiegend an den eigenen Bedürfnissen orientiert.

Strukturbildung

Um Positionen kämpfen

Die Teens proben ihre Rolle, Unsichere werden unter Druck gesetzt. Der Leiter wird nach Stärken und Schwächen getestet. Normen und Regeln entwickeln sich. Hier besteht die Gefahr der frühen Rollenfixierung (Chef, Sündenbock, Außenseiter). Wenn ein Teenager neu in diese Gruppenphase kommt, wird er ähnlich wie der Leiter getestet. In dieser Gruppenphase entwickeln sich schnell Machtkämpfe.

In der Strukturbildung ist es wichtig, dass die Leiter mit ihrer Autorität jedem Teen Sicherheit in der Gruppe vermitteln. Das kann bei verschiedenen Charaktertypen herausfordernd sein. Deshalb gibt es hier eine kleine Hilfe:

1. Der Streiter

Sachlich und ruhig bleiben. Die Gruppe veranlassen, seine Behauptungen zu widerlegen.

2. Der Positive

Ergebnisse zusammenfassen lassen, bewusst ins Gespräch einschalten.

3. Der Alleswisser

Die Gruppe auffordern, zu seinen Behauptungen Stellung zu nehmen.

4. Der Redselige

Taktvoll unterbrechen, Redezeit festlegen.

5. Der Schüchterne

Leichte, direkte Fragen stellen. Sein Selbstbewusstsein stärken.

6. Der Ablehnende

Seine Kenntnisse und Erfahrungen anerkennen.

7. Der Uninteressierte

Nach seiner Arbeit fragen. Beispiele aus seinem Interessengebiet geben.

8. Das „große Tier“

Keine direkte Kritik üben; „ja-aber“-Technik.

9. Der Ausfrager

Seine Fragen an die Gruppe zurückgeben.

Falls das nicht gelingt, wird es schwierig, die Gruppe gegen dominante Teens zu leiten. Wenn es dann dazu kommt, dass ein „Neuer“ dazukommt, liegt es an den dominanten Teens, ob er akzeptiert wird.

In der Strukturbildung entstehen oft folgende Rollen:

Der Gruppenführer

Er hat die Funktion, die Gruppe auf das Gruppenziel hinzuführen und diese zu koordinieren.

Der Beliebte

Er verkörpert die emotionale Seite der Gruppenbedürfnisse. Seine Funktion besteht darin, die Beziehungen zusammenzuhalten.

Der Tüchtige

Er ist weniger beziehungsorientiert, sondern überwiegend zielorientiert. Er verkörpert die sachlichen Bedürfnisse der Gruppe.

Der Mitläufer

Er orientiert sich hauptsächlich an den tonangebenden Rollen in der Gruppe.

Der Opponent

Er hat auch Führungsqualitäten, aber weil er nicht Gruppenführer geworden ist, geht er in die Opposition. Er hat eine besondere Beziehung zum Gruppenführer, weil er diesem unbewusst die Position streitig macht.

Der Sündenbock

Oft löst der Opponent in der Gruppe Aggressionen aus, aber weil er ein „starkes“ Gruppenmitglied ist, richten sich die Aggressionen gegen einen Schwächeren, den Sündenbock.

Der Außenseiter

Er hat keinen bestimmten Platz in der Gruppe. Er kann aber bei entsprechender, der intellektuellen Qualität, mitunter eine Beratungsfunktion übernehmen.

Vertrautheit

„Wir“ – die Gruppe

Die Beziehungen werden stabil, das „Wir-Denken“ beginnt. Man identifiziert sich mit der Gruppe und mit jedem einzelnen Mitglied. Eigeninitiativen werden aufgenommen, einige beginnen, sich zu exponieren (zeigen Stärken und Schwächen).

Differenzierung

Das Interesse erlischt

Die Gruppe hat ihre eigene Identität gefunden, ihr Zusammenhalt ist sehr stark. Die Gruppenmitglieder beginnen, die unterschiedlichen Charaktere in ihren Eigenarten zu akzeptieren und beginnen in zunehmendem Maße, die Bedürfnisse der anderen zu verstehen. Das zunehmende Interesse an Begegnungen mit anderen führt dazu, dass die Begegnung mit Neuem (Personen, Erfordernissen, Situationen) immer weniger als Bedrohung, sondern häufiger als Bereicherung gesehen wird.

In dieser Phase ist es, ähnlich wie bei der Orientierungsphase leicht, für Teens zur Gruppe dazuzukommen.

Ablösung

„Wir“ und die anderen!

Die Gruppenerfahrung ist abgeschlossen (steril und unbeweglich). Die Gruppe strebt auseinander (hat ihr Ziel erreicht). Manchmal fehlen nur neue Ideen. Neue Mitglieder können die Gruppe regenerieren. Das ist allerdings für ganz neue Teens, die noch keinen Kontakt zu einzelnen Personen in der Gruppe hatten, sehr schwer. Es kann allerdings funktionieren, wenn es zwei oder mehrere neue Gesichter sind.

Was bedeutet die viele Theorie für dich als Mitarbeiter in der Praxis?

1. Überlegt als Mitarbeiterteam vor einer Einladeaktion oder Jugendwoche, in welcher Gruppenphase sich euer Kreis befindet und was man tun könnte, um die Gruppe in eine Phase zu bewegen, die es neuen Teens leichter macht, sich zu integrieren. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber man kann darauf hinwirken. Betet für eure Gruppe und für die einzelnen Persönlichkeiten.

2. Welche Erwartungshaltung habt ihr als Mitarbeiter und hat eure Gruppe an „Neue“? Macht es zum Thema in den Teenkreisen, wie man auf Teens zugeht, die neu dazukommen. Das kann durch Andachten, Gespräche oder erlebnispädagogische Spiele passieren. Überlegt euch als Gruppe gemeinsam, wie ihr Teens begrüßen wollt, die zum ersten Mal kommen, macht das zu einer Art Ritual. Hilfreich kann es sein, hin und wieder mit der Gruppe den „Blick über den Tellerrand“ zu wagen und mit anderen Teenkreisen etwas zu unternehmen.

3. Gemeinsame Freizeiten oder eine Woche gemeinsamen Lebens kann sehr hilfreich sein, um aus der ersten in die zweite Phase zu kommen. Sucht nach Möglichkeiten bei Spielen etc., wo Kooperation gefragt ist.

4. Versucht euer Programm offen zu gestalten. Vermeidet Insider oder Sprüche wie: „Das Spiel muss ich ja nicht mehr erklären, dass kennen ja alle.“ Geht auch bei den Andachten immer davon aus, dass eure Gruppe einen ganz anderen Stand hat, als neue Teens und das sie schon wissen, was eine Andacht ist.

5. Gebt eurer Gruppe eine Struktur, so das „Neue“ schon beim zweiten Besuch wissen, wie der Hase läuft. So entsteht schnell eine Sicherheit und sie können sich ganz anders auf das Programm einlassen.

Quellen

  • ejw Praxishilfe: Ehrenamtliche fördern in der Jugendarbeit, buch und musik, Stuttgart 2. Auflage 1997
  • Herta Singer: Teamentwicklung, Gütersloher Verlagshaus, 2005
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