Lass mal was lassen – Exnovation als gelebtes Werkzeug

Vielleicht ist dir der Begriff »Exnovation« ja tatsächlich schon mal über den Weg gelaufen, vielleicht kannst du mit dem Wort aber auch so gar nichts verbinden. Damit wir uns vergewissern, worüber wir hier reden, stelle ich dir mal eine gängige Definition laut Wikipedia vor:

»Exnovation ist in seiner einfachsten Deutung das Gegenteil von Innovation. Durch Exnovation werden […] ProzessePraktiken […]die getestet und bestätigt wurden, aber nicht mehr wirksam sind oder nicht mehr mit der Strategie übereinstimmen, abgeschafft bzw. zurückgenommen.« Als Beispiele werden hier z. B. VHS-Kassetten als Vorläufer von DVDs oder Tonkassetten als Vorgänger der CD aufgeführt.

Es geht also darum, bestimmte Dinge nicht mehr zu tun, wenn man merkt, dass sie

  1. nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen,
  2. nicht mehr zur Firmenphilosophie passen oder
  3. nicht länger wirtschaftlich sind.

Das erscheint ja auch total klug und sinnvoll zu sein, oder? So hat z. B. der Wursthersteller Rügenwalder Mühle, den es schon seit 1834 gibt, bereits 2014 angefangen, auf den wachsenden Bedarf an vegetarischen und veganen Produkten zu reagieren. Dabei hat er sich, um alles stemmen zu können, zunehmend von der Herstellung klassischer Wurstprodukte verabschiedet, um mehr Ressourcen für alternative, fleischfreie Produkte zu haben. Davon gibt es mittlerweile doppelt so viele wie von den fleischhaltigen.

Exnovation bei »Kirche«

Erlebst du so etwas auch bei »Kirche«, bei dir in deiner Gemeinde, EC oder CVJM? Wir merken es ja an allen möglichen Stellen, dass das »Schiff, das sich Gemeinde nennt« nicht erst seit kurzem in stürmischen Gewässern unterwegs und mitunter heftigem Gegenwind ausgesetzt ist. Die Gemeindezahlen gehen runter, die Gelder werden knapp, die Gottesdienste werden schlechter besucht, die Zahl der Ehrenamtlichen sinkt, die Gruppen und Kreise schrumpfen oder werden eingestellt …, man könnte schon Angst um die Kirche Jesu Christi bekommen.

(Hinweis: Wenn es dir so ergeht, kannst du dir eine neue Dosis Hoffnung in unserem Artikel »Hat die Kirche Zukunft« anlesen 😉

Was aber schwerer wiegen sollte als die Angst um die Zukunft, ist die Sorge um die Gegenwart der Kirche.

Denn wie reagieren viele Menschen auf diese Situation – wenn sie sich denn überhaupt damit beschäftigen und nicht einfach nur den Kopf in den Sand stecken wie Vogel Strauß, frei nach dem Motto: »Wenn ich es nicht sehe, passiert es auch nicht«?

Häufig geht es in der Reaktion dann darum, etwas Neues zu entwickeln: neue Ideen, neue Konzepte, neue Angebote, die dann wieder neue Gemeindeglieder in die Statistik und mehr Leben in die Häuser bringen sollen. Was dabei aber in der Regel nicht bedacht wird: Es fehlen die Mitarbeitenden, die räumlichen, zeitlichen oder auch finanziellen Ressourcen, solche »neuen Dinge« auch tatsächlich anzugehen und umzusetzen – alleine aus dem Grund, weil man von den bereits bestehenden Angeboten häufig keine aufgeben will.

Ich kenne z. B. mehr Gemeinden, die neben dem altbekannten und von immer weniger Gemeindegliedern geliebten 0815-Agende-1-Sonntagsgottesdienst um 10.00 Uhr immer weitere Formate aus dem Boden stampfen und ergänzend anbieten als solche, die das »Flagschiff« des Gemeindelebens mal ernsthaft auf den Prüfstand stellen und gegebenenfalls auch einstellen bzw. ersetzen.

Seien wir doch mal ehrlich: Wen erreichen wir mit diesem Angebot, gemessen an der Zahl derer, die ansonsten im Einzugsgebiet der Gemeinde leben – oder zumindest in anderen Angeboten der Gemeinde auftauchen? Rechtfertigt die Zahl derer, die dort zusammenkommen, den großen Einsatz der finanziellen und zeitlichen Ressourcen derer, die bei einem Gottesdienst mitwirken: Pastor:in, Küster:in, Kirchenmusiker:in und weitere Ehrenamtliche? Oder spart man sich diese Veranstaltung lieber, um allen Mitwirkenden mehr Freiraum zu geben, alternative Ideen zu entwickeln und Gemeinde anders mit Leben zu füllen? Denn darum geht es bei Exnovation: Durch das Aufgeben von Angeboten, die nicht mehr »passen« (im Sinne der oben angesprochenen Kriterien), freie Ressourcen zu gewinnen, die dann neu gefüllt werden können.

Exnovation als Prozess

Wichtig ist hierbei, Exnovation als einen Prozess zu verstehen, der in eine positive Zukunft führen will –  und nicht verwechselt werden darf mit einem »Absägen von unliebsamen Dingen«. Vielleicht hat ja noch jemand einen wildgewordenen Milliardär mit einer Kettensäge vor Augen … SO bitte nicht.

Es soll auch nicht darum gehen, die Arbeit und Verantwortlichkeiten für Aufgaben einfach weiterzuschieben, im Sinne von: »Wenn die Pastorin da keine Zeit mehr für hat, übertragen wir das einfach in ehrenamtliche Hände.“.

Exnovation bedeutet viel mehr, sich strategisch mit den Veränderungen auseinander zu setzen, denen man gegenübersteht (demographischer Wandel, sinkende Mitglieder- und damit Finanzzahlen, zunehmende Entkirchlichung der Gesellschaft etc.) und dann gemeinsam Entscheidungen zu treffen,

damit für die Neuausrichtung Raum, Zeit und Geld zur Verfügung steht. Und eins sollte mittlerweile allen klar sein: Wer keine Entscheidungen trifft, für den entscheiden andere.

Was bedeutet das nun für dich in deiner Gemeinde, in deinem EC oder CVJM?

  • Mach den anderen Mut, sich mit diesem schwierigen Thema zu beschäftigen!
  • Such dir Gleichgesinnte und fangt an.

Es geht ja darum, an dem Prozess möglichst viele Menschen zu beteiligen und »mit auf die Reise« zu nehmen – gerade, wenn es in der Zukunft zu Einschnitten und dem Verlust von Angeboten kommt. Es gibt viele gute Impulse, wie so eine »Reise« gestaltet werden kann. Hinweisen möchte ich dazu an dieser Stelle auf die Blog-Reihe »Spiritualität der Veränderung« von Tobias Faix (www.tobiasfaix.de). Faix erklärt nicht nur einiges an Theorie und Hintergrundwissen zu diesem Thema gut, sondern liefert dazu Ideen und Tools, wie man sich ganz praktisch damit beschäftigen kann – und setzt all das in den Bezug zu dem, der allen Aufbruch und Wandel initiiert : Gott.

Material:

  • Schale, über die Menschen ihre Hände halten dürfen und in der sich Wasser sammeln kann
  • Gießkanne/ Krug zum Wassergießen
  • ggfs. Handtücher

Diesen Segen könnt ihr im Rahmen einer Segensstation bei einer Aktiv-Zeit nutzen. Dabei können einzelne Familien oder Einzelpersonen gesegnet werden. Wenn möglich, kann der Segen auch noch individuell in den Worten angepasst werden.

Einleitung: Bei diesem Segen werde ich dir/euch gute Worte/Wünsche zusprechen in der Hoffnung, dass ihr damit von Gott beschenkt werdet. Dabei gieße ich Wasser über eure Hände. Wenn das für euch so in Ordnung ist, dann halte/t doch gern eure Hände über diese Schale.

Segensworte

Gott segne dich.

Wasser über die Hände gießen.

Gott segne dich damit, dass so wie Blüten durch frisches Wasser wachsen, Ideen, Träume, Wünsche in dir wachsen dürfen.

Wasser über die Hände gießen.

Gott segne dich damit, dass du in diesem wilden Fluss, dem das Leben manchmal auch gleicht und indem man manchmal ganz schön nass wird, du immer wieder Menschen hast, die dir gut tun, die dich wärmen, die dir trockene Kleidung schenken.

Wasser über die Hände gießen.

Gott segne dich damit, dass dann – wenn Regen ausbleibt und wenn es trocken wird, wenn es droht, zu verblühen – dass dann in dir wie ein innerer Segensregen gespeichert ist, der dir immer wieder neue Kraft, neue Liebe, neue Motivation schenkt.

Nun dürfen die Gesegneten sich mit der nassen Hand ein Kreuz auf die Stirn malen.

Es segne dich Gott, der wie Vater und Mutter ist, Jesus und die heilige Geistkraft. Amen.

Hier könnt ihr euch den Gießkannen-Segen als Stationsbeschreibung herunterladen:

Wer sich mit den Ergebnissen der ForuM-Studie beschäftigt, wer vielleicht schon eine Grundschulung zur Prävention vor sexualisierter Gewalt besucht hat oder sich aus anderen Gründen darüber informiert, wird feststellen: Wir reden in diesem Kontext möglichst nicht von „Opfern“ – sondern es handelt sich um „Betroffene“. Wir schreiben auch nicht von „sexuellem Missbrauch“ – sondern bezeichnen die Taten als „sexuelle Gewalt“. Warum ist das so? Der Hintergrund ist ganz einfach: weil unsere Sprache Wirklichkeit schafft. Der englische Autor Samuel Johnson hatte es im 18. Jahrhundert so ausgedrückt: „Die Sprache ist die Kleidung der Gedanken“.

Wenn wir im Zusammenhang von sexualisierter Gewalt gegen ein Kind von „sexuellem MISSbrauch“ sprechen würden, biedert sich der Gedanke an, es könne auch eine positive Form eines „sexuellen GEbrauchs“ geben. Dieser Gedanke kann dann daher rühren, dass es in anderen Bereichen sehr wohl eine negative, MISSbräuchliche Handlung als auch eine positive Gebrauchsform gibt. Wir sprechen ja z. B. von der MISSbräuchlichen Nutzung im Sinne einer Alkohol-, Drogen oder Spielsucht, und kennen zugleich die „positiven“ Formen dieser Dinge: z. B. den Alkoholkonsum im Sinne von „Genuss“, der Einnahme von Schmerzmitteln im Rahmen einer ärztlichen Therapie oder die Nutzung von Spielekonsolen in einem gesundheitlich stabilen Bereich. Bei sexualisierter Gewalt ist dies aber absolut nicht der Fall, da spricht die Gesetzeslage in Deutschland zum Glück eine deutliche Sprache.

Ähnlich verhält es sich mit dem Bergriff „Opfer“: Häufig wird dieses Wort mit negativen Konnotationen wie Passivität, Fremdbestimmung, Abhängigkeit, Ohnmacht und Hilflosigkeit verbunden und darum von vielen Betroffenen abgelehnt. Sie empfinden den Begriff eher als stigmatisierend, denn sie fühlen sich ja nicht (nur) schwach, hilflos oder ohnmächtig. Das Gegenteil ist der Fall, denn mit den Erfahrungen von sexualisierter Gewalt umzugehen und diese beispielsweise öffentlich zu machen, zeugt von Stärke und Selbstwirksamkeit. Manche Betroffene sprechen von sich in diesem Zusammenhang auch von „Überlebenden“.

Welche Macht Sprache im Übrigen hat, erlebst du im Alltag immer wieder. Das beginnt bei den so genannten „performativen Äußerungen“, die deine erlebte Wirklichkeit durch Worte verändern. Ganz klassisch ist da das „Ja“-Wort beim Standesamt, dass aus zwei Menschen ein EHE-Paar mit einem ganz eigenen rechtlichen Rahmen macht. Ein anderes Beispiel ist die zugesprochene Sündenvergebung bei der Beichte.) Es betrifft aber vor allem die soziale Wirklichkeit der Gesellschaft. Der Schwerpunkt auf der „sozialen Wirklichkeit“ liegt darin begründet, dass ich z. B. nicht einfach über mehr finanzielle Mittel verfüge, einfach weil ich immer wieder davon erzähle, dass ich reich bin.

Die soziale Wirklichkeit wird durch unsere Sprache aber sehr wohl verändert – und darum sollten wir mit unseren Worten auch weise umgehen. So erleben wir zur Zeit auf der einen Seite eine Gender-Debatte, um die geschlechtliche Vielfalt unserer Gesellschaft auch sprachlich auszudrücken und nicht im „generischen Maskulinum“ verschwinden zu lassen (was besonders dann peinlich wird, wenn wir z. B. von pauschal „Grundschullehrern“ sprechen, dabei natürlich auch alle Grundschullehrerinnen einbeziehen und die Lehrkräfte an Grundschulen dabei tatsächlich zu fast 90% weiblich sind und man alleine von dem Verhältnis her eher das „generische Femininum“ hätte nutzen sollen).

Wir erleben dabei viel Ablehnung à la „das ist doch nicht nötig“ und „das haben wir doch immer schon gemacht“ und verkennen dabei die Realität, dass es in unserem Verständnis aus diesen Gründen immer noch eher „Männerberufe“ bzw. „Frauenberufe“ in ihrer Bezeichnung gibt (z. B. Pilot, Maurer, Feuerwehrmann, Krankenschwester, Haushälterin), bei denen wir eher das eine oder andere Geschlecht erwarten – und gleichzeitig keine Bezeichnung für eine männliche Hebamme haben.

Auf der anderen Seite verschiebt sich Stück für Stück die Grenze des Sagbaren im politischen Diskurs in unserem Land, basierend auf vorgeschobenen „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“– oder „nichts darf man mehr sagen“-Argumentationen aus der rechtsnationalen Ecke, die sich aus fehlgeleitetem Wahlkampf-Kalkül auch zunehmend in manchen demokratischen Parteien wiederfinden. Hier sollten wir wachsam bleiben, uns davor hüten, die „Messer-Männer“, „kleinen Paschas“ und „Kopftuch-Mädchen“ als neue Bedrohung in unserem Land anzusehen, sondern es klar benennen und aufzeigen, wenn Menschen versuchen, durch menschenverachtende Sprache, der Reproduktion rassistischer Begriffe und Verdrehung gesellschaftlicher Tatsachen eine Wirklichkeit zu schaffen, in der ein friedliches Miteinander nicht mehr möglich ist.

Was genau sind eigentlich Schutz- und Präventionskonzepte und warum sind sie für die Gemeinde- und Vereinsarbeit so wichtig?

Die neue KON-Einheit »Schutz-Los!« klärt in Themenartikeln kurz und leicht verständlich darüber auf. Sie liefert in praktischen Stundenentwürfen Hilfestellung und wertvolle Tipps, Schutzkonzepte, Verhaltenskodex, Selbstverpflichtungserklärung etc. gemeinsam im Team und mit einer Gruppe für die eigenen Arbeitsbereiche zu erstellen.

Darüberhinaus gibt es Bibelarbeiten zum Thema »Schutz« – wie Jesus selbst sich bei der Gefangennahme gefühlt hat und welche Schutzausrüstung Gott den Menschen gibt, damit sie sich nicht schutzlos fühlen müssen, sondern sich von IHM ausgerüstet und bei IHM geborgen wissen.

Die ForuM-Studie, die von der Evangelischen Kirche Deutschland Ende Januar 2024 veröffentlicht wurde, brachte genau das ans Licht, was bereits von vielen geahnt, gewusst, persönlich leidvoll erfahren und doch auch gezielt von der Institution vertuscht wurde:

  • JA – es gab (und gibt) auch in der Evangelischen Kirche sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern, Jugendlichen und anderen Schutzbefohlenen.
  • JA – auch in der Evangelischen Kirche gab (und gibt) es Strukturen und systemische Bedingungen, die sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch möglich machen und sogar unterstützen.
  • JA – auch in der Evangelischen Kirche muss viel dafür getan werden, präventiv diese Missstände zu beheben und bestmöglich dafür Sorge zu tragen, dass »Kirche« der sichere Schutzraum für Menschen ist, den wir uns für uns selbst, unsere Kinder und alle Schutzbedürftigen wünschen.

Ein Werkzeug, dass dabei als ein erster Schritt auf dem Weg zu ebendiesem SafeSpace gesehen werden kann, ist die Entwicklung und Ausarbeitung eines Schutzkonzeptes. In den Gliedkirchen der EKD wird es von den Landessynoden eingefordert. So muss sich jeder Kirchenkreis mit seinen Einrichtungen und jede Kirchengemeinde mit den je individuellen Risiken und bereits vorhandenen Ressourcen auseinandersetzen, um zu schauen, wo Handlungsbedarf besteht und welches Potential bereits vorhanden ist und sich vielleicht ausbauen lässt. Nur wenn ich mir Gedanken dazu mache, welche Rahmenbedingungen bei uns die Gefahr von Übergriffen und Gewalt erhöhen, kann ich versuchen, rechtzeitig gegenzusteuern. Dabei reichen die Herausforderungen von Raum-Fragen (z. B. »Wer hat einen Schlüssel?«, »Wo gibt es dunkle Ecken?«) über Struktur-Fragen (z. B. »Wer trifft bei uns die Entscheidungen?«, »Welche Möglichkeiten habe ich, Kritik zu äußern?«) bis hin zu Mitarbeiter-Fragen (z. B. »Wer kann bei uns mitarbeiten?«, »Welche Voraussetzungen muss ein Mitarbeiter erfüllen?«). Dass es nicht ausreicht, einfach dem Gedanken »Bei UNS passiert doch so etwas nicht« zu folgen, haben die Erfahrungen der Betroffenen aus der ForuM-Studie sehr bitter und deutlich gezeigt.

Welche Schritte ihr bei euch gehen könnt, um ein eigenes Schutzkonzept zu entwickeln, findest du im Stundenentwurf/Artikel »How to … wie ein Schutzkonzept entsteht«.

Aber kommen wir nochmal zu den Ergebnissen, die uns die ForuM-Studie genau geliefert hat – wobei wir bei einer gezielten Betrachtung schon an dem Wort »genau« scheitern, denn genaue Zahlen liefert die Studie leider nicht. Obwohl die Verantwortlichen bereits Ende 2020 die Arbeit aufgenommen haben, reichten die drei Jahre Forschung nicht aus, um sichere Ergebnisse vorweisen zu können. So geht man aktuell von rund 1.259 Beschuldigten und 2.225 Betroffenen aus, die in dem Zeitraum vom 01. Januar 1946 bis einschließlich 31. Dezember 2020 ermittelt werden konnten. Allerdings wurde bei der Vorstellung der Studie deutlich, dass es sich hierbei lediglich um die Fälle handelt, bei denen die Betroffenen der sexualisierten Gewalt zum Tatzeitpunkt noch minderjährig waren – zum Tatzeitpunkt bereits Erwachsene wurden nicht als Betroffene erfasst. Zum anderen sind im Rahmen der Studie nicht von allen Landeskirchen die im Vorfeld vereinbarten Personalakten zur Untersuchung rechtzeitig zur Verfügung gestellt worden, sondern zum Teil nur die Akten, bei denen es aufgrund von Disziplinarakten einen Anfangsverdacht auf sexualisierte Gewalt gegeben hat. Wie hoch also die Gesamtzahl der betroffenen Personen ist, welche Anzahl von Fällen sexualisierter Gewalt noch im Dunkeln liegen, kann leider nur geschätzt werden. Dieses Dunkelfeld noch weiter zu erforschen, ist ein zukünftiges Projekt.

Doch es soll ja nicht alleine um die Aufarbeitung der Fälle gehen, die es in der Evangelischen Kirche bereist gegeben hat – sondern auch um die Frage, wie sich »Kirche« aufstellen muss, um das Risiko für sexualisierte Gewalt zu minimieren. Dabei ist es, neben der Erstellung eines Schutzkonzeptes unumgänglich, eine Haltung zu diesem Themenfeld zu entwickeln:

  • NICHT länger wegsehen, wenn einem etwas seltsam vorkommt
  • NICHT länger weghören, wenn man über Grenzverletzungen und Übergriffe informiert wird
  • NICHT länger tatenlos bleiben, wenn Unrecht geschieht.

Diese Punkte sind zu lange alltägliches Verhalten gewesen, weil ja nicht sein kann, was nicht sein darf. Der tolle Jugend-Mitarbeiter, der ehrwürdige Pfarrer, … die doch nicht!

Es gibt verschiedene Täterinnen- bzw. Täter-Gruppen, gegen die Beschuldigungen vorgebracht wurden – aber die größte Zahl richtete sich gegen männliche Pastoren. Die hatten (und haben?) kaum ein externes Gegenüber, das auf ihr Tun und Lassen schaut und zugleich alleine durch ihr Amt eine gewisse Macht-Position, die sich nur zu leicht ausnutzen lässt. Jeder Gruppenleiter, jede Diakonin und auch die Küster und Gemeindesekretärinnen können Wege finden, wenn sie zu Täterinnen bzw. Tätern werden wollen. Das muss, so gut es eben geht, verhindert werden – auch wenn es einen hundertprozentigen Schutz wohl nie geben kann.

Es gilt also, hinzuhören, hinzuschauen und zu handeln – sich der Verantwortung zu stellen, die wir für die Menschen übernehmen, die zu uns kommen – egal ob als Teilnehmende unserer Arbeit oder als Mitarbeitende. Es gilt, nicht nur ein Schutzkonzept zu erstellen, sondern vor allem, dieses Konzept im Alltag der Gemeinde, der Gruppe oder des Vereins auch zu leben. Wer sich noch tiefer in die Ergebnisse der ForuM-Studie einlesen möchte, findet alle Informationen zu dem Thema unter www.forum-studie.de.

Alle Organisationen, Gemeinden und Vereine, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, sind seit einigen Jahren bereits gesetzlich dazu verpflichtet, ein eigenes Schutz- & Präventionskonzept zu entwickeln. Solch ein Schutz- und Präventionskonzept will einen sicheren Rahmen schaffen und unsere Gemeinden und Vereine zu sicheren Orten machen, an denen Minderjährige, also schutzbefohlene Menschen, in unseren Gebäuden und bei unseren Angeboten auch geschützt werden – vor sexualisierter und auch vor jeder anderen Form der Gewalt. Selbstverständlich lässt sich ein solches Konzept auch auf alle Menschen der Gemeinde/des Vereins, unabhängig ihres Alters problemlos ausweiten. Schutzkonzepte dienen aber nicht nur dazu, sichere Rahmenbedingungen festzuhalten, sie machen diese auch transparent und nachzulesen für alle. Gleichzeitig geben sie Mitarbeitenden klare Verhaltensregeln an die Hand und somit (Handlungs-)Sicherheit in Situationen, in denen es zu Grenzverletzungen oder Gewalt kommt.


Exkurs: Was bedeutet eigentlich …?

Grenzverletzung:

Von Grenzverletzungen sprechen wir, wenn die persönlichen Grenzen oder Gefühle eines Menschen verletzt oder überschritten werden.

Alle Menschen haben ihre eigenen individuellen Grenzen (z.B. wie viel Nähe möchte ich zulassen?). Deswegen kann auch das Empfinden, wann eine Grenzverletzung stattgefunden hat, Gefühle oder das Schamempfinden eines Menschen verletzt worden sind, sehr unterschiedlich sein. Grenzverletzungen passieren oft ungewollt und unbewusst. Wichtig ist, sie (gemeinsam) zu reflektieren und aufzuarbeiten und dabei natürlich immer die Gefühle und Eindrücke der betroffenen Person ernst zunehmen.

Gewalt und ihre Formen:

Verbale Gewalt:

Gewalt durch Sprache, durch Worte, Beleidigungen, Drohungen usw.

Körperliche Gewalt:

Von körperlicher Gewalt (auch als physische Gewalt bezeichnet) sprechen wir, wenn ein Mensch absichtlich körperlich angegangen wird. Solche Körperverletzungen können herbeigeführt werden u.a. durch Tritte, Schläge, den Einsatz von Waffen oder Gegenständen, um Menschen Schmerzen zuzufügen. Auch körperliche Vernachlässigung zählt zu dieser Art der Gewalt. Und auch psychische Gewalt kann physische Folgen nach sich ziehen.

Psychische Gewalt:

Sie wird auch seelische oder emotionale Gewalt genannt. Diese Art von Gewalt wirkt sich vor allem auf das psychische Wohlbefinden eines Menschen aus. Emotionale Gewalt geschieht z.B. durch:

  • Abwertung und Beschimpfung
  • Ungerechtfertigte Kritik
  • Einschüchterung und Drohung
  • Gezielte Manipulation und Kontrolle
  • Erniedrigung
  • Mobbing
  • Ignorieren oder Ausschließen
  • Emotionale Vernachlässigung
  • Übermäßigen Druck

Sexualisierte Gewalt:

Unter den Begriff der sexualisierten Gewalt fällt jede Form von Gewalt, bei der die Sexualität im Mittelpunkt steht. Sexualisierte Gewalt beginnt z.B. bei sexueller Belästigung mit Worten und weitet sich aus bis hin zu handgreiflichen Übergriffen, nicht einvernehmlichen sexuellen Handlungen und Vergewaltigung.


Ein eigenes Schutzkonzept

Ein eigenes Schutzkonzept zu entwickeln, ist wichtig und auch machbar. Damit das gut läuft und das Konzept wirklich tragfähig wird, sind aber ein paar Dinge zu beachten:

Partizipation

Das fertige Schutzkonzept sollte von der gesamten Gemeinde/dem Verein mitgetragen, gelebt werden. Alle sollten es kennen und auf seine Einhaltung achten. Das gelingt am besten, wenn schon während der Erstellung des Konzept möglichst viele Menschen mit einbezogen werden. So entsteht ein gemeinsames Verständnis und eine gemeinsame Haltung.

Wenn ihr also noch ein Schutzkonzept schreiben wollt oder eures überarbeiten möchtet, dann ladet doch möglichst viele Menschen, Mitarbeitende, Eltern, Teilnehmende dazu ein, mit euch zu denken und zu schreiben. Ihr könnt auch für jeden Schritt, jeden Teil eures Konzepts wieder neue oder weitere Menschen dazu bitten, die eure Arbeit unterstützen.

Außerdem sollte das Schutzkonzept folgende Punkte umfassen:

Risiko- & Potentialanalyse

Während der Risikoanalyse schaut ihr euch eure Gemeinde oder euren Verein genau an. Ihr betrachtet dabei eure Räumlichkeiten und eure Strukturen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen dabei vor allem zwei Fragen:

  1. Welche Strukturen oder Bedingungen könnten mögliche Täter:innen ausnutzen?
  2. Finden betroffene Menschen vor Ort schnell Ansprechpersonen, die sensibilisiert sind, zuhören und helfen können?

Um diese Fragen beantworten zu können, sind die Ansichten und Einschätzungen der Kinder und Jugendlichen, eurer Teilnehmenden unverzichtbar. Um sie zu Wort kommen zu lassen, kann eine Umfrage gut dienen, die ihr online oder als Fragebogen in ausgedruckter Form verteilen könnt. Auf diese Weise könnt ihr alle Menschen, die zu euren Angeboten und in eure Räumlichkeiten kommen, berücksichtigen und fragen, wie sie sich bei euch fühlen.

Wie sicher fühlen sie sich in euren Räumen? Gibt es dort evtl. schlecht einsehbare Ecken, in denen Menschen sich unwohl fühlen könnten?

Wie sicher fühlen sich die Kinder und Jugendlichen während eurer Angebote? Haben sie Vertrauen zu den Mitarbeitenden? Wissen sie, wen sie ansprechen können, wenn sie sich in einer Situation unwohl fühlen?

Diese Analyse bleibt nicht beim Risiko stehen. Das Risiko zu erkennen ist der erste Schritt, aber schaut außerdem auch auf eure Potentiale. Was unternehmt ihr bereits, um Menschen zu schützen? Welche sinnvollen Regeln, Verhaltensweisen und Werte gelten schon bei euch? Welche positiven und schützenden Strukturen sind bei euch installiert, so dass Machtmissbrauch erschwert wird?

Selbstverpflichtungserklärung

In der Selbstverpflichtungserklärung legt ihr eure Werte und Grundsätze für eure Arbeit fest. Diese Erklärung verfasst ihr gemeinsam und unterschreibt sie anschließend am besten als ein Zeichen ihrer Wichtigkeit und Gültigkeit. Ihr verpflichtet euch mit ihr selbst z. B. dazu, respektvoll miteinander umzugehen, zu Offenheit, Toleranz, Wertschätzung oder Friedfertigkeit.

Verhaltenskodex

Die Selbstverpflichtungserklärung liefert den großen Rahmen für alle – der Verhaltenskodex konkrete Handlungsanweisungen passend zu seiner jeweiligen Zielgruppe.

Jede Gruppe und jede Freizeit benötigt ihren eigenen für sie erstellten Verhaltenskodex. Diesen könnt ihr gemeinsam mit den Mitarbeitenden und Teilnehmenden der Angebote schreiben. Es geht darum, ganz konkrete Regeln für diese Gruppe/Freizeit und diese Zielgruppe festzulegen. Auch Kinder können dabei schon sehr gut mitreden und sagen, welche Regeln sie für ihre Angebote wichtig finden.

Solche konkreten Handlungsvorgaben könnten z. B. lauten: Bevor ich während der Freizeit ein Zimmer betrete, klopfe ich an und warte, bis ich hereingebeten werde. Ich gehe nicht allein in fremde Zimmer …

Fortbildungen und Personalverantwortung

Zur Erarbeitung eines Schutzkonzept gehört es auch, sich Gedanken darüber zu machen, wie ihr eure eigenen Mitarbeitenden schulen möchtet.

Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, sollte über ein gewisses Wissen und eine Qualifikation auch im Bereich der (sexualisierten) Gewaltprävention verfügen. Denn Wissen und die regelmäßige Beschäftigung mit diesem Thema schafft Sensibilität und Sicherheit im Umgang damit, um bei einem Verdachtsfall angemessen handeln zu können.

Wann sprecht ihr dieses Thema mit neuen Mitarbeitenden an? Könnt ihr eigene passende Fortbildungen organisieren, in dem ihr z. B. externe Experten als Referentinnen bzw. Referenten einladet? Oder veranstaltet euer Kirchenkreis regelmäßig thematische Fortbildungen, zu denen ihr eure Mitarbeitenden schicken könnt?

Beschwerdemanagement

Zentraler Teil eines Schutzkonzeptes ist auch das sogenannte Beschwerdemanagement – und eine wichtige präventive Maßnahme. Dabei geht es darum, als Verein oder Gemeinde eine gute Struktur zu entwickeln, die es allen Menschen ermöglicht, sicher und niederschwellig auch Bedenken, Kritik oder Unbehagen zu äußern.

Wenn die Menschen wissen, wen sie auch bei diesen Anliegen ansprechen können und dass sie ernst genommen und ihre Anliegen gemeinsam bearbeitet werden, entsteht viel Vertrauen – im Idealfall so viel, dass auch wirklich schwerwiegende Konflikte und Situationen angesprochen werden.

Für ein gelingendes Beschwerdemanagement ist wichtig, dass die Wege der Kommunikation klar und leicht sind. Die Anlaufstellen und -personen müssen bekannt und auf unterschiedlichen Wegen zu erreichen sein (z. B. per Telefon, Mail und zu einer Sprechzeit im Büro). Außerdem versteht sich von selbst, dass alle Beschwerden vertraulich behandelt werden. Darüber hinaus sollten alle Beschwerden und die darauf folgenden Schritte der Bearbeitung dokumentiert werden. Wer eine Beschwerde geäußert hat, sollte außerdem auch transparente Rückmeldung bekommen, wie mit der Beschwerde verfahren wird.

Krisenintervention

Akute Vorfällen von (sexualisierter) Gewalt können leider überall vorkommen – ein gutes Schutz- und Präventionskonzept trägt dazu bei, solche Situationen zu vermeiden bzw. frühzeitig zu erkennen.

Kommt es trotzdem zu einem Vorfall oder Verdachtsfall, benötigt jede Gemeinde, jeder Verein einen Kriseninterventionsplan, also ein Handlungskonzept, das vorschreibt, wie nun agiert wird. Wer muss wann informiert werden? Welche externen Stellen werden einbezogen? Wie wird solch ein Verdachtsfall bearbeitet?

Es geht um ein koordiniertes Vorgehen, um schnelle Hilfe und Unterstützung für die betroffene Person (emotional wie auch rechtlich), um die Einbeziehung von Spezialistinnen bzw. Spezialisten und um Nach- und Aufarbeitung des Vorfalls. Besonders an diesem Punkt müsst ihr euch nicht alle Gedanken allein machen, denn viele Kirchenkreise haben bereits eigene Handlungspläne für Krisensituationen aufgestellt. Daraus ergibt sich oftmals auch für eure Gemeinde oder euren Verein viel, da dort bereits festgelegt ist, wann z. B. Fälle gemeldet und Vertreterinnen bzw. Vertreter des Kirchenkreises mit einbezogen werden müssen.

Aufarbeitung

Kam es zu einem Vorfall, ist die Aufarbeitung und Reflexion wichtig, um zu lernen, um eigene Strukturen weiter zu verbessern und somit den Menschen einen noch sichereren Ort zu bieten.

Hierbei stellt sich die Frage, welche Ursachen und welchen Ablauf der Vorfall hatte. Wie, wann und wo hat er sich ereignet? Welche Maßnahmen können dabei helfen, solche Situationen in Zukunft zu vermeiden?

Weitere wichtige Infos, gute (Begriffs-)Erklärungen zum Thema und Hinweise, worauf du achten und was du bei der Erarbeitung eines Schutzkonzepts bedenken solltest, findest du u.a. hier:

Es ist erst die zweite Stadt, die er auf europäischem Boden besucht und wieder gibt es Ärger. Nachdem der Apostel Paulus auf seiner zweiten Missionsreise schon in Philippi im Gefängnis gelandet war, erwartet ihn im Jahr 50 n. Chr. in der griechischen Hafenstadt Thessalonich die nächste Überraschung.

Auch hier löst das, was Paulus von Jesus erzählt, heftige Reaktionen aus (Apg. 17). Ja, doch… manche beginnen an Jesus zu glauben. Andere aber rotten sich zusammen und wollen Paulus und seinen Mitarbeitern an den Kragen. Die gerade zum Glauben gekommenen Christen von Thessalonich drängen Paulus daraufhin besorgt zur Flucht. Er entkommt in einer Nacht- und Nebelaktion.

Aber wohin Paulus auch weiterzieht, die junge Gemeinde von Thessalonich geht ihm nicht aus dem Kopf. Er will wissen, wie es den Menschen dort geht. Seine Mitarbeiter reisen hin und her. Sie halten ihn auf dem Laufenden. Und so erfährt Paulus, dass die Christen in Thessalonich nach seiner Flucht eine schwere Zeit durchleben. Sie werden von ihren Gegnern in die Enge getrieben. Eine Verfolgungswelle folgt der anderen.

Der frische Glaube der Christen in Thessalonich wird auf eine harte Probe gestellt. Und das nicht nur von außen. Auch intern kommen Fragen auf, die immer drängender werden. Jetzt rächt sich, dass Paulus nicht genug Zeit gehabt hatte, ihnen die Grundlagen einer Christus-Nachfolge ausführlich zu erklären. Die Jesus-Leute in Thessalonich haben Fragen über Fragen. Wie lebt man als Christ? Was ist hilfreich, was nicht? Was ist vom Heiligen Geist – und was führt in eine Sackgasse?

Die Antwort von Paulus ist kurz und prägnant: Prüft alles und be- haltet das Gute.

Das wirkt… schlüssig. Aber wie geht das: „Alles prüfen?“ Wie macht man das bei all den Stimmen, die tagtäglich auf einen eindringen? Was davon ist „das Gute“, was nicht? Und wie soll man das Gute behalten – festhalten?

„Gut…“ sagt Jesus einmal zu einem jungen Mann, „Gut ist niemand, außer dem einen: Gott.“ (Mk 10,18) Wollen wir also herausbekommen, was „gut“ ist mit Blick auf den Glauben, auf unser Leben, und auf das was der Gemeinschaft von Christen dient, dann ist das alles entscheidende Prüfkriterium: Ob es von Gott kommt. Ob etwas in seinem Sinn ist. Ob es ihm entspricht. Seiner Art zu denken, seinem Wollen, seinem Handeln. Und genau das bekommen wir am ehesten heraus, wenn wir uns ansehen, wie Jesus war, wie er gelebt hat und was er gesagt hat. Denn Jesus war kein anderer als der menschgewordene Gott selbst. Es gibt keinen Menschen, keinen Ort auf dieser Welt, kein philosophisches System oder sonst etwas, an dem wir deutlicher ablesen könnten, wie Gott ist, als allein bei Jesus.

So schreibt Paulus also sinngemäß den Thessalonichern: „Prüft alles, was ich oder andere euch sagen darauf, ob es „jesus-gemäß“ ist. Denn daran entscheidet sich, ob es gut oder nicht gut ist. Ob es sich lohnt, daran fest zu halten oder nicht. Und wenn ihr miteinander – die ihr ja von Gott zu einer Gemeinschaft zusammengefügt und erfreulich unterschiedlich begabt worden seid – zu der Überzeugung kommt: Dies oder jenes ist gut, weil es der Art und Weise und der Liebe unseres Gottes entspricht, dann… haltet fröhlich daran fest!

Fragt sich nur… können wir das überhaupt: festhalten? Am Guten festhalten? Schaffen wir das? Haben wir die Kraft dazu? Überfordert uns das nicht in einem so komplizierten Leben, wie dem unseren?

Eindrücklich steht mir eine Filmszene vor Augen, in der ein Mensch an einem Berghang ins Rutschen gekommen war. Er begann zu stürzen und konnte sich im letzten Augenblick noch an einem Felsvorsprung festhalten. Da hing er nun mit seinem ganzen Gewicht an seinen beiden Händen, die sich krampfhaft in den Felsen krallten. Unter ihm der Abgrund. Und jedem war klar: Das hält er nicht lange durch. Selbst als ihm jemand eine Hand entgegenhielt… er hatte nicht mehr die Kraft, die rettende Hand zu fassen. Die Situation schien hoffnungslos. Aber da packte ihn sein Retter am Handgelenk und zog ihn nach oben.

Unser Herr sieht, wenn uns die Kraft nicht reicht, ihm zu vertrauen oder an dem festzuhalten, was gut ist. Doch gerade dann, wenn‘s eng wird, hält er mir nicht nur die Hand hin. Dann hält er mich – mit seiner Kraft – und die reicht, um mich auf sicheren Grund zu ziehen.

Es hat gereicht. Für Paulus und für die jungen Christen in Thessalonich. Und es reicht für uns – für dich und für mich. Darum: Lass uns miteinander alles prüfen und am Guten festhalten. Und sollte uns dabei die eigene Kraft verlassen… keine Sorge. Er hält uns – bei sich. Denn „Gott, der euch beruft, ist treu: Er wird das alles tun.“ (Vers 24)

Der Bibelvers “Prüft alles und behaltet das Gute” öffnet eine Tür zur Freiheit! Denn Gott mutet und traut es uns zu, zu beurteilen, was gut ist für andere und für uns. Welch eine Perspektive für unser Leben: Es kommt darauf an, selber zu denken, zu glauben, zu entscheiden und nicht nur nachzumachen, was andere tun.

Die Andachtssammlung zur Jahreslosung 2025 möchte genau dazu ermutigen: Zu entdecken, was anderen, unserer Welt und uns selbst zum Guten dient! Die Bibelworte, Lieder und Filme, die den Andachten zugrunde liegen, erzählen davon, wie Gott unser Leben mit Sinn und Hoffnung erfüllt. Lass dich herausfordern den guten Gedanken Gottes für dein Leben nachzuspüren und hineinzutreten in einen Raum der Freiheit.

Macht spielt in unserer Welt eine große Rolle, allzu oft wird sie missbraucht und es bleibt ein Gefühl von Machtlosigkeit gegenüber dem Stärkeren.
Im KON-Thema “Von guten Mächten” geht es um gute Mächte, die unterstützen, motivieren und Geborgenheit geben. Stundenentwürfe, Bibelarbeiten und ein Themenartikel für MitarbeiterInnen geben kreative und hilfreiche Impulse für die Gruppe – auch thematisch passend zu Weihnachten (Gottes Macht – ein kleines Kind?), zum Jahresende und zum Beginn des neuen Jahres mit einer Bibelarbeit zur Jahreslosung 2025: “Prüft alles und das Gute behaltet.”

1. Wer waren die ersten Empfänger dieses Schreibens?  

Als die neutestamentlichen Schriften im 2. Jahrhundert gesammelt wurden, gab man diesem Brief den Titel „pros Hebräious“; also „an die Hebräer“. Gemeint sind Menschen jüdischer Herkunft, die da, wo sie wohnen, Fremde sind. Der Titel wurde aus dem Inhalt des Briefes erschlossen. Der Verfasser beschäftigt sich in seinem Schreiben so intensiv mit dem AT und der Auslegung von Texten aus dem AT, dass wir davon ausgehen können, dass die ersten Leser messiasgläubige Juden, Judenchristen gewesen sind. Etliche Hinweise im Brief deuten darauf hin, dass die Empfänger in Italien, höchstwahrscheinlich in Rom zuhause gewesen sind. In Hebräer 13,24 steht: „Viele Grüße sende ich an eure Gemeinden und an alle ihre Leiter. Die Christen aus Italien lassen euch grüßen.“ Wenn die Leser von Christen aus Italien gegrüßt werden, dann legt das den Schluss nahe, dass sie, die ersten Empfänger, in Italien beheimatet sind. Daneben erfahren wir, dass der Brief an mehrere Hausgemeinden adressiert war.  

2. Wer hat den Brief geschrieben? 

Über den Verfasser können wir sagen: „Wer diesen Brief verfasst hat, das weiß in Wahrheit nur Gott.“ Dieses Zitat stammt von Origenes (christlicher Philosoph und Verteidiger des Glaubens). Wir wissen, dass der Verfasser ein sehr gepflegtes Griechisch geschrieben hat. Er muss sehr gebildet und Jude mit griechischer Prägung gewesen sein. Er zitiert das AT in der Art, wie es die Juden in Alexandria in Ägypten getan haben.  

Aber ist der Hebräerbrief überhaupt ein „Brief“? Denn es ist sehr merkwürdig, dass der klassische Briefanfang ganz und gar fehlt. Auch im Verlauf fehlen typische Elemente eines Briefes. In Hebräer 13,22 nennt der Verfasser die Schrift selbst ein „Wort der Ermahnung“, also eine Mahnrede, eine Predigt. Aufgrund des Abschlusses ist das Schreiben dennoch ein Brief. 

3. Was war die Situation der ersten Leser? 

Es gibt etliche frühchristliche, relativ exakt datierbare Schriften, die Inhalte aus dem Hebräerbrief zitieren. Und es gibt im Brief selbst Hinweise auf das Ergehen der Empfänger-Gemeinden. Dies und andere Andeutungen lassen den Rückschluss zu, dass der Brief wahrscheinlich Mitte der 60er Jahre geschrieben wurde. Diese Datierung ist deswegen bedeutsam, weil wir recht gut wissen, wie es den Judenchristen zu der Zeit in Rom erging. Sie waren aufgrund ihres Glaubens zunächst „nur“ Bedrängnissen und Repressalien ausgesetzt. Sie mussten aber immer damit rechnen, dass eine ernste Verfolgung über sie hereinbricht. Das hatte mit folgendem zu tun: Die Juden hatten im Römischen Reich in Sachen Religionsausübung eine Sonderstellung. Ihnen wurde Religionsfreiheit gestattet. Solange die Christen als eine jüdische Gruppe, als jüdische Sekte gegolten haben, war alles kein Problem. Da sich aber die Juden immer deutlicher von den Christen distanzierten, wurde die Lage für die Christen von beiden Seiten sehr prekär: die Juden haben sie verachtet und verfolgt; und der römische Staat hat sie als Unruhestifter im Blick auf den römischen Frieden betrachtet. Die Schwierigkeiten für die Christen wurden immer größer, die Gefahren immer konkreter, die Situation immer prekärer. Da war es naheliegend, sich wieder dem jüdischen Glauben zuzuwenden und von Christus abzufallen. Diese Gefahr sieht der Verfasser des Schreibens, vor ihr warnt er. Denn er beobachtet, dass die Judenchristen in Rom müde, mutlos, träge, unsicher und nachlässig geworden sind. Einige sind drauf und dran, Jesus zu verleugnen und den Glauben an den Nagel zu hängen. Zu dieser krisenhaften Lage kommt noch die Enttäuschung hinzu, dass die verheißene Herrlichkeitsoffenbarung überhaupt nicht sichtbar in Erscheinung tritt. Stattdessen erleben sie immer mehr Drangsale. Die Christen resignieren. Sie erschlaffen im Bemühen um ein Leben aus dem Glauben. Sie passen sich dem welthaften Leben an. Sie sind zu Bürgern der künftigen Herrlichkeit berufen, richten sich aber in dieser Welt wieder ein. Ihnen droht das gleiche Schicksal wie der Wüstengeneration Israels nach dem Auszug aus Ägypten. 

4. Die Botschaft und Antworten des Hebräerbriefes 

4.1 Der Hebräerbrief will Jesus groß machen 

Das geschieht immer im Vergleich zu alttestamentlichen Personen oder Wesen oder Gaben. Das betrifft das Reden Gottes im alten Bund durch die Propheten. Aber das Reden Gottes durch Jesus ist weit besser und dem bisherigen deutlich überlegen, weil Jesus überlegen ist. Weiter geht es damit, dass Jesus größer ist als die Engel, als Mose und als Josua. Die verheißene Ruhe ist in Jesus vollkommen und gesichert. Vor allem aber ist Jesus der eine wahre Hohepriester, der uns nicht im irdischen Heiligtum immer wieder von neuem vertritt, sondern der uns im himmlischen Heiligtum ein für alle Mal die ewig gültige Erlösung erwirkt hat. Darum ist der neue Bund deutlich besser als der erste Bund.  

Das Schlüsselwort im Hebräerbrief lautet: BESSER. Ich benenne die Stichworte und die entsprechenden Bibelstellen. Offenbarung: Hebr 1,1-4; Hoffnung: Hebr 7,19; Priestertum: Hebr 7,20-28; Bund: Hebr 7,22; 8,6; Amt: Hebr 8,6; Verheißung: Hebr 8,6; Ordnung: Hebr 9,10; Opfer: Hebr 9,23; Habe (Besitz): Hebr 10,34; Land: Hebr 11,16; Auferstehung: Hebr 11,35; Vorhaben (Plan): Hebr 11,40; Wirkung des Blutes, das Jesus vergossen hat: Hebr 12,24 

4.2 Jesus ist ein für alle Mal für unsere Sünden gestorben

Das Opfer Jesu für unsere Sünden ist perfekt, vollkommen, für alle Ewigkeit gültig. „Es ist vollbracht!“ Die Botschaft ist die: wenn ihr nicht bei Jesus bleibt, dann tauscht ihr das mit Abstand Beste ein gegen das Vorläufige.  

Wer diesen Jesus und sein Opfer einmal angenommen hat und es dann wieder ganz bewusst und willentlich und voller Überzeugung von sich stößt und mit Füßen tritt, der hat es sich bei Gott für alle Zeiten verscherzt. Hierzu sollten die zwei Mahnungen in Hebr 5,11-6,20 und 10,26-31 ernstgenommen werden.  

4.3 Die Zukunftsperspektive des Glaubens und der Nachfolge  

Es zieht sich wie ein roter Faden durch das Schreiben, dass der Glaube uns eine unüberbietbare Zukunft verspricht. Und diese Hoffnung stärkt das Durchhaltevermögen, in Bedrängnissen und Verfolgungen die Flinte nicht ins Korn zu werfen, sondern sich auf die „zukünftige Stadt“ (13,14) zu freuen. Denn so hat Jesus auch das Leiden und Sterben auf sich genommen und ausgehalten, weil er wusste, dass nach der Schande des Todes eine unendlich große Freude auf ihn wartete. „Wir wollen nicht nach links oder rechts schauen, sondern allein auf Jesus. Er hat uns den Glauben geschenkt und wird ihn bewahren, bis wir am Ziel sind. Weil große Freude auf ihn wartete, erduldete Jesus den Tod am Kreuz und trug die Schande, die damit verbunden war. Jetzt hat er als Sieger den Ehrenplatz an der rechten Seite Gottes eingenommen“ (Hebr 12,2 nach Hfa).  

4.4 Der Glaubensbegriff im Hebräerbrief 

Markant ist, dass der Glaubensbegriff im Hebräerbrief weniger davon spricht, dass wir durch den Glauben Vergebung der Sünden Rechtfertigung vor Gott erlangen. Sondern der Glaube hat vor allem das im Blick, was uns noch erwartet. So sind die beiden großen Kapitel 11 und 12, in denen es um den Glaubensweg im alten Bund und um den Glaubensweg der Christen geht, von dem geprägt, dass die Frommen zukunftsorientiert geglaubt haben. Sie haben im Blick auf die zukünftigen Dinge geglaubt. Und auch die Christen halten an Jesus fest, „weil wir ein unerschütterliches Reich empfangen“ (12,28). Darum ist auch die Glaubensdefinition in Hebr 11,1 sehr sorgfältig zu übersetzen und zu deuten. Die Luther-Übersetzung hat einen fordernden Klang: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Zu oft resultiert aus diesen Worten die Aufforderung, dass Christen einen starken, festen Glauben haben müssen, zuversichtlich sein sollen und nicht zweifeln dürfen. Aber ein genauer Blick in andere Übersetzungen, die den griechischen Ursprungstext besser wiedergeben, ist nötig. Die Elberfelder übersetzt: „Der Glaube aber ist eine Wirklichkeit [Grundlage] dessen, was man hofft, ein Überzeugtsein [Überführtsein] von Dingen, die man nicht sieht.“ Aufschlussreich ist die „Gute Nachricht“: „Glauben heißt Vertrauen, und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen, worauf wir hoffen. Das, was wir jetzt noch nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst.“  

5. Fazit 

Es lohnt sich, dieses Schreiben in großen Zügen zu lesen. Die Überlegenheit Jesu, die vollkommene Erlösung, die er schenkt, das ein für alle Mal gültige Opfer und die Hoffnungsperspektive, die durch Schwierigkeiten hindurchträgt, sind für uns heute wichtig und aktuell. Und: „Das ist die Hauptsache bei dem, wovon wir reden: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der da sitzt zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel“ (8,1). 

Click to access the login or register cheese
Wähle dein Team!

Wähle das Team, für das du jetzt Materialien suchst, oder auf dessen Materialien du zugreifen möchtest.

Du kannst jederzeit oben rechts über das Team-Menü ein anderes Team auswählen.

Wechsel zu deinem Konto