Kinder- und Jugendnöte, Gewalt und Grenzverletzungen

Kurzbeschreibung und Lernziel

Alle Menschen haben verschiedene Bedürfnisse: Sicherheit, Schutz, Vertrauen, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Leistung, Erfolg, Anerkennung sowie Respekt. Immer dort, wo Bedürfnisse verletzt werden, erleben wir Eingriffe in die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit. In diesem Kapitel geht es speziell um verschiedene Formen von Gewalt und Vernachlässigung, die Kinder und Jugendliche in den unterschiedlichsten Systemen (Schule, Familie oder Gruppen) erleben. Dabei muss es sich nicht immer zwangsläufig um körperliche Gewalt handeln. Fast genauso einschneidend, wenn nicht gravierender, ist psychische Gewalt oder sexualisierte Gewalt. Die weite Verbreitung der digitalen Medien und Smartphones spielen dabei eine große Rolle. Gewalt und grenzverletzendes Verhalten sind nicht auf ein soziales Milieu beschränkt, sondern ziehen sich durch alle Schichten. Dies kann dazu führen, dass es unter Umständen schwierig sein kann, gefährdete Kinder und Jugendliche frühzeitig zu erkennen. Bei der Vorbereitung und Durchführung sollte man bedenken, dass Betroffene unter Umständen in der eigenen Trainee-Gruppe sitzen könnten.

Ziel dieser Einheit ist es, die Trainees für das Thema zu sensibilisieren, wo Gewalt in verschiedenster Form, auch im eigenen Alltag, vorkommt. Es ist zeitlich nicht möglich, alle Bereiche detailliert zu betrachten, daher beschränken wir uns nach einer Einführung auf den Bereich Mobbing und sexualisierte Gewalt.

Tabellarischer Ablauf

Nr.InhaltDauerMaterial
1Einstieg ins Thema: #Above the Noise15 minBeamer, Lautsprecher, Laptop (Internetzugang), Papier, Stifte; DIN-A6-Karten
2Bedürfnisse von Menschen und Verletzungen20 minBedürfnisse auf Karten, Kärtchen, Stifte
3Mobbing30 minArbeitsblatt Mobbing, Fallbeispiel für alle ausgedruckt (s. Downloads)
4Energizer „Zahlen“5 min
5Einstieg „Sexualisierte Gewalt“: Nähe und Distanz15 min
6#MeToo30 minBilder
7Abschluss/Kurzimpuls: All that we share10 minBeamer, Lautsprecher, Laptop (Internetzugang)

1. Einstieg ins Thema: #Above the Noise

Der Einstieg in dieses breite Themenfeld geschieht mit Hilfe eines Youtube-Videos:

„#AboveTheNoise feat. Serena Williams, Neymar Jr., Cara Delevingne, Michael K. Williams, and Kris Wu“ (www.youtube.com/watch?v=oWithLP0VlQ, letzter Zugriff am 28.02.2019). Da das Video komplett in englischer Sprache ist, ist es wichtig, bei den Einstellungen darauf zu achten, dass deutsche Untertitel eingestellt sind. Die Einstellungen kann man rechts unten im Videoclipfenster vornehmen.

Die Trainees bearbeiten während des Clips folgende Beobachtungsaufgabe in Einzelarbeit:

Benenne die verschiedenen Situationen und Gewalterfahrungen, die die Hauptpersonen in dem Clip erleben:

  • körperliche Gewalt: Szene auf dem Fußballplatz
  • sexuelle Belästigung: Szene im Restaurant
  • Ausgrenzung / psychische Gewalt: Szene im Club (Mikrofon)
  • Haushalt von Alleinerziehenden und Übernahme von Pflichten: Szene mit dem Mädchen und ihrer Schwester (Diese Szene stellt zwar keine Form von Gewalt dar, aber Jugendliche, die in Haushalten von Alleinerziehenden aufwachsen, haben aufgrund ihrer Situation schwierigere Grundvoraussetzungen, ihr Leben zu gestalten.)

Nach dem Video tauschen die Trainees in Zweierteams ihre Ergebnisse aus. Danach stellen die Zweierteams ihr Ergebnis im Plenum vor.

Alternativ zum Video kann als Einstieg ins Thema mit der Gruppe gesammelt werden, welche Formen von Gewalt bekannt sind. Hierzu eignet sich eine Sammlung auf DIN-A6-Karten. Diese Karten können dann gemeinsam in Kategorien sortiert werden.

2. Bedürfnisse von Menschen und Verletzungen

Gewalt erfahren wir vor allem dort, wo unsere grundlegenden Bedürfnisse verletzt werden. In Anlehnung an die von Abraham Maslow entwickelte Bedürfnishierarchie überlegen sich die Trainees, wodurch die folgenden Bedürfnisse verletzt werden können. Die Ergebnisse werden auf Karten gesammelt und dem jeweiligen Bedürfnis zugeordnet.

Die Jugendlichen dürfen beim Sammeln gern auf persönlich erlebte oder beobachtete Situationen eingehen. Persönliche Erlebnisse sollten vertraulich behandelt werden. Die Gruppe soll darauf hingewiesen werden, dass Erzähltes nicht weitergesagt werden soll.

Bedürfnisse und Verletzungen:

  • Bedürfnisse: Sicherheit, Schutz, Vertrauen, Gerechtigkeit
    • Verletzungen: z. B. beleidigen, beschimpfen, schlagen, treten, Gerüchte verbreiten
  • Bedürfnisse: Freundschaft, Gemeinwesen, Zugehörigkeit
    • Verletzungen: z. B. ausgrenzen, mangelnder Zusammenhalt, nicht unterstützen
  • Bedürfnisse: Freiheit, Selbstbestimmung, Mitbestimmung
    • Verletzungen: z. B. erpressen, zu etwas zwingen, herumkommandieren
  • Bedürfnisse: Spiel und Spaß
    • Verletzungen: z. B. herumkritisieren, nörgeln, schlechte Stimmung verbreiten, Angst machen
  • Bedürfnisse: Leistung, Erfolg, Anerkennung, Respekt
    • Verletzungen: z. B. hänseln, auslachen, demütigen, Neid, Vorurteile, auf Schwächen herumreiten

3. Mobbing

Das Wort Mobbing stammt vom englischen Verb „mob“ (bedrängen, über jemanden herfallen). Das Verhalten, das wir im deutschen Sprachgebrauch „Mobbing“ nennen, wird im englischsprachigen Raum als „bullying“ (schickanieren, tyrannisieren) bezeichnet. Viele Jugendliche kennen Mobbing vor allem aus der Schule, wo sie sich selbst in der Beobachterrolle befinden. Dies bedeutet nicht, dass Mobbing sich auf das System Schule beschränkt. Mobbing kann grundsätzlich in allen Gruppen vorkommen, allerdings sind die meisten Gruppenangebote außerhalb der Schule freiwillig – daher kann sich jemand, der sich in der Opferrolle befindet, leichter einer Situation entziehen. Und trotzdem kann Mobbing natürlich auch in der christlichen Jugendarbeit vorkommen. In den meisten Fällen wird es sich um Mobbing in der Testphase handeln. In dieser Phase können Mitarbeitende gut eingreifen und dafür sorgen, dass alle respektvoll miteinander umgehen.

Einige Kinder und Jugendliche, die unsere Gruppen und Kreise besuchen, haben vermutlich Erfahrungen mit Mobbing gemacht, unter Umständen auch in der Opfer- oder Täterrolle. Es ist daher wichtig, dass die Mitarbeitenden sensibel mit dem Thema umgehen und Mobbingstrukturen benennen können. Nur wenn Übergriffe erkannt und benannt werden, kann auf die Situation und das Opfer eingegangen werden.

Besprecht das Phänomen Mobbing mit der Gruppe anhand des Arbeitsblattes Mobbing (s. Downloads). Bildet Kleingruppen mit ca. drei bis vier Trainees (je nach Gruppengröße). Die Kleingruppen erhalten alle das gleiche Fallbeispiel, das sie anhand der Fragen bearbeiten sollen. Die Ergebnisse werden im Plenum besprochen. Hierbei soll der Schwerpunkt auf möglichen Lösungsansätzen gegen Mobbing liegen.

Ideen für Mitarbeitende

Für Gruppenstunden, für die ich persönlich die Verantwortung habe, können mögliche Vorgehensweisen u. a. folgende sein:

  • Wir haben Verhaltensregeln, die auf gegenseitigem Respekt beruhen, und setzen uns für diese Regeln auch ein bzw. zeigen Grenzen auf.
  • Es gibt Konsequenzen für wiederholt unsoziales Verhalten (Einzelgespräch, um zu reflektieren, evtl. auch ein Gespräch mit den Eltern, sich ordentlich beim anderen entschuldigen).
  • Wir stärken und bestärken Kinder und Jugendliche, die es immer wieder abkriegen, darin, sich selbst auf gute Art zu wehren.
  • Wir vermeiden persönliche Verletzungen (sowohl gegenüber Opfern als auch gegenüber Tätern).

Es gibt letztlich nicht die eine Lösung, die in jedem Mobbingfall funktioniert. Aber durch aufmerksames Beobachten der Gruppe ist es möglich, Machtstrukturen zu erkennen und dann einzugreifen, wenn sichtbar wird, dass sich Teilnehmende nicht allein wehren kön-nen bzw. wenn der Werterahmen, den die Gruppenleitung vorgibt, angegriffen wird.

4. Energizer „Zahlen“

Das Thema ist emotional anstrengend. Folgende Übung dient dazu, die Gruppe nach dem ersten Teil nochmals aufzulockern, bevor es mit dem Themenblock sexualisierte Gewalt weitergeht. Die Trainees bilden Zweierteams. Die erste Aufgabe ist, abwechselnd bis drei zu zählen, wobei die Zahl Eins durch eine gemeinsam beschlossene Geste ersetzt wird. Nach einigen Durchgängen, soll auch die Zahl Drei durch eine Geste ersetzt werden.

5. Einstieg „Sexualisierte Gewalt“: Nähe und Distanz

Bei dieser Übung geht es darum, die persönlichen Grenzen oder auch Distanzzonen, die wir Menschen haben, zu visualisieren.

Distanzzonen lassen sich in drei Bereiche einteilen:

  1. intime Distanzzone, ca. 50 cm um unseren Körper (Familie oder enge Freunde sind hier meistens in Ordnung)
  2. persönliche Distanzzone, ca. 1 m um unseren Körper (persönliche Gespräche finden hier statt)
  3. gesellschaftliche Distanzzone, ca. 1 bis 2 m um unseren Körper

Es gibt bei den Distanzzonen kulturelle Unterschiede. Der Abstand ist in südlichen Ländern oft kürzer. Die Übung erfolgt in zwei Stufen:

Die Trainees finden sich in Zweierteams zusammen. Beide Trainees stellen sich mit etwa 5 Metern Abstand zueinander auf. Ein Trainee geht langsam Schritte auf die andere Person zu, bis sie die Hand als Stoppsignal hochhebt. Das Stoppsignal soll dann gegeben werden, wenn ein angenehmer Abstand erreicht ist. Dann wechseln die Rollen.

Die Trainees mischen sich neu. Im zweiten Durchgang ist es die Aufgabe, sich mit jemandem zusammenzufinden, die/den man nicht gut kennt oder mit der/dem man außerhalb vom Trainee-Programm nicht so viel Kontakt hat. Dann wird die Übung wiederholt.

Im anschließenden Reflexionsgespräch geht es darum, die Distanzzonen zu besprechen. In den meisten Fällen wird hervorstechen, dass die Distanzzone beim zweiten Durchgang größer ist.

6. #MeToo

Die weltweite Twitterbewegung mit dem #MeToo, angestoßen von Schauspielerin Alyssa Milano, richtet sich gegen sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt. Zunächst in der Glitzerwelt Hollywoods, dann aber auch in den verschiedensten Kontexten. Auslöser war der Skandal um Hollywood-Produzent Harvey Weinstein, der im Oktober 2017 von mehr als 70 Frauen der sexuellen Belästigung bezichtigt wurde. Einige Schauspielerinnen haben ihn angezeigt, andere haben sein Verhalten öffentlich gemacht. Die Bewegung hat das Gespräch um das Tabuthema sexualisierte Gewalt auf neue Art und Weise angefacht und in die gesellschaftliche Mitte gerückt.

Der Einstieg in dieses nicht ganz einfache Thema soll über eine Bildbetrachtung erfolgen. Verschiedene Bilder von sexueller Belästigung durch Männer und Frauen sowie Mobbing/Cybermobbing (aus dem Internet – öffentliche Aufführungsrechte beachten! – oder selbst nachgestellt) sollen ohne Kommentar nach und nach in eine Stuhlkreismitte gelegt werden. Wer mit Beamer und Laptop arbeitet, kann die Bilder auch nach und nach einblenden. Die Trainees sollen, nachdem sie Gelegenheit hatten, die Bilder zu betrachten, frei erzählen, was ihnen zu den Bildern einfällt. Falls wenig Reaktion kommt, kann man die Trainees einzelne Bilder beschreiben lassen. Da das Thema nicht einfach ist, kann es sein, dass die Bilder Betroffenheit auslösen.

Wenn die Bilder besprochen sind, geht es in diesem Teil hauptsächlich darum, den Trainees einen kurzen Einblick in das Thema zu geben, denn alle Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendarbeit sollten dafür geschult sein. In Württemberg ist es der Präventionskurs „Menschenskinder“, wo das Thema sexualisierte Gewalt intensiv behandelt wird. Weitere Infos erhält man unter www.ejwue.de/service/praevention-sexuelle-gewalt (letzter Zugriff am 28.02.2019). In anderen Bundesländern gibt es vergleichbare Angebote, über die man sich informieren sollte.

Die sozialwissenschaftliche Definition von sexualisierter Gewalt lautet: „Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor Mädchen und Jungen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Der Täter oder die Täterin nutzt dabei seine/ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“ (www.beauftragter-missbrauch.de/praevention/was-ist-sexueller-missbrauch/definition-von-sexuellem-missbrauch (letzter Zugriff am 28.02.2019).)

Das deutsche Strafrecht geht davon aus, dass Kinder unter 14 Jahren grundsätzlich keiner sexuellen Handlung zustimmen können. Sexualisierte Gewalt als Form der Grenzverletzung ist in Deutschland leider nicht die Ausnahme. Genaue Zahlen sind recht schwer zu erheben, da viele Fälle nicht angezeigt oder entdeckt werden. Die polizeiliche Kriminalstatistik gibt Aufschluss über die Zahl der Anzeigen. Für das Jahr 2016 verzeichnet sie

  • 12.019 Anzeigen wegen Kindesmissbrauchs,
  • 1.161 Anzeigen wegen Missbrauchs an Jugendlichen und
  • 447 Anzeigen wegen Missbrauchs an minderjährigen Schutzbefohlenen.

Diese Zahlen sind seit 2010 nahezu gleichgeblieben. Die Betroffenen reagieren unterschiedlich und nicht immer ist von außen erkennbar, dass ein Fall von sexualisierter Gewalt vorliegt. Dadurch kann es beispielsweise zu Verhaltensänderungen kommen – u. a. zu Ängstlichkeit, Aggressivität, Leistungsabfall oder sexualisiertem Verhalten. Auch psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Schlafstörungen oder Hauterkrankungen können ebenfalls Anzeichen sein.

Allerdings ist keines dieser Symptome spezifisch für sexuellen Missbrauch! Das bedeutet, dass jede dieser Auffälligkeiten auch andere Ursachen haben kann. Veränderungen bedeuten oft, dass das Kind oder der Jugendliche Probleme hat oder belastende Dinge erlebt und die Unterstützung zugewandter Bezugspersonen benötigt. Als Gruppenleitung in der Jugendarbeit bedeutet dies, dass wir aufmerksam mit unseren Kindern und Jugendlichen umgehen. Wenn sich Teilnehmende vertrauensvoll an uns wenden, ist es wichtig, sich selbst Hilfe zu holen – entweder beim Leitungsgremium der örtlichen Jugendarbeit, einer/einem Hauptamtlichen in der Gemeinde oder beim Bezirks- oder Landesjugendwerk. Darüber hinaus gibt es einige Anlaufstellen, an die man verweisen kann:

  • das örtliche Jugendamt (Ansprechpersonen oder Kontaktnummern finden sich immer auf der Homepage des Landkreises)
  • der Mädchengesundheitsladen Stuttgart (www.maedchengesundheitsladen.de, letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • die Beratungsstelle Wildwasser (gibt es in mehreren Städten und Landkreisen)

7. Abschluss/Kurzimpuls: All that we share

Um die Einheit positiv abzuschließen, lohnt es sich, ein weiteres Youtube-Video einzublen-den: „All that we share“ (www.youtube.com/watch?v=i1AjvFjVXUg, letzter Zugriff am 28.02.2019), ein TV-Werbespot des Fernsehsenders TV2 Dänemark. Bei allen Verschiedenheiten und unterschiedlichen Lebenswegen und Entscheidungen, die wir treffen, ist es wichtig, sich nicht nur von Äußerlichkeiten leiten zu lassen. Was wir als Menschen manch-mal von anderen wahrnehmen, entspricht nicht der Wirklichkeit. Andere ver- und beurteilen ist oft leicht und passiert uns immer wieder. Bei Gott gelten andere Maßstäbe – er blickt hinter die Kulissen direkt in unser Herz. Dabei sollten wir folgenden Bibelvers im Auge behalten: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“ (1. Sam 16,7b Lu).

Literaturtipps

  • Büchle, Johannes / Ulmer, Alma (Hg.): Menschenskinder, ihr seid stark. Prävention vor sexualisierter Gewalt; die Arbeitshilfe für die Evangelische Kinder- und Jugendarbeit kann kostenlos bestellt werden: www.ejwue.de/service/praevention-sexuelle-gewalt (letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • www.beauftragter-missbrauch.de (letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • Das Handbuch von Konflikt-KULTUR und klicksafe zur Intervention bei (Cyber-) Mobbing (2. aktualisierte Auflage 2018), kostenloser Download unter www.konflikt- kultur.de/images/Was_tun_bei_Cybermobbing_neu_M%C3%A4rz2018_51f7c.pdf (letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • Schäfer, Mechthild / Herpell, Gabriela: Du Opfer! Wenn Kinder fertig machen, Rowohlt, Berlin 22010 (nur noch antiquarisch erhältlich)
  • Grüner, Thomas / Hilt, Franz: Systemische Mobbingprävention und -intervention, in: Anti-Mobbing-Strategien für die Schule, hrsg. v. Anne A. Huber, Link, Köln 32015
  • Olweus, Dan: Täter-Opfer Probleme in der Schule. Erkenntnisstand und Interven- tionsprogramm, in: Forschung über Gewalt an Schulen. Erscheinungsformen und Ursachen, Konzepte und Prävention, hrsg. v. Heinz Günter Holtappels / Wilhelm Heitmeyer / Wolfgang Melzer / Klaus-Jürgen Tillmann, Juventa, Weinheim 52008

Wie geht eigentlich … Leben? Darauf versucht die KON-Redaktion auf Grundlage einiger der 10 Gebote mit dem neuen Material Antworten zu finden. Dazu gibt es Themenartikel mit Hintergrundwissen für MitarbeiterInnen sowie Bibelarbeiten und Stundenentwürfe für die Gruppenarbeit.

Neben den 10 Geboten allgemein werden unter anderem spielerisch oder biblisch wichtige Themen wie Neid und Mobbing behandelt. Aber auch das Geschenk des »Ruhetages« im 3. Gebot findet mit einem Vorschlag für eine Bibelarbeit besondere Beachtung.

oder auch: Es könnte alles so einfach sein

Es hätte damals wirklich alles so einfach sein können – wenn Adam und Eva im Paradies einfach ihr Vertrauen voll auf Gott und sein Wort gesetzt hätten, statt dem Gerede der Schlange auf den Leim zu gehen. Dann wären sie taub gewesen für die Lügenmärchen, die ihnen die Schlange einflößte. Sie wären fein damit geblieben, dass Gott ihnen geboten hatte, weder vom Baum des Lebens noch vom Baum der Erkenntnis Früchte zu essen. Wir säßen alle noch im Paradies, statt uns jetzt mit Krieg, Klima und anderen Katastrophen auseinander zu setzen. Das ist ein zugleich sehr nachvollziehbarer und dennoch etwas weltfremder Gedanke, der sich das Wesen der Menschen schön redet und die Bibel eher wörtlich als ernst nimmt.

Machen wir uns nichts vor – wir Menschen sind einfach nicht dafür geschaffen, uns an alle Regeln und Gesetze zu halten. Moment. Heißt das etwa, der allmächtige Gott hat gerade bei dem Prunkstück seiner Schöpfung, beim krönenden Abschluss, gepatzt und einen Fehler gemacht? Immerhin ist er doch allmächtig … Warum hat Gott uns dann nicht so geschaffen, dass das Einhalten von Regeln und Gesetzen dann quasi zu unserer „Standardausstattung“ gehört, ähnlich einer werkseitig vorinstallierten App, die sich weder deinstallieren noch löschen lässt? Aus einem, zumindest aus meiner Glaubensüberzeugung heraus betrachtet, ganz einfachen Grund: Wenn ich keine Möglichkeit habe, mich gegen etwas zu entscheiden (z. B. „Nein, ich will aber nicht nur 50 km/h innerorts fahren, immerhin habe ich es eilig“), dann ist es auch nicht machbar, mich bewusst für eine Sache zu entscheiden – z. B. dafür, jemand anderes zu lieben. Und dann ist es egal, ob ich von meiner Liebe zu einem anderen Menschen spreche oder von meiner Liebe zu Gott.

Liebe ist immer freiwillig, ist das Resultat einer freien Entscheidung und kann nicht verordnet werden. Wenn ich Liebe erfahren möchte, muss ich das Recht zur falschen bzw. anderen Entscheidung gewähren und möglich machen. Soweit eine persönliche Einschätzung.

Gott kümmert sich um mich

Kommen wir aber nun zu dem, was über die Grenzen des Juden- und des Christentums hinweg bekannt geworden ist und sogar in vielen weltlichen Bereichen Einzug in den Alltag gefunden hat: die 10 Gebote.

In der Geschichte des Volkes Israel werden die 10 Gebote von Gott an Mose diktiert, nachdem er die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Nach dem Bund, den Gott früher mal mit Abraham geschlossen hatte, sollten jetzt die 10 Gebote quasi die „Rahmenvereinbarung“ bzw. die Regeln für einen neuen Bund und einen gemeinsamen, weiteren Weg des Volkes Israel mit Gott bieten.

Heute sind die 10 Gebote scheinbar den wenigsten Menschen bekannt. Immer wieder liest man davon, dass die 10 Gebote den Menschen so vieles verbieten und Gott quasi eine übernatürliche Spaßbremse ist, die den Menschen alles vorschreibt. Tatsächlich geht es aber schon bei den ersten Worten der 10 Gebote um etwas ganz anderes: in der BasisBibel heißt es im 2. Mose 20: 1:

„Gott sprach alle diese Worte: »Ich bin der Herr, dein Gott!
Ich habe dich aus dem Land Ägypten herausgeführt – aus dem Leben in der Sklaverei.“

Das erste, worum es also geht, ist keine Vorschrift an uns Menschen, sondern die Erinnerung an das, was Gott für sein Volk getan hat – ohne dabei vorher Bedingungen zu stellen. Aber jetzt, auf dem Berg Sinai, macht Gott den Israeliten klar: Wenn ihr weiterhin unter meinem Schutz stehen wollt, wenn ich euer Gott sein soll, dann braucht es einen festen Rahmen. Und diese Gebote, die den Rahmen abstecken, lassen sich auf eine Grundfrage reduzieren, die Gott seit damals allen Menschen ganz persönlich stellt:

„Vertraust du mir, deinem Gott, dass ich mich um alles kümmern werde, damit es dir gut geht?“

Wenn ich diese Frage für mich mit „Ja“ beantworten kann, dann geht es für mich nicht länger um ein „Du sollst nicht …“ – sondern um die Erkenntnis „Ich brauche nicht …“ Ich brauche mich nicht selber zu kümmern, sondern darf darauf vertrauen, dass Gott sich kümmert. Dass er dafür Sorge tragen wird, dass ich alles bekomme, was ich zum Leben brauche … Und dann ist es nicht mehr nötig, voller Neid auf andere zu schauen. Schlecht über sie zu reden und ihnen Dinge abzuluchsen. Mit Beziehungen fahrlässig umgehen und den/die andere betrügen. Ich darf aufhören, mich mit allen und allem um mich herum zu vergleichen. Das ist keine Einengung – das ist Freiheit.

Die Gebote als Grundlage für allgemeine Menschrechte

Zu einer ganz ähnlichen Einsicht sind auch viele andere Menschen gekommen, die ansonsten mit dem Glauben an einen (christlichen) Gott vielleicht so ihre Schwierigkeiten hatten. Denn das, was in den sieben Geboten vom vierten bis zum zehnten Gebot formuliert wurde, findet sich sowohl sinngemäß auch in den Regeln und Geboten anderer Religionen und Gemeinschaften wieder als auch auf der politischen Weltbühne.

Mit Luther, Augustinus, dem jüdischen Philosophen Philon von Alexandrien und später auch dem niederländischen Theologen Hugo Grotius, dem Lutheraner Pufendorf und dem englischen Philosophen Locke gelang der Wandel von den „Gott gegebenen Geboten“ hin zu der Ansicht, dass sich aus diesen Geboten und Regeln Rechte für die allgemeine Menschheit ableiten lassen, die über eine Konfessionsgebundenheit hinausgehen.

Aus der Arbeit dieser Menschen heraus und über viele Jahrhunderte hinweg wurden diese Rechte zu festgeschriebenen Menschenrechten, wie sie 1789 in der französischem Nationalversammlung beschlossen wurden. Heute sind die Menschenrechte das Werte-Fundament der westlichen Welt.

Und seien wir doch mal ehrlich: Sicherlich gibt es über die Zehn Gebote hinaus viele Gebote und Gesetze im Alten Testament, die uns heute nur schwer oder gar nicht mehr begreiflich sind. Das liegt ganz einfach daran, dass sie in eine ganz bestimmte Zeit hineingesprochen wurden. Um herauszufinden, was diese Gebote also heute noch in unserem Leben bedeuten können, müssen wir den Transfer der Lebenssituation des „Damals“ ins „Heute“ schaffen. Dann stellen wir fest, dass viele Gesetze unter Umständen gar nicht mehr die Relevanz oder Bedeutsamkeit haben, wie es vor 2000 Jahren vielleicht noch der Fall gewesen sein mag. Darum achtet heute auch niemand mehr darauf, aus wie vielen Stoffarten die Kleidung hergestellt wird oder ob wir Frauen nach jeder Periode auch brav Tauben als Opfer verbrennen. Darum werden auch keine frechen Söhne mehr an der Stadtmauer gesteinigt. Und darum sollte es heute auch egal sein, welchen Menschen ich liebe.

Aber die 10 Gebote haben nichts von ihrer Aktualität und Relevanz verloren. Selbst wenn ich Gott ablehne und darum die ersten drei Gebote ignorieren möchte: Niemand kann ernsthaft etwas dagegen haben, wenn wir die Unversehrtheit des Lebens, den Respekt für Ältere, den Schutz von Beziehungen, den Schutz des Eigentums und den Schutz vor Verleumdung bzw. Rufmord auch heute noch achten.

Es könnte alles so einfach sein – interreligiöser Dialog ist möglich

Ein Blick in die Nachrichten und auch in die Geschichte macht deutlich: Religionen sind immer wieder Auslöser von oder Begründungen für Gewalt. Als sehr bekannte historische Beispiele dienen da sicherlich die Kreuzzüge und der Holocaust, aber auch in der jüngeren Geschichte sind die Anschläge auf die Synagoge in Halle 2019, der 11. September oder die Entführungen durch die Boko Haram nur drei Beispiele, die das leider sehr eindrucksvoll belegen.

Es scheint, als ob ein friedliches Neben- oder sogar Miteinander kaum möglich ist. Und der Blick auf die Entwicklung antisemitischer und antiislamischer Gewalttaten in Deutschland zeigt, dass wir diesbezüglich nicht wirklich besser dastehen als die anderen Länder dieser Welt. Woran mag das liegen?

Ein Erklärungsversuch kann sein, dass wir mit dem Judentum, dem Islam und dem Christentum drei große monotheistische Weltreligionen haben, die alle für sich in Anspruch nehmen, an den „einen, wahren Gott“ zu glauben. Und wer davon total überzeugt ist, für den sind alle anderen Ungläubige und ähnliches.

Wer davon überzeugt ist, an den „einen, wahren Gott“ zu glauben, beansprucht für sich alleine, die Wahrheit zu kennen – und straft das Bekenntnis der anderen damit als Lügen. Das nimmt jede Gesprächsgrundlage und verhindert so den nötigen Perspektiv-Wechsel, um vom „gegeneinander“ in ein „nebeneinander“ oder sogar „miteinander“ zu kommen.

Aber so muss es nicht sein. Auch als bekennende, gläubige Christin kann ich in einen guten, konstruktiven Austausch und friedliches Miteinander mit Anhänger:innen des Islam oder Judentums (oder jeder anderen Religion) kommen, ohne mich und meinen Glauben dafür kleinmachen oder negieren zu müssen. Kooperative Glaubenshäuser wie das „House of One“ in Berlin bieten dafür Inspiration und schenken die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft der großen Religionen.

Was ist das „House of One“?

Dahinter verbirgt sich eine Initiative, die sich 2011 als Verein „Bet- und Lehrhaus Petriplatz e.V.“ gegründet hat. Sie besteht aus der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, dem Abraham-Geiger-Kolleg Potsdam, dem Forum für Interkulturellen Dialog e.V., dem Ev. Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte, der Ev. Kirchengemeinde St.Petri-St. Marien sowie dem Land Berlin. Ziel des „House of One“ ist es, einen Ort zu schaffen, der sich in „gegenseitigem Verständnis für friedensfördernde, sozial gerechte und naturerhaltende Formen des Zusammenlebens“ einsetzt. Möglich wird dies durch ein Grundsatzdokument, das die wichtigsten Fragen des (religiösen) Zusammenlebens und-Arbeitens in Leitlinien zusammenfasst und das der Verein am 11.10.2011 verabschiedet hat.

Dieses Dokument erkennt an, dass die drei Religionen bei allen Unterschieden doch auch eine gemeinsame Geschichte haben (was beides zeitgleich u.a. in der Wahrnehmung/Würdigung/Interpretation solcher Personen wie Abraham, Noah oder Ismael deutlich wird) und verbunden werden durch den Glauben an einen „welttranszendenten Schöpfer“, der seine ganz individuelle Ausprägung in den einzelnen Religionen findet. Das Dokument bestätigt, dass sich in allen drei Religionen gemeinsame Grundwerte finden, die in einem Miteinander aktuell mit Leben gefüllt und umgesetzt werden wollen.

Gemeinsam haben sich die Initiatoren darum darauf geeinigt, dass sie im „House of One“ eine „Kultur der Gewaltlosigkeit und der Ehrfurcht vor allem Leben“ vertreten, um einen Gegenentwurf zu der erlebten Gewalt in der Gesellschaft zu prägen, der die Würde und Identität aller Menschen wahrt und akzeptiert. Sie verpflichten sich zu einer „Kultur der Solidarität“, die Ausdruck finden soll in der Achtung der Verschiedenheit der Partner, gegenseitigem Respekt und gelebter Rücksichtnahme. Die vereinbarte „Kultur des Respekts und ein Leben in Wahrhaftigkeit“ ermöglicht eine öffentliche, selbstbewusste und transparente Repräsentation des eigenen Glaubens, um von dieser Basis aus mit Vertreter:innen der anderen Glaubensrichtungen sowie anderen Interessierten das Gespräch zu suchen. Die Einigung zur einer „Kultur der Gleichberechtigung“ stellt heraus, dass die Partner gleichberechtigt zueinander agieren, ohne ihr Engagement im „House of One“ mit der Zielsetzung missionarischen Handelns zu verknüpfen.

In meinen Augen zeigt sich in dieser Initiative der Kern, wie ein Miteinander gelingen kann: indem wir gemeinsam auf das uns Einende schauen, ohne das Trennende zu überspielen. Uneinigkeiten werden respektvoll ausgehalten, der Kontakt reißt deshalb nicht ab. Ich darf im Gespräch selbstbewusst zu dem stehen, was meinen Glauben ausmacht und muss den Glauben meines Gegenübers nicht beschneiden – im Vertrauen darauf, dass mein Gesprächspartner mir und meinem Glauben auch respektvoll begegnet.

Von der Gründung des Vereins bis zur Grundsteinlegung sind 10 Jahre vergangen: Mit einer cornonabedingten Live-Übertragung der Zeremonie am 27.05.2021 war es endlich soweit. Auch wenn das „House of One“ noch nicht eröffnet ist, hat es doch schon viele Spuren hinterlassen – nicht nur in Berlin, sondern auch in der Kooperation mit anderen Mehrreligionenhäusern in Deutschland oder internationalen Partnerprojekten.

2027, so hoffen die Träger, kann das „House of One“ seine Tore öffnen. Bis dahin bietet ein Informationscontainer mit Aussichtsterrasse die Möglichkeit, sich über den Baufortschritt zu informieren. Darüberhinaus bietet er Platz für einen Teil der Bildungsangebote, die das „House of One“ schon jetzt für Schüler-, Konfi- und interessierte Erwachsenengruppen anbietet, um über die Arbeit und die Ziele des „House of One“ mit Menschen ins Gespräch zu kommen: dem Antisemitismus und der Isalmfeindlichkeit in diesem Land entgegenzutreten und statt dessen die friedliche Verständigung zwischen den Religionen zu fördern.

Kurzbeschreibung und Lernziel

Die Trainees setzen sich damit auseinander, welche Spannungen in Gruppen auftreten können und wie sie als Mitarbeitende damit umgehen können. Sie lernen, wie klare Regeln und Grenzen im Gruppenalltag aussehen können und warum diese wichtig sind. Sie entdecken, wie wichtig eine klare und wohlwollende Haltung den Teilnehmenden gegenüber ist, und bekommen Handwerkszeug, damit sie auch in schwierigen Situationen im Miteinander weiterhin gern Gruppen leiten und mit Liebe und Wertschätzung den Teilnehmenden begegnen können.

Tabellarischer Ablauf

Nr.InhaltDauerMaterial
1Einführung5 min
2Regeln – Grundlage für eine sinnvolle Gruppenarbeit25 minStifte, Plakate DIN A3, Spielbeschreibung (s. Downloads)
3Haltung – Wie sehe ich die Teilnehmenden in meiner Gruppenstunde?5 min
4Wie konfrontiere ich richtig?20 min
5Rollenspiele45 minRollenspiel (s. Downloads), Stifte, Papier
6Der innere Schiedsrichter – Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen20 minKreppklebeband oder Kreide
7Zusammenfassung10 min
8Impuls5 min

1. Einführung

Wer eine Gruppe leitet, wird früher oder später mit spannungsvollen Situationen konfrontiert werden. Ein paar Situationen werden kurz dargestellt und können durch eigene Beispiele ergänzt und ausgeführt werden.

  • Teilnehmende verstehen sich untereinander nicht und fangen an zu streiten.
  • Eine Teilnehmerin / ein Teilnehmer verliert bei einem Spiel und ist wütend darüber.
  • Die Mitarbeitenden erklären ein Spiel, ein paar haben keine Lust darauf und stören.
  • Eine Person aus dem Mitarbeiterteam will eine Andacht halten und einige hören gar nicht zu.

Solche Spannungen gab es schon immer. Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, kann es „spannend“ werden. In dieser Einheit soll es deshalb darum gehen, wie man auch in schwierigen Situationen im Gruppenalltag den Teilnehmenden mit einer klaren und wohlwollenden Haltung begegnen kann. Es werden Handwerkszeuge vorgestellt, mit denen man reagieren kann. Hierzu wird der Ansatz der ressourcenorientierten konfrontativen Pädagogik (ROKT®) vorgestellt (Quelle: Akademie Eigen-Sinn; Fortbildungsmaterial), den man gut in der Gruppenarbeit einsetzen kann.

2. Regeln – Grundlage für eine sinnvolle Gruppenarbeit

Es ist sehr hilfreich, den Teilnehmenden, die in unsere Gruppen kommen, von Anfang an eine Orientierungshilfe zu geben, welches Verhalten hier von ihnen erwartet wird. Dies kann geschehen, indem man Gruppenregeln aufstellt, die den Umgang miteinanderbetreffen. Folgendes sollte dabei beachtet werden:

  • Dinge, die man möchte, sollen im Vordergrund stehen. Man sollte nicht die Dinge aufzählen, die man nicht möchte. Gebote anstatt Verbote, z. B. „Wir hören einander zu“ statt „Wir reden nicht rein“.
  • Es hilft, wenn die Regeln in wenigen, dafür aber klaren und für alle verständlichen Worten formuliert sind.
  • Die Regeln sollen immer griffbereit sein, d. h., sie hängen im Gruppenraum an der Wand o. Ä., um darauf zu verweisen.
  • Wenn sie mit Bildern verknüpft werden, bleiben die Regeln besser im Kopf.
  • Die Regeln müssen vom gesamten Mitarbeiterteam mitgetragen und mit den Teilnehmenden besprochen oder erarbeitet werden. Es bedarf einer Zustimmung von allen Beteiligten.
  • Die Regeln gelten selbstverständlich auch für die Mitarbeitenden, nicht nur für die
    Teilnehmenden.
  • Regeln sind Hilfestellungen, um uns gegenseitig an einen guten Umgang miteinander zu erinnern. Sie sollen nicht einengen, sondern allen die Möglichkeit bieten, entspannt und frei etwas zu gestalten.
  • Regeln werden nicht einmal gemacht bzw. besprochen und dann vergessen, sondern sind durch die Konfrontation fester Bestandteil jeder Gruppenstunde:
    » Lob, Bestärkung, Anerkennung bei Einhaltung der Regeln,
    » Erinnerung und Einforderung bei Nichteinhaltung der Regeln.

Zur Verdeutlichung kann man das RAD verwenden, da dies alle wichtigen Dinge beinhaltet und gut im Kopf bleibt:

Respekt
Respekt bedeutet, dass wir jede und jeden so achten, wie sie/er ist. Mit ihren/seinen Stärken, Schwächen, Eigenarten und Macken. Gleichzeitig gehen wir respektvoll mit unserer Umwelt, Materialien und Gegenständen um.

Aufmerksamkeit
Wir schenken einander Aufmerksamkeit. Hinhören, was die/der andere bei Geschichten, Erzählungen, persönlichen Dingen oder Spielerklärungen sagt.

Disziplin
Disziplin bedeutet das Üben und Trainieren von Respekt und Aufmerksamkeit. Als leitende Person muss man diese Disziplin einfordern, damit eine Gruppe harmoniert. Dies bedeutet auch, die Teilnehmenden daran zu erinnern oder ihre Aufmerksamkeit einzufordern.

Je nach Teilnehmerkonstellation und Gruppenzielen ist es natürlich unterschiedlich, wie die Einforderung, sich an die Regeln zu halten, aussieht und durchgesetzt wird. Wichtig ist es, konsequent zu sein und den Teilnehmenden trotzdem mit Liebe und Wertschätzung zu begegnen.

Mit dem Spiel „Feuer, Wasser, Sturm“ können mit Kindern die Regeln gut eingeübt werden (s. Downloads). Dieses Spiel kann gut als Übung mit den Trainees durchgeführt werden. Letztendlich können alle Aktions- und Bewegungsspiele (je nach Altersgruppe) zur Einübung der Regeln genutzt werden. Entscheidend ist, mit welcher Haltung die Spielleitung diese Spiele einsetzt und das Spielverhalten mit den Teilnehmenden reflektiert.

Im Anschluss sollte eine Gesprächsrunde folgen, ob diese Methode in der Arbeit mit Jugendlichen auch sinnvoll ist und welche Methoden für diese Altersgruppe infrage kommen könnten.

3. Haltung – Wie sehe ich die Teilnehmenden in meiner Gruppenstunde

Trotz guter Regeleinführung wird es immer wieder zu spannungsvollen Situationen in einer Gruppenstunde kommen. Hierbei ist es wichtig, mit welcher Haltung man den Teilnehmenden gegenübertritt. Man braucht eine klare Linie mit Herz. Folgende Grundsätze können im Umgang mit spannungsvollen Situationen helfen:

  • Alle Menschen sind wertvoll. Ihr Verhalten ist es nicht immer.
  • Verstehen, ohne einverstanden zu sein: Ich verstehe, wenn eine Teilnehmerin / ein Teilnehmer verärgert ist, weil sie/er verloren hat, bin aber nicht damit einverstanden, dass sie/er jetzt herumschreit und andere Teilnehmende beleidigt. Es braucht eine klare Grenzsetzung und Konsequenz.
  • Verhalten, das man ignoriert, ist Verhalten, das man erlaubt.
  • Die Konfrontation erfolgt sofort an Ort und Stelle.
  • Die Mitarbeitenden sollten sich nicht mit einem respektlosen Umgang zufriedengeben, sondern alles, was in ihrer Kraft steht, tun, damit der Umgang miteinander besser wird. Dadurch gehen sie in Beziehung zu den Teilnehmenden. Sie sollten sich immer wieder darum bemühen, ein echtes Gegenüber zu sein und auch dranzubleiben, wenn es schwierig ist wird.

4. Wie konfrontiere ich richtig?

Das Wort „Konfrontation“ stammt von „confrontare“ (lat.) ab und bedeutet so viel wie „jemandem die Stirn bieten“. Es ist nicht damit gemeint: „Ich zeige dir, wer hier der Chef ist!“ oder ein Agieren mit Macht. Es geht vielmehr darum, ein echtes authentisches Gegenüber zu sein, das Halt und Orientierung gibt und an dem man sich reiben, aber auch ausruhen kann. Dies bedeutet für die Gruppenstunde: Ich bin aktiv, ich sehe die Teilnehmenden, bin sofort zur Stelle und zeige klare Grenzen auf. Ich bin aber ebenso ressourcenorientiert und lobe, unterstütze und stärke. Denn wenn die Teilnehmenden – oder auch wir selbst – mit unseren guten Eigenschaften und Taten gesehen werden, haben wir weniger Grund zu stören und in den Widerstand zu gehen. Ein Mittel der konfrontativen Pädagogik sind hierbei die „4 Stufen der nicht eskalierenden Beharrlichkeit“ (Vgl. Giesekus, Ulrich / Schmid, Sandra / Fix, Alexander: Bevor es kracht. Kids gegen Gewalt stark machen, SCM R. Brockhaus, Witten 2 2010 (antiquarisch erhältlich), S. 86­90; Rhode, Rudi / Meis, Mona Sabine / Bongartz, Ralf: Angriff ist die schlechteste Verteidigung. Der Weg zur kooperativen Konfliktbewältigung, Junfermann, Paderborn 3 2003 (antiquarisch erhältlich).).

Die Stichworte zu den Stufen können zur Verdeutlichung zum passenden Punkt auf einem Plakat notiert werden. Sie lauten: Sachverhalt abwertungsfrei benennen, Ärger-Mitteilung, Bedürfnisäußerung, Wunschäußerung.
Ein Beispiel: Du willst ein Spiel erklären, alle Kinder sollen sich dazu hinsetzen. Alex (Name frei erfunden) setzt sich nicht, rennt herum und stört die Gruppenstunde.

  1. Du gehst immer zuerst davon aus, dass Alex die Regel vergessen hat, und erinnerst sie/ihn daran. Wohlwollend, nicht genervt und ohne Herabstufung: „Alex, du hast vergessen, dich hinzusetzen.“
  2. Reagiert sie/er darauf nicht bzw. weigert sie/er sich, kommt von dir die Ärger-Mitteilung: „Ich ärgere mich. Ich möchte jetzt das Spiel erklären, kann das aber nicht, weil ich durch dein Herumrennen ständig abgelenkt bin.“ Wichtig ist hierbei die Ich-Botschaft. Ich übernehme die Verantwortung für die Gefühle. Nicht sie/er ist schuld, sondern ich schaffe es nicht, so das Spiel zu erklären.
  3. Interessiert dies Alex weiterhin nicht und sie/er rennt weiter, äußere klar dein Bedürfnis: „Ich möchte jetzt das Spiel erklären und dein Herumrennen stört mich.“ Dein Bedürfnis, jetzt mit der Erklärung des Spiels zu beginnen, ist absolut okay und du darfst es ruhig einfordern. Deswegen bist du keine uncoole Mitarbeiterin / kein uncooler Mitarbeiter.
  4. Setzt sie/er sich noch immer nicht hin, dann äußerst du ruhig, souverän und mit Wertschätzung deinen Wunsch gegenüber Alex: „Bitte setz dich hin!“ Wenn der Wunsch nicht gehört wird, dann lass dich jetzt auf keine Diskussionen oder Erklärungen mehr ein. Wiederhole deinen Wunsch so lange, bis du dein Ziel (mit dem Spiel zu beginnen) erreicht hast. Werde dabei nicht drohender, aggressiver oder lauter. Gleichzeitig brauchst du nicht unsicher sein oder Zweifel daran haben, ob es das alles wert ist. „Setz dich jetzt hin. Jetzt.“ „Bitte setz dich jetzt hin.“ Dabei sind folgende Dinge wichtig:
    fester Blick (nicht anstarren)
    sicherer Stand (nicht drohen)
    bei diesem Wunsch bleiben; ignoriere Provokationen, Erklärungsversuche usw.
    (noch) keine Sanktionen aussprechen

Alex hat bis zum Schluss die Chance, ihr/sein Gesicht zu wahren, egal, wie lange es gedauert hat, bis sie/er sich hinsetzt. Wir sind nicht nachtragend, es bleibt nichts zurück und wir verpassen ihr/ihm deswegen keine Konsequenz oder lassen sie/ihn immer wieder spüren, dass sie/er uns nervt.

In diesen Situationen ist die Gruppe meist gebannt dabei, um zu überprüfen und zu schauen, wie das Ganze ausgeht, sodass es oftmals möglich ist, die Beharrlichkeit vor der Gruppe durchzusetzen. Dies ist auch ein Beispiel für die anderen. Ist dies nicht möglich, weil die Gruppe insgesamt zu unruhig ist, übernimmt eine andere Person aus dem Mitarbeiterteam die Leitung der Gruppenstunde, bis die Sache geklärt ist.

Wenn du innerlich Zweifel hast, ob sie/er sich hinsetzt, wird Alex das spüren und sie/er wird weitermachen. Sei souverän und sicher in der 4. Stufe, dann wird Alex das merken und früher oder später nachgeben.

Wenn Alex sich auch nach der 4. Stufe nicht (gleich) hinsetzt und es dir zu lange geht, gibt es zwei Reaktionen, die du unbedingt vermeiden solltest:

Implosion: Keine Reaktion von dir als Mitarbeitenden. Du denkst und sagst: „Mach doch, was du willst!“ (Fluchtverhalten)

Explosion: Du spielst deine Macht aus. Du drohst: „Du setzt dich sofort hin, sonst ..“ (angreifende Verteidigung)

In beiden Fällen wird eine/einer von euch die Lust an der Gruppenstunde verlieren, die Beziehung geht kaputt und die nächsten Spannungen werden nur noch heftiger.

Bist du im Zeitdruck und kannst die 4. Stufe nicht die ganze Zeit wiederholen, dann hast du zum Schluss die Möglichkeit, ihn vor eine Entscheidung zu stellen:
„Wenn du dich jetzt nicht auf deinen Stuhl setzt und aufmerksam bist, kannst du am Spiel nicht teilnehmen. Ich freue mich, wenn du mit dazukommst, aber du musst entscheiden. So kannst du nicht mitmachen.“
Alex kann jetzt eine Entscheidung treffen. Traue der Teilnehmerin / dem Teilnehmer die Entscheidung zu. Wenn sie/er nachher nicht mitmachen kann, hat sie/er sich so entschieden und nicht die/der „blöde Mitarbeiterin/Mitarbeiter“ hat es verboten.

Natürlich kann und sollten solche Konfrontationen die Ausnahme im Gruppenalltag bleiben. Wenn es regelmäßig zu solch langwierigen und öffentlichen Konflikten mit den gleichen Teilnehmenden kommt, dann muss eine andere Lösung gefunden werden, damit nicht die ganze Gruppe darunter leiden muss. In solch einem Fall kann es hilfreich sein, mit den Eltern von Teilnehmenden zu sprechen oder sich von außen Rat zu holen. Wichtig beim Gespräch mit den Eltern ist, die Dinge sachlich anzusprechen. Dies kann gern im Beisein des Kindes geschehen. Besprecht, worauf ihr in der Gruppe wert legt und warum dies so wichtig ist. Versucht, die Eltern als Verbündete zu bekommen, um mit ihnen an einem Strang zu ziehen.

5. Rollenspiele

Die Methode der „nicht-eskalierenden Beharrlichkeit“ darf jetzt in Rollenspielen ausprobiert werden. Auch wenn Rollenspiele zu Anfang oftmals künstlich wirken, sind sie doch ein gutes Mittel, um Sicherheit zu bekommen und seinen Stil zu finden. Wenn man sich darauf einlässt, fällt die Hemmung weg und es macht Spaß.

Die Trainees werden in Gruppen eingeteilt. Sie haben kurz Zeit, die Beschreibung (s. Downloads) durchzulesen und ein paar Ideen für die Szene zu sammeln. Eine Person spielt den Mitarbeitenden, die anderen die Teilnehmenden. Im Anschluss werden die Szenen nacheinander vorgespielt und in der großen Gruppe ausgewertet. Folgende Fragestellungen sollten in der Auswertung bedacht werden: Wie war die Situation? Wie hätte der Mitarbeitende noch reagieren können? Was wäre dann vielleicht anders gewesen?

6. Der innere Schiedsrichter – Verantwortung übernehmen, Entscheidungen treffen

Damit Teilnehmende sinnvolle Entscheidungen (immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten) treffen können, brauchen sie einen Spielraum dazu. Das heißt, sie müssen ausprobieren können, wie man richtig streitet und was Fairness ist. Dazu eignet sich das Prinzip des „inneren Schiedsrichters“. Dieser innere Schiedsrichter schaut nur nach sich selbst und überprüft, ob es fair und ehrlich war, wie man sich gerade verhalten hat. Falls nicht, dann pfeift der innere Schiedsrichter, also er meldet sich, und man merkt, dass man sich gerade blöd verhalten hat.

Die Teilnehmenden sollten diese Möglichkeiten haben, Fairness zu lernen und zu erleben, sei es bei Spielen oder in schwierigen Situationen. In diesen Situationen kann man sie fragen, ob sich denn ihr innerer Schiedsrichter bei ihnen meldet. So wird sich die Gruppe im Laufe der Zeit immer mehr selbst regeln.

Eine gute Möglichkeit, den inneren Schiedsrichter einzuführen, ist das Spiel „Pommes rot-weiß“, bei dem die Teilnehmenden nach und nach ausscheiden, wenn sie Fehler machen. (Um dies nachzuempfinden, wird es im Anschluss mit den Trainees ausprobiert.) Dabei
erklärt man den Teilnehmenden, dass die Spielleitung zwar die Fehler sieht, aber nichts dazu sagen wird. Das Gleiche gilt für die Teilnehmenden untereinander. Das heißt, jede/ jeder schaut nur auf sich und entscheidet selbst, ob sie/er im Spiel bleibt oder nicht. So gibt man die Verantwortung an jede/jeden Einzelnen ab.
Wichtig: Die Teilnehmenden, die ausscheiden, bekommen einen Applaus. Es wird kurz geklärt, dass sie diesen Applaus für ihre Ehrlichkeit und Fairness bekommen. Sie bekommen Applaus, weil sie auf den inneren Schiedsrichter gehört haben. Fehler machen ist nicht schlimm, man soll nur zu ihnen stehen.

Mit Kinder- und Jugendgruppen kann dies immer wieder geübt und trainiert werden. In spannungsvollen Situationen kann man die Szenen aus diesem Spiel wieder herholen, um die Teilnehmenden an den inneren Schiedsrichter zu erinnern. Gleichzeitig hat man so die Möglichkeit, Teilnehmende, die sich einmischen wollen (was es oftmals noch schwieriger und komplizierter macht), daran zu erinnern, dass sie bei sich bleiben sollen und ihre Aufgabe (z. B. ruhig zu sitzen) gut machen sollen.

Neben diesem inneren Schiedsrichter braucht es aber trotzdem auch Mitarbeitende als äußeren Schiedsrichter. Sie geben den Rahmen vor, um die Gruppenstunde sinnvoll zu gestalten und um Konsequenzen einzufordern.

Spielerklärung „Pommes rot-weiß“

Auf dem Boden wird mit Kreppklebeband oder Kreide im Freien eine so lange Linie markiert, dass alle Teilnehmenden sich an die Linie stellen können. Die Spielleitung ruft abwechselnd und mit gewisser Geschwindigkeit (zu Beginn langsam, dann immer schneller) die vier Begriffe Pommes – Ketchup – Mayo – rot-weiß. Der dazu gehörige Befehl muss ausgeführt werden. Wer einen Fehler macht, scheidet ohne Diskussion aus. Gewonnen hat, wer bis zum Schluss alle Befehle richtig ausübt.
Ketchup: Alle stehen mit den Füßen rechts von der Linie.
Mayo: Alle stehen mit den Füßen auf der linken Seite.
rot-weiß: Alle stehen mittig mit je einem Bein links und rechts von der Linie.
Pommes: Alle klatschen einmal in die Hände, egal wo sie stehen.

7. Zusammenfassung

Zusammengefasst geht es um drei Ebenen (vgl. Akademie Eigen-Sinn, Fortbildungsmaterial), wie man spannungsvollen Situationen
begegnet. Hier wird das Thema der Einheit in Fragen formuliert. In spannungsvollen Situationen sollten für einen guten Lösungsansatz alle Ebenen bedacht werden.

Die persönliche Ebene

Mit welcher Haltung trete ich den Teilnehmenden gegenüber? Was sind meine Erfahrungen, Erlebnisse mit Gruppenarbeit und den Mitarbeitenden von damals und heute? Ich bin Vorbild (immer und überall). Was sind für mich Störungen, was ist okay, was nicht?

Diese Ebene ist die wichtigste, denn wir als Mitarbeitende sind das wichtigste Instrument, um den Teilnehmenden in der Gruppenstunde etwas weiterzugeben. Wenn ich an meine Zeit als Jungscharler denke, sind mir vor allem die Menschen mit Ecken und Kanten in Erinnerung. Die Personen, die für etwas einstehen, authentisch sind, zu ihrer Meinung stehen und auch Grenzen eingefordert haben. Erst dann kommt das Programm, das wir gemacht haben. Wie ist das bei dir?

Die Handlungsebene

Wo kann ich mir Rückendeckung und Hilfe holen? Wer unterstützt mich, wenn mich eine Situation überfordert? Mit wem kann ich im Nachhinein diese Situationen besprechen?

Du musst nicht alles allein können. Such dir ein Team, bilde dich fort, verwende gute Arbeitsliteratur.

Die strukturelle Ebene

Was trägt dazu bei, um eine gute Gruppenstunde ohne Störungen und spanungsvolle Situationen zu gestalten?

Rahmenbedingungen überdenken: Raumgröße, teilnehmergerechter Raum (Ausstattung), Teilnehmerzahl bzw. Anzahl der Mitarbeitenden, Altersspanne der Teilnehmenden, Zeitpunkt der Gruppenstunde, Einigkeit unter den Mitarbeitenden (gemeinsame Haltung, gute Absprachen, gemeinsame Unterstützung, rechtzeitige und gründliche Vorbereitung).

Klare (gemeinsam erarbeitete) Vorgaben verhindern spannungsvolle Situationen nicht. Aber als Mitarbeiterin/Mitarbeiter lernt man, entspannter damit umzugehen und dadurch noch lange Freude im Umgang mit Kindern und Jugendlichen zu haben.

8. Impuls

Warum Konfrontation? Jesus war sein ganzes Leben lang konfrontativ. Er ging keiner Auseinandersetzung aus dem Weg, er ging in Beziehung mit den Menschen, war echt und authentisch und vertrat eine klare Linie mit Herz. Er ist mit Überzeugung für seine Botschaft eingetreten. Er hat sich nicht darum gekümmert, was andere denken oder sagen, da er wusste: Es ist richtig und wichtig, Gottes Gebote und Gottes Liebe weiterzutragen.

Warum Regeln, warum Gesetze? Ich erlebe oft Regeln und Gesetze als etwas Einengendes, sie verbieten mir etwas, sind lästig … Gott aber weiß, dass wir Leitlinien brauchen. Wir brauchen Orientierung und Halt. Wenn wir dies begreifen, dann erleben wir Regeln als Hilfe und das Leben in sinnvoller Gemeinschaft ist möglich.

Literaturtipps

  • Riederle, Josef: Kampfesspiele® II … unterstützen Jungen in ihrer persönlichen Entwicklung und machen Spaß. Gewalt Akademie, Villigst 2011.
  • Rhode, Rudi / Meis, Mona Sabine / Bongartz, Ralf: Angriff ist die schlechteste Verteidigung. Der Weg zur kooperativen Konfliktbewältigung, Junfermann, Paderborn 3 2003 (antiquarisch erhältlich)
  • Unterlagen zu ROKT® – ressourcenorientierte konfrontative Trainings. Kinder- und Jugendwerkstatt Eigen-Sinn gGmbH. www.akademie-eigensinn.de

Kurzbeschreibung und Lernziel

Wo zwei oder mehr Menschen mit ihren unterschiedlichen Meinungen, Interessen und Ideen zusammenkommen, gibt es immer wieder Konflikte – auch in der Kinder- und Jugendarbeit. Oft werden Konflikte mit negativen Gefühlen wie Wut und Ärger verbunden. Deshalb scheuen sich viele Menschen davor. Dabei sind Konflikte nicht grundsätzlich schlecht. Sie bieten uns Chancen für persönliches Wachstum, kreative Lösungen und Veränderungen der Situation. Zum Thema Konflikte gibt es unzählige Modelle und Trainings. In der kurzen Zeit einer Trainee-Einheit lassen sich solch umfangreiche Modelle mit den Jugendlichen jedoch nicht erarbeiten oder gar einüben. Der vorliegende Entwurf konzentriert sich deshalb auf jeweils ein Modell, um Konflikte zu verstehen und Konfliktlösungen zu bewerten, sowie konkrete Tipps für ein Konfliktgespräch.

Tabellarischer Ablauf

Nr.InhaltDauerMaterial
1Spiel zum Einstieg (z. B. Zeitungsschlagen)10 – 15 minje nach Spiel, z.B. Zeitungsrolle, Klebestreifen
2Einführung ins Thema, Überblick über die Einheit und Zielsetzung2 min
3Klärung: Was ist ein Konflikt?5 minArbeitsblatt (s. Downloads)
4Konfliktsituationen aus dem Leben der Trainees25 minArbeitsblatt (s. Downloads), Stifte
5Das Eisbergmodell10 minausgeschnittener Eisberg, Kärtchen mit Begriffen (s. Downloads)
6Fünf Konfliktstile20 minKärtchen mit den fünf Konfliktstilen (s. Downloads), Plakat, Edding
7Sieben Tipps, um Konflikte zu lösen10 min
8Konfliktlösung einüben20 – 30 minKonflikte aus 4.
9Impuls5 min

1. Spiel zum Einstieg

Als Einstieg kann ein kurzes Spiel dienen, das ein gewisses „Konfliktpotenzial“ hat, z. B. Zeitungsschlagen. Für dieses Spiel wird eine Zeitung zusammengerollt und mit Klebestreifen fixiert. Die Trainees sitzen im Kreis, eine Person steht in der Mitte. Nun beginnt eine Person und sagt den Namen einer anwesenden Person. Die Person in der Mitte muss versuchen, die genannte Person mit der Zeitungsrolle auf die Schenkel zu treffen. Wenn die genannte Person einen anderen Namen aus der Runde sagen kann, bevor sie getroffen wird, darf sie nicht mehr abgeschlagen werden. Wer zu langsam ist oder einen falschen Namen sagt, wird abgeschlagen und muss in die Mitte.

2. Einführung ins Thema, Überblick über die Einheit und Zielsetzung

Als Einleitung in das Thema Konflikte kann eine Situation aus dem vorangegangenen Spiel aufgenommen werden (z. B. Uneinigkeit darüber, ob jemand den Namen schnell genug gesagt hat oder nicht; jemand hat sich geärgert, dass die Person in der Mitte zu stark zugeschlagen hat …). Ist es im Spiel zu keiner Konfliktsituation gekommen, kann gemeinsam überlegt werden, welche Konflikte auftreten könnten. Es wird darüber gesprochen, dass Konflikte in allen Bereichen auftreten, in denen Menschen zusammenkommen. Entscheidend ist, wie wir damit umgehen.

Zielsetzung der Einheit

  • Die Trainees verstehen konstruktiv gelöste Konflikte als Chance.
  • Die Trainees kennen das Eisbergmodell und fünf Konfliktstile.
  • Die Trainees können die sieben Tipps in einem gespielten Konfliktlösungsgespräch
    anwenden.

3. Was ist ein Konflikt?

Das Wort „Konflikt“ leitet sich vom Lateinischen „conflictus“ ab und heißt übersetzt „Zusammenstoß“. Bei einem Konflikt stoßen also verschiedene Meinungen, Interessen, Sichtweisen usw. aufeinander.

Für diese Einheit werden nur Konflikte betrachtet, die zwischen mindestens zwei Personen oder Gruppen bestehen. Aus dieser Konstellation ergeben sich hauptsächlich drei Konfliktarten (s. Downloads).
Gemeinsam mit den Trainees kann zu jeder Konfliktart ein Beispiel überlegt werden.

4. Konfliktsituationen aus dem Leben der Trainees

Die Trainees tauschen sich in Kleingruppen (ca. drei bis vier Personen pro Gruppe) über Konflikte aus, die sie im Alltag erleben oder erlebt haben. Einer der genannten Konflikte wird dann genauer anhand folgender Fragen analysiert (s. Downloads):

  • Welche Parteien sind am Konflikt beteiligt?
  • Was war der Auslöser für den Konflikt? Wer hat welches Interesse?
  • Wie ist der Konflikt verlaufen?
  • Gibt es bereits eine Lösung oder Lösungsvorschläge?
  • Welche Meinung habt ihr zu diesem Konflikt? Wie könnte eine Lösung aussehen / wie bewertet ihr die Lösung? Was hätte besser laufen können?

Auf eine ausführliche Vorstellung aller Konfliktsituationen im Plenum sollte aus Zeitgründen verzichtet werden. Die Ergebnisse aus den Kleingruppen werden unter „8. Konfliktlösung einüben“ in einem Anspiel der ganzen Gruppe vorgespielt.

5. Das Eisbergmodell

Bei einem aktuellen Konflikt können wir meist nur die Auswirkungen sehen, nicht aber die Gründe für den Konflikt. Das Eisbergmodell führt vor Augen, dass es nicht ausreicht, nur die oberflächlichen Symptome eines Konflikts zu bearbeiten. Eine wirkliche Lösung gelingt oft nur dann, wenn wir den Ursachen auf den Grund gehen.

Bei einem Eisberg sind nur ca. 10 bis 15% des Eises über Wasser, der größte Teil ist verborgen. Ähnlich ist es bei Konflikten auch. Nur ein kleiner Teil ist sichtbar und im Bewusstsein der beteiligten Personen, z. B. Worte, Fakten, Taten, Drohungen oder Schweigen. Ein großer Teil ist unsichtbar und spielt sich teilweise auch im Unterbewusstsein der beteiligten Personen ab, z. B. Gefühle (Angst, Neid, Kränkungen), Vorgeschichte, Interessen, Unsicherheit, Beziehung, Werte, Macht, Sympathie, Gewohnheiten und Wünsche.

Ganz besonders bei Konflikten zwischen Teilnehmenden in Kinder- und Jugendgruppen oder auf Freizeiten ist dieser Aspekt zu beachten. Wir sehen die Teilnehmenden nur eine kurze Zeit, viele gehen aber auf die gleiche Schule, sind im gleichen Verein usw. Immer wieder werden dort entstandene Konflikte dann auch bei unseren Angeboten weiter ausgetragen. Um so einen Konflikt tatsächlich zu beenden, reicht es nicht aus, auf die sichtbaren Auswirkungen einzugehen.

Die Trainees sollen schätzen, wie viel vom Eisberg sichtbar ist. Dazu wird ein Schlitz quer in ein Blatt Papier gemacht. Nun kann man den ausgeschnittenen Eisberg weiter heraus- oder hineinschieben. Anschließend sortieren die Trainees die Kärtchen mit den Begriffen zu „sichtbar“ oder „unsichtbar“ zu.

Zur Verdeutlichung kann folgendes Beispiel besprochen werden: Zwei Kinder streiten sich in der Gruppenstunde um eine Schere. Was ist an dem Konflikt sichtbar? Was könnte im Verborgenen eine Rolle spielen?

6. Fünf Konfliktstile (in Anlehnung an das Thomas-Kilmann Konflikt Modell)

Jede und jedem ist eine andere Art eigen, mit Konflikten umzugehen. Während die einen Konflikte grundsätzlich scheuen, suchen andere sie geradezu. Es ist hilfreich, sich selbst klarzumachen, zu welchem Stil man selbst tendiert. Ideal sind natürlich Lösungen, bei denen beide Seite ihr Ziel erreichen (Win-win-Situation). Manchmal kann es aber auch sinnvoller sein nachzugeben, als mit großem Aufwand den Konflikt zu bearbeiten. Konflikte anzugehen und mit Kompromiss oder Kooperation zu lösen, kann man einüben.

Die Trainees werden gefragt, wie Konflikte ausgehen können. Die fünf Konfliktstile werden vorgestellt und in ein „Koordinatensystem“ eingeordnet (s. Downloads). Die x-Achse ist dabei das Maß der Orientierung am eigenen Ziel, die y-Achse das Maß der Orientierung am Ziel der anderen Partei. Anschließend können die Trainees zu jedem Stil den Ausgang (lose-win, win-win usw.) zuordnen. Diese Aufgabe kann auch in den Kleingruppen bearbeitet werden. Dann können die Trainees durchdenken, wie ihr Beispielkonflikt mit den verschiedenen Ansätzen (Durchsetzen, Kooperation, Kompromiss, Flucht, Nachgeben) jeweils enden könnte.

Nachgeben / sich unterwerfen

Vor allem Menschen, die besonders harmoniebedürftig sind, neigen dazu, ihre eigenen Interessen zurückzustellen, um einen Konflikt zu beenden. Dabei verzichten sie aber auf die Umsetzung ihrer eigenen Ziele und stauen evtl. doch Ärger an. Wer nachgibt, verliert den Konflikt: Lose-win-Situation.

Flucht/Vermeidung

Dieser Lösungsansatz will den Konflikt gar nicht sehen und versucht, ihn zu verdrängen, totzuschweigen oder sich der Konfliktsituation ganz zu entziehen. Wer sich dem Konflikt entzieht, verliert: Lose-win-Situation.

Durchsetzen

Wenn sich eine Person durchsetzt, werden oft Drohungen und Machtgefälle (z. B. Eltern-Kind, Lehrer-Schüler) benutzt, um das eigene Ziel zu erreichen. Die eigenen Interessen werden auf Kosten des Gegenübers erreicht: Win-lose-Situation.

Kompromiss

Beim Kompromiss geben beide Konfliktparteien ein Stück ihres Zieles auf, sodass beide Seiten die Lösung akzeptieren können. Damit erreichen beide Seiten ein Teilziel, aber keine Seite erreicht ihr Ziel vollständig: Win-win oder Lose-lose-Situation, je nach Sichtweise.

Kooperation / kreative Zusammenarbeit

Bei der Kooperation versuchen beide Konfliktparteien, ihre Bedürfnisse auszutauschen und kreative Lösungen zu finden, die beiden Seiten gerecht werden. Das ist die schwierigste Art der Konfliktlösung, dafür gewinnen am Ende beide Seiten: Win-win-Situation.

7. Sieben Tipps, um Konflikte zu lösen

Die folgenden Tipps sind hilfreich, um ein Gespräch zur Konfliktlösung zu führen.

  1. Konflikte zeitnah bearbeiten: Je länger sich ein Konflikt aufbauen kann, desto heftiger wird er oft. Wenn Konflikte früh angesprochen werden, besteht die größte Chance, sie mit einer Win-win-Situation klären zu können.
  2. Ort und Zeitpunkt wählen: Um Konflikte anzugehen, sollte man eine ruhige Atmosphäre ohne Störungen und genügend Zeit haben. Zeitdruck verhindert kreative Lösungsideen. Konflikte zwischen Einzelpersonen sollten nicht vor der ganzen Gruppe besprochen werden. Bei größeren Konflikten macht es Sinn, ein extra Treffen auszumachen.
  3. Moderation klären: Wenn man selbst Teil des Konfliktes ist, kann es hilfreich sein, das Konfliktgespräch von einer neutralen Person moderieren zu lassen.
  4. Dem Konflikt auf den Grund gehen: Beide Seiten dürfen ihre Sicht des Konflikts aussprechen, ohne dabei unterbrochen zu werden. Dabei sollte auf Ich-Botschaften geachtet werden (z. B.: „Ich fühle mich unwohl, wenn du heimlich mit anderen über mich redest.“ anstatt: „Du lästerst immer über mich.“). Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Leitfrage: Was brauche ich, damit der Konflikt beendet werden kann?
  5. Lösungsmöglichkeiten suchen: In diesem Schritt dürfen alle Ideen genannt werden, entscheidend ist, dass die Konfliktparteien kreativ werden. Erst im nächsten Schritt werden die Ideen bewertet.
  6. Ideen bewerten und eine Entscheidung treffen: Nun werden die gesammelten Lösungsideen bewertet und auf ihre Umsetzbarkeit geprüft. Die Parteien einigen sich auf eine Lösung.
  7. Vereinbarung treffen: Die Konfliktparteien einigen sich auf eine Lösung. Diese muss deutlich ausgesprochen, evtl. sogar aufgeschrieben werden. Alle Beteiligten müssen ihr freiwillig, klar und deutlich zustimmen (schriftliche Vereinbarung).

8. Konfliktlösung einüben

Zum Abschluss der Einheit sollen die Trainees nun das Gelernte anwenden und in Rollenspielen verschiedene Lösungsmöglichkeiten vorspielen. Dazu gehen die Trainees wieder in die Kleingruppen zusammen. Als Vorlage dienen die Konflikte, die unter „4. Konfliktsituationen aus dem Leben der Trainees“ bearbeitet wurden. Steht noch genügend Zeit zur Verfügung, können die Gruppen alle fünf Lösungsansätze vorspielen. Wird die Zeit knapp, können die Ansätze „Nachgeben“, „Flucht“ und „Durchsetzen“ auf die Gruppen verteilt werden. Die Ansätze „Kompromiss“ und „Kooperation“ sollte jede Gruppe vorbereiten. Ziel ist es, anhand der Tipps zur Konfliktlösung ein beispielhaftes Konfliktgespräch und Lösungsideen zu entwickeln. Die Gruppen spielen ihre Konflikte vor, die Mitarbeitenden können Feedback zu den Konfliktgesprächen und Lösungsideen einbringen.

9. Impuls

Konflikte bringen oft Wut, Ärger und Verletzungen mit sich. Wiedergutmachung kann die äußeren Gräben schließen, doch für die inneren Wunden braucht es Vergebung. Wir brauchen den Zuspruch, dass unsere Schuld vergeben ist, um wieder befreit leben zu können.

In Matthäus 18,21­22 macht Jesus deutlich, dass unsere Bereitschaft zur Vergebung keine Grenze kennen soll. Und im Vaterunser verknüpft er sogar unsere Bitte um Gottes Vergebung damit, dass wir unseren Mitmenschen vergeben:

„Und vergib uns unsere Schuld –
so wie wir denen vergeben haben,
die uns gegenüber schuldig geworden sind“ (Mt 6,12 BB).

In manchen Situationen erscheint uns diese Forderung fast unmenschlich. Aber Gott kann uns verändern und wir können ihn bitten, dass er das Menschenunmögliche doch möglich macht.

Die meisten Kinder und Jugendlichen sind friedfertig und greifen höchstens zum eigenen Schutz zu körperlicher Gewalt. Es gibt aber auch leider immer wieder Ausnahmen und diese Kinder oder Jugendlichen argumentieren dann eher mit den Fäusten und wüsten Beleidigungen, anstatt mit hilfreichen Worten. Und da sind wir als Mitarbeitende gefordert. Denn auch in der christlichen Kinder- und Jugendarbeit ist es uns ein Anliegen das soziale Miteinander zwischen Kindern und Jugendlichen in Gruppen und auf Freizeiten zu fördern und Kinder und Jugendliche in gute Beziehungen zu sich selbst und zu anderen zu bringen.

Auf dieser Seite werden Angebote, Gedankenanstöße und ausgearbeitete Themenentwürfe zum Thema „Umgang mit Gewalt“ zur Verfügung gestellt um Mitarbeitende bei diesem Themenkomplex zu unterstützen.

Didaktisches Arbeitsmaterial zum Dokumentarfilm „Nach Parchim“

In den letzten Jahren werden in Deutschland vermehrt Res­sentiments gegenüber Geflüchteten geschürt. Dies steuern rechtsextreme und rechtspopulistische Gruppierungen ge­zielt, es zeigt sich jedoch auch in alltäglichen Gesprächen zwischen Mitmenschen. Im 22-minütigen Kurzfilm „Nach Parchim“ kommen zwei Gefüchtete selbst zu Wort und schildern ihre Perspektiven und Erfahrungen. Die Alltäglichkeit der Szenen und die Verwobenheit der beiden Fluchtgeschich­ten ermöglichen es, Flucht anhand des Films als universelle menschliche Erfahrung zu thematisieren und Empathie mit den Protagonist*innen1 zu entwickeln.

Das Material ist in fünf Bausteine zu unterschiedlichen Themen gegliedert. Die Bausteine können unabhängig voneinander verwendet und beliebig kombiniert werden. Untenstehend sind die einzelnen Bausteine beschrieben.

Die Bausteine sind sowohl für den Einsatz im schulischen als auch im außerschulischen Bereich erarbeitet worden und sind für Jugendliche und junge Erwachsene ab der 8. Klassenstufe geeignet. Sie müssen daher an die jeweilige Situation und Altersstufe angepasst werden.

Kurzbeschreibung des Films

Ulla Struck lebt schon lange Zeit in Parchim, Moner ist gera­de erst angekommen. Ulla ist Bewohnerin eines Alten- und Pflegeheims, Moner besucht die Grundschule. Sie blickt auf ein langes Leben zurück, er steht noch an dessen Beginn und lernt neugierig die neue Sprache „Deutsch“, spielt mit Freun­den oder besucht den Schwimmunterricht. Obwohl sie so un­terschiedlich wirken, teilen sie ein gemeinsames Schicksal: Moner und Ulla Struck mussten fliehen. Beide mussten ihre Heimat verlassen und sich vor Krieg und Gewalt in Sicherheit bringen. Sie beide fanden Zuflucht im mecklenburgischen Parchim. Im Kurzfilm „Nach Parchim“ von Johanna Huth und Julia Gech­ter2 aus dem Jahr 2018 werden die Geschichten von Ulla Struck und Moner zu einer gemeinsamen Erzählung verwo­ben. Eingebettet in Alltagsszenen berichten Protagonistin und Protagonist von ihren Erfahrungen auf der Flucht und ihrer ersten Zeit in Parchim. Beide bieten durch ihre authentischeDarstellung Möglichkeiten zur Perspektivenübernahme und zum empathischen Einfühlen in die von ihnen geschilderten Erfahrungen und Situationen.

Der Film zum Download

Der Film (22 Min.), die Broschüre und ein Interview mit den Filmemacherinnen (7 Min.) können auf der Website der Deut­schen Gesellschaft für Demokratiepädagogik e.V. (DeGeDe) für den nicht-kommerziellen Einsatz im Bildungsbereich kos­tenlos heruntergeladen werden: https://www.degede.de/nachparchim/

Hinweis: Der Film muss über den Warenkorb „gekauft“ werden, er wird dann aber zum kostenlosen Download freigeschaltet.

Bausteine zum Film „Nach Parchim“

Das didaktische Material ist thematisch-modular aufgebaut, die Bausteine können unabhängig voneinander genutzt werden. Das Material wurde für die schulische und außerschulische Bildungsarbeit entwickelt und soll durch unterschiedliche Niveaus und Methoden verschiedene Ziel- und Niveaugruppen ab Klassenstufe 8 ansprechen. Es dient daher als Ideen- und Impulsgeber und muss auf die jeweilige Situation angepasst werden.

Baustein: Filmanalyse

Ausgangsfrage: Wie verstehe ich den Film?

Verlauf:

  • Übung Landkarte – eigene Migrationsprozesse in der Familie reflektieren
  • Filmbetrachtung
  • Filmeindrücke wahrnehmen und reflektieren
  • Biographien von Moner und Ulla Struck zusammentragen und bewusst machen
  • Vergleich der Biographien

Baustein: Flucht und Asyl

Ausgangsfrage: Warum gewährt die Bundesrepublik geflüchteten Menschen Asyl?

Verlauf:

  • Bildbetrachtung
  • Textarbeit über ein Gruppenpuzzle mit Texten, die demokratisch oder religiös begründen
  • Argumente gegen populistische Aussagen formulieren, z.B. gegen „Unsere christlichen Werte sind in Gefahr“
  • Zusatzmaterial/ Alternativen:
    • Wandzeitung: Kontextwissen erarbeiten zum Syrienkrieg und zur Situation nach dem 2. Weltkrieg in Ostpreußen
    • Rollenspiel „Gemeinderatssitzung Asyl-Unterkunft“

Baustein Fremdsein, Vorurteile und Diskriminierung

Ausgangsfrage: Welche Erfahrungen machen Geflüchtete/ Fremde beim Heimatfinden?

Didaktischer Verlauf:

  • Meine Fremdheitserfahrungen – Reflexion eigener Fremdheitserfahrungen
  • Analyse von Fremdheitserfahrungen im Dokumentarfilm „Nach Parchim“
  • Begriffsdefinition „Diskriminierung“
  • Online-Recherche zu Ausgrenzung von Geflüchteten aus Ostpreußen nach dem Zweiten Weltkrieg

Baustein Deutschland als Migrationsgesellschaft

Ausgangsfrage:Ist die Bundesrepublik eine Migrationsgesellschaft? Wo begegne ich Migration?

Didaktischer Verlauf:

  • Zeitstrahl zu Deutschland als Migrationsland Migrationsprozesse sammeln und einordnen
  • Kleingruppenprojekt: Interview- und Biographieprojekt mit Geflüchteten oder in die Bundesrepublik Immigrierten aus der Familie oder dem Bekanntenkreis mit Fokus auf Deutschland als Migrationsland, Erarbeitung von Präsentationen
  • Medienkritische Reflexion:  Herausforderung Inhalte und Szenen auszuwählen

Eine Mitmachaktion des EJW-Weltdienst

Verändern – verändert!

Wir glauben an Veränderung. In Begegnungen und im Austausch mit Menschen in unseren Partnerschaften in Afrika, im Nahen Osten und in Osteuropa begeistert es uns immer wieder zu erleben, wie sie sich für andere Menschen einsetzen, für Veränderung in ihrem Umfeld sorgen und dadurch selbst verändert werden. Diese Beobachtung greifen wir auf. Wir wollen uns unsere Partner zum Vorbild nehmen und selbst anpacken: vor Ort unsere Haltung und Verhalten gegenüber Menschen und Umwelt verändern und erleben wie Verändern verändert.

Mit der CHANGEMAKER Aktion rufen wir Jugendliche auf: Starte DEIN Projekt! Dieses Material (s. PDF zum Download) enthält Ideen für einen Workshop mit Jugendlichen zum Thema Klimagerechtigkeit.

PS.: Dieses Material ist ein Teil der CHANGEMAKER-Aktion des EJW-Weltdienstes (www.change-maker.info). Auf der Homepage findet ihr weitere ermutigende Beispiele.

Ein Gruppenstundenentwurf zur Gerechtigkeit

Schokoladen-Spiel (15 Min)

Setzt euch im Kreis hin. Nun gebt ihr eine Tafel Schokolade in die Runde. Dabei gelten für alle die gleichen Regeln:

1.  Jeder darf sich ein beliebig großes Stück abbrechen und essen.

2.  Keiner darf die ganze Tafel behalten.

Wenn sich jemand ein Stück abgebrochen hat, gibt er die Tafel an den nächsten im Kreis weiter. Das Spiel ist zu Ende, wenn sich das Stück nicht mehr teilen lässt.

Reflexion

Fragt 2-3 Leute, am besten jemanden vom Anfang, aus der Mitte und vom Ende der Reihe, welche Gedanken ihnen durch den Kopf gegangen sind.

Gruppenarbeit: Wo begegnet uns Ungerechtigkeit? (20 Min)

Bildet Gruppen mit 3-5 Leuten und möglichst mit einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter und unterhaltet euch über folgende Fragen:

1.  Wo habe ich selbst Ungerechtigkeit erlebt?

2.  Wo beobachte ich Ungerechtigkeit in meinem Umfeld (Klasse, Sportverein, im Freundeskreis, …)

3.  Wo beobachte ich Ungerechtigkeit weltweit?

Alternative für die Älteren:
Diskutiert in kleinen Gruppen: Was ist der Unterschied zwischen Gerechtigkeit und Gleichheit?

Videos (10 Min)

Schaut euch die Videos von Dina und Alemayehu an.

[Link]

Startet Euer Projekt! (30 Min)

Dina kommt aus dem YMCA Nigeria, Alemayehu aus dem YMCA Äthiopien. Beide haben ungerechte Situationen erlebt. Und beide haben einen Weg gesucht und gefunden, um sich für Gerechtigkeit einzusetzen. Dina hat sich mit ihrem YMCA für Flüchtlinge stark gemacht. Alemayehu hat sich für Frieden eingesetzt.

Ungerechte Situationen verändern sich selten von selbst. Das Gute: Wir können etwas verändern! Vielleicht nicht gleich die ganze Welt, aber in unserem Umfeld können wir für Gerechtigkeit sorgen. Oft unterschätzen wir den Einfluss, den wir haben. Wichtig dabei: Wir müssen es tun!

Schaut euch mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das Plakat an.

Denkt noch mal kurz an die Gruppenarbeit: Welche der Situationen könntet ihr verändern? Überlegt euch als Gruppe eine Situation, die ihr miteinander anpacken und verändern wollt, und tragt sie in das Plakat ein. Überlegt euch dabei möglichst konkrete Schritte. Plant sie ggf. in euer Programm ein.

Einige Beispiele:

•   Wir organisieren mit Flüchtlingen einen Spielenachmittag.

•   Wir laden Obdachlose zum Bäcker ein

•   Ich sage nein, wenn jemand unrecht über andere redet.

•   Wir achten darauf, dass in unserer Gruppe alle fair behandelt werden.

•   Wir organisieren eine Orangenaktion
oder einen Weihnachtsverkauf und unterstützten damit Kinder in anderen Ländern der Welt.

Erzählt die Beispiele nicht gleich am Anfang. Die motivieren zwar zum Nachmachen, aber es geht mehr darum, eine der ungerechten Situationen anzugehen, die ihr selbst entdeckt habt. Fragt eure Teilnehmerinnen und Teilnehmer, welche Situation sie anpacken wollen. Wenn sie keine Ideen haben, könnt ihr das eine oder andere Beispiel nennen.

Alternative: Verteilt Postkarten und Stifte. Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer schreibt eine Situation auf die Rückseite, die er oder sie verändern will. Sie können sie im Zimmer aufstellen oder an die Haustüre kleben, damit man sich beim Rausgehen daran erinnert.

Schluss (15 Min)

Schließt mit der Andacht „Gott liebt Gerechtigkeit“ und einem Gebet ab.

Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer kann als Erinnerung eine der Postkarten zur Gerechtigkeit mit nach Hause nehmen.

Gebet

Herr, unser Gott, danke für all die Situationen, in denen wir Gerechtigkeit erleben dürfen. Es gibt aber trotzdem Situationen, die ungerecht sind. Herr, du beauftragst uns, uns für Gerechtigkeit einzusetzen. Mach uns wach, dass wir Ungerechtigkeit sehen und mach uns mutig, uns für Gerechtigkeit einzusetzen, wo wir es können.

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