Von Nöten

Im neuen KON-Thema »Von Nöten« sind Hintergrundartikel für Mitarbeiter*innen, Stundenentwürfe und Bibelarbeiten zu finden, die sich thematisch mit der eigenen Not und der anderer auseinandersetzen und Hilfe geben, wenn es im Leben »brennt«. Von der Peer-to-Peer-Seelsorge bis zu Stressbällen bieten sie Kraftfutter für die Seele und Tipps zur Stressbewältigung. Sie zeigen, wie Jesus selbst Not erfahren hat und mit der Not anderer umgegangen ist.

Und dann ist da noch das »notwendig«: Was brauche ich eigentlich wirklich zum Leben?

Wer kennt es nicht: Da ist man zusammen unterwegs und da kann es durch die Intensität der gemeinsamen Zeit, aufgrund von Streitigkeiten innerhalb der Gruppe oder auch von Heimweh immer mal wieder dazu kommen, dass es jemandem schlecht geht und Tränen fließen. Das ist immer ein heikler Moment. Wie geht man damit am besten um? Ignorieren ist sicherlich keine Option.

Hier ist eine besondere Form der »Ersten Hilfe« vonnöten: Seelsorge. Dieser Beitrag gibt einen kleinen Einblick in eine besondere Form, die Methode der »Peer to Peer«-Seelsorge. Das klingt erst einmal echt hochtrabend und wichtig, auch wenn die wenigsten damit konkret etwas verbinden können – außer vielleicht, dass es in der Regel Pfarrer*innen oder Diakon*innen sind, die Seelsorge anbieten. Aber ist das auch so?

Per Definition ist Seelsorge eine »aus dem christlichen Glauben motivierte und im Bewusstsein der Gegenwart Gottes vollzogene Zuwendung. Sie gilt dem einzelnen Menschen, der Rat, Beistand, Trost in Lebens- und Glaubensfragen in Anspruch nimmt, unabhängig von dessen Religions- bzw. Konfessionszugehörigkeit.«

Da steht jetzt erst mal nicht, dass diese besondere Form der »Ersten Hilfe« nur beruflichen Menschen vorbehalten ist. Das wäre ja auch Unsinn, denn häufig sind die ehrenamtlichen Teamer*innen ja viel näher an den Teilnehmenden der Gruppe dran: in den Kleingruppen, bei der »Gute Nacht«-Runde, beim gemeinsamen Tisch-Dienst … Darum ist es besonders wichtig, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen – denn du kannst dich in dem Moment, wenn jemand weinend vor dir steht, nicht einfach wegducken und auf die Beruflichen verweisen. Du kannst direkt helfen und dich als erste*r Gesprächspartner*in anbieten – und danach zusammen mit der Person losgehen und weitere Hilfe suchen, so das denn nötig ist.

Eine sehr gute Methode, sich auf diese Form der Notfälle vorzubereiten, ist eine Schulung im Bereich »Peer-to-Peer«-Seelsorge. Hier geht es darum, sich intensiv mit dem Handlungsfeld auseinanderzusetzen und ein Gefühl für das zu bekommen, was man selbst in dieser Situation leisten kann – und was eben nicht.

In so einer Schulung geht es vor allem darum, eine eigene Haltung zu entwickeln, sich sensibilisieren zu lassen für Momente, in denen ein Gesprächsangebot gut und hilfreich sein kann – denn manchmal kann man beim Gegenüber die »Not« schon fast mit Händen greifen, auch wenn die betroffene Person dazu erst einmal gar nichts sagen kann.

Mit dieser kleinen Ablauf-Skizze wollen wir dich motivieren, eine »Peer-to-Peer«-Schulung bei deinem CVJM, der Kirchengemeinde bzw. dem Kirchenkreis oder an anderer geeigneter Stelle zu besuchen – die Skizze soll keine Schulung ersetzen.

1. Schritt: Gesprächsbedarf und -situationen erkennen

Was für Situationen kennst du, in denen eine Person Hilfe benötigt hat?
-> Dabei kann es um eigene Erfahrungen gehen oder solche, die man bei anderen erlebt hat.

Wie war das zu erkennen?
-> Fragen nach Mimik, Gestik, Sprache, allgemeinem Verhalten, direktes Ansprechen …

2. Schritt: hilfreiche Methoden sammeln

Was für Reaktionen können in so einem Fall hilfreich sein?
-> Erinnere dich an eine Situation, in der du Hilfe gebraucht hast und vervollständige einen Satz: »Damals hat mir geholfen, dass …« bzw. »Nicht geholfen hat mir, dass …«

3. Schritt: persönliche Möglichkeiten und Grenzen meiner Gesprächsführung

Was kann dich bei deinem Wunsch, der betroffenen Person zu helfen, bremsen?
-> Überlege dir, was du für innere »Grenzen« hast (Thema, Person, eigene Ressourcen) oder welche äußeren Begrenzungen (Tagesplan, eigene Termine …) dich behindern

4. Schritt: Gesprächsende markieren

Woran kannst du erkennen, dass das Gespräch zu Ende ist?
-> Was für Signale gibt es, wie kann man ein Gespräch beenden?

5. Schritt: Selbstfürsorge

Was kannst oder solltest du nach einem Gespräch machen, damit es dir gut geht?
Wann musst du mit einem Beruflichen über so ein Gespräch reden?

Am Ende einer solchen Schulung wirst du wissen, dass es gar nicht darum geht bzw. gehen kann, die »Welt zu retten« – aber dass du die Welt der betreffenden Person zumindest etwas besser machst.

Auf jeden Fall haben wir allen Grund dazu! Das wird in den neuen Angeboten der KON-Redaktion zu den »Ich bin« Worten Jesu deutlich – weil ER für uns alles Lebensnotwendige IST.

Neben hilfreichen Themenartikeln für MitarbeiterInnen gibt es interaktive Bibelarbeiten und kreative Stundenentwürfe für die Gruppe, mit Ideen für die Adventszeit und darüber hinaus – zum Guten Hirten, (offenen) Türen, Weinstock und Reben, Brot und Auferstehung und Leben.

Die Ich-bin-Worte

sind zentrale Aussagen des Johannesevangeliums.

Sie lauten:

Joh 6,35Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.
Joh 8,12Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.
Joh 10,7.9Ich bin die Tür zu den Schafen. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.
Joh 10,11.14Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen und die Meinen kennen mich, wie mich mein Vater kennt; und ich kenne den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.
Joh 11,25Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Joh 14,6Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.
Joh 15,1.5Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Mit diesen sieben Sätzen versucht der Verfasser des Johannesevangeliums zu erklären, wer Jesus Christus ist und was er für die gläubigen Menschen sein kann.

Aufgebaut sind sie alle sehr ähnlich: Sie beginnen mit der klaren Aussage „Ich bin“, gefolgt von einem (für die damalige Zeit) verständlichen Bild aus dem Alltag der Menschen (Brot, Licht …). Anschließend folgt ein Zusatz, eine Ergänzung oder weiterführende Erklärung des Bildes bzw. der Bedeutung Jesu. So verdeutlichen die Ich-bin-Worte die Heilsbedeutung Jesu.

Vom Verfasser des Johannesevangeliums werden diese Worte Jesus in den Mund gelegt, sie müssen historisch-kritisch betrachtet aber nicht unbedingt von Jesus selbst ausgesprochen worden sein. Ob Jesus diese Aussagen wirklich selbst über sich getätigt hat, lässt sich nicht abschließend beantworten. Es spielt aber auch keine entscheidende Rolle. Viele wichtiger ist, was die Ich-bin-Worte über Jesus und seine Bedeutung für uns Menschen aussagen wollen.

Auffällig ist, dass nie formuliert ist: „Ich bin wie das Brot …“ oder „Ich zeige euch den Weg …“. Die Formulierung ist jedes Mal „Ich bin das Brot/der Weg …“. Jesus ist also nicht nur wie das Brot, das Licht usw., Jesus ist es – in seiner Person selbst. Auf diese Weise gibt sich Jesus im Johannesevangelium als Gott selbst zu erkennen.

Gott hat sich im Ersten Testament zuerst mit einem Ich-bin-Wort vorgestellt: „Ich bin, der ich bin“ (Exodus 3,13f). Diese Art der Selbstoffenbarung greift Jesus im Johannesevangelium auf und betont damit seine besondere Verbindung zu Gott als seinem Sohn. Auf diese Weise macht der Verfasser des Evangeliums deutlich, dass Jesus Christus der Einzige ist, der Gott offenbaren kann und an dem die Menschen sich orientieren sollen.

Die »Ich bin«-Worte für Jugendliche erklärt

Wie könnten wir diese Worte heute in unserer Zeit in eine Sprache und Bilder übersetzen, die unsere Kinder und Jugendlichen gut verstehen?

Die Bilder und Symbole der Ich-bin-Worte sind relativ universell und können sicher auch heute noch gut verstanden werden. Es kann jedoch trotzdem sinnvoll sein, sich mit Kindern und Jugendlichen Gedanken über modernere Ausdrücke zu machen, um die biblischen Worte neu mit Leben zu füllen.

Die hier aufgeführten Vorschläge können vielleicht nicht von allen Menschen komplett verstanden werden und sind sicher manches Mal unzureichend. Aber sie können und sollen Anregungen zu weiteren Gesprächen und Diskussionen über die Ich-bin-Worte und ihre Bedeutung geben.

Hier findest du einige Vorschläge und Anregungen, aber frag gerne die Kinder und Jugendlichen in deiner Gemeinde selbst einmal nach ihren Ideen, welche Begriffe sie in der heutigen Zeit verwenden würden.

Ich bin das Brot des Lebens.

Brot als lebenswichtiges Grundnahrungsmittel, überlebenswichtig! In beiden Testamenten wird von Speisungswundern berichtet: Im ersten Testament ist das Volk Israel auf jahrelanger Flucht und Wanderung durch die Wüste. Damit sein Volk nicht verhungert, lässt Gott Manna (ungesäuertes Brot) vom Himmel fallen. Im zweiten Testament speist Jesus mehrere Tausend Menschen mit nur 5 Broten und 2 Fischen. Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin dein Geldautomat.

Ich bin das Licht der Welt.

Licht, das auch durch die Dunkelheit scheint, alles hell erleuchtet und damit Ungewissheit und Angst nehmen kann.
Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin dein Smartphone (mit Taschenlampe, Suchmaschine, usw.)

Ich bin die Tür.

Einladend, ich darf hindurch gehen und bin dann in Sicherheit an einem guten, friedlichen Ort. Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin dein Zuhause/dein SavePlace.

Ich bin der gute Hirte.

Der gute Hirte kümmert sich um seine Schafe, er versorgt sie mit allem, was sie brauchen, beschützt sie, ist immer da. Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin dein bester Freunde/deine beste Freundin.

Ich bin die Auferstehung und das Leben.

Der Wunsch und der Glaube, dass unser Leben nach dem Tod nicht zu Ende ist; dass es nicht sinnlos ist; dass wir unsere Angehörigen noch einmal wiedersehen können. Hier wird es schwer ein konkretes Bild zu finden … Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin deine Hoffnung. Vielleicht auch: Ich bin dein Herzschrittmacher.

Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Weg, Wahrheit und Leben als alles, was nötig ist für ein gelingendes Leben. Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin dein Google Maps und zeige Dir, wo es lang geht. Oder auch: Ich bin dein Coach/deine Therapeutin und helfe dir immer weiter.

Ich bin der wahre Weinstock.

In Israel damals ein bekanntes, häufiges Bild: Gott als der Weinbauer und das Volk Israel/die Juden als Weinberg Gottes bzw. hier als die Reben am Weinstock Jesu. Jesus ist in diesem Bild als Weinstock also als eine Art „Verbindung“ zwischen Gott und den Menschen. Eine mögliche Übersetzung für Heute: Ich bin Smartphone/Telefon. Oder auch: Ich bin das Internet, das alle Menschen miteinander verbindet und Kontakt überall hin ermöglicht.

Tritt ein – wir freuen uns, dass du da bist!

Als Kirche im Großen und Gemeinde/Gruppe im Kleineren möchten wir gern einladend sein. Wir freuen uns, wenn neue Menschen zu unseren Angeboten dazu kommen. Aber nach außen wirken wir wahrscheinlich für viele gar nicht so einladend, wie wir gerne wären. Oft ist für Menschen, die noch nicht zu unseren Gruppen und Kreisen kommen, die Hürde hoch, in Kirchen oder Gemeindehäuser zu gehen – ganz egal ob Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. Viele Menschen wissen nicht genau, was wir bei unseren Angeboten machen, haben vielleicht falsche, vielleicht veraltete Vorstellungen.

Wie können wir diesen Menschen zeigen, wer wir sind, was uns wichtig ist und was wir gerne tun? Dafür gibt es viele Möglichkeiten – manche weit verbreitet, andere, die neu gedacht und ausprobiert werden möchten. Hier findest du verschiedene Vorschläge und Ideen, wie ihr mit eurer Gemeinde oder Gruppe neue Menschen zu euch einladen und bei euch begrüßen könnt:

Öffentlichkeitsarbeit – Werbung – Infos für alle

Ein Schritt, um offen und einladend zu sein, ist sicher, bekannt zu machen, wer ihr seid, wann und wo ihr euch trefft und was ihr macht. Das könnt ihr tun, in dem ihr Infos zu eurem Angebot veröffentlicht:

  • auf der Homepage eurer Gemeinde
  • im Gemeindebrief
  • in den Schaukästen an Kirche und Gemeindehaus
  • auf Flyern oder Plakaten, die ihr in Kirche, Gemeindehaus und vielleicht auch an anderen Orten in eurem Dorf oder Stadtteil auslegt oder aufhängt

Schreibt die Texte und gestaltet die Flyer und Plakate doch gemeinsam in eurer Gruppenstunde. Macht Fotos oder malt Bilder, die von euch und eurem Programm erzählen.

Ein paar Tipps dafür:

Homepage:
  • Fasst euch kurz und nennt die wichtigsten Infos über euch.
    • Gruppe: Wer seid ihr?/Wie alt sollte man sein, um zu euch zu kommen?
    • Ort: Wo trefft ihr euch?
    • Zeit: Wann trefft ihr euch?
    • Was macht ihr? Vielleicht habt ihr einen Programm-Plan für die nächsten Wochen, den ihr hier veröffentlichen könnt. Oder ihr könnt ein paar kurze Stichpunkte sagen zu dem, was ihr so macht (singen, basteln, spielen z.B.).
    • Wen kann ich ansprechen, wenn ich weitere Fragen habe? Gebt einen Kontakt an, am besten mit Telefon und Mailadresse.
  • Ein schönes, aussagekräftiges Bild von euch wirkt auch toll auf einer Homepage. Es macht die Menschen neugierig und motiviert sie genauer nachzulesen, wer ihr seid.
Flyer/Plakate:
  • Fasst euch auch hier kurz und sucht ein einladendes Bild aus, das ihr hier abdrucken dürft. Bei Bildern, egal, o ihr sie digital oder gedruckt veröffentlicht, ist immer wichtig, dass ihr die Rechte am Bild habt und jede Person, die auf dem Bild zu sehen ist, mit der Veröffentlichung einverstanden ist. Lasst euch das am besten schriftlich zusichern. Ansonsten sollten auf Flyer und Plakate die gleichen kurzen Infos wie auch auf die Homepage.
Gemeindebrief

Im Gemeindebrief könnt ihr ausführlicher von eurer Gruppe berichten. Hier lohnt es sich, einen längeren Text zu formulieren, in dem ihr z. B. von einer bestimmten Aktion (einem tollen Ausflug oder einen anderen besonderen Programmpunkt) erzählt. Dabei dürft ihr gern auch etwas emotional werden und nicht nur nüchtern Daten und Infos wiedergeben wie auf Flyer oder Homepage. Vergesst aber auch im Gemeindebrief nicht, die wichtigen Infos und Daten eurer Gruppe anzugeben (Wer?, Wo?, Wann? und Ansprechperson). Im Gemeindebrief ist oft auch Platz für mehrere Bilder. Das wirkt lebendig und regt Menschen an, euren Artikel ganz zu lesen. Super ist es, wenn ihr in jeder Ausgabe eures Gemeindebriefs mit einem neuen Artikel vertreten seid.

Schaukästen

Je nachdem, wie viel Platz euch eure Gemeinde im Schaukasten zu Verfügung stellen kann, könnt ihr entweder eins eurer Plakate dort aushängen oder neben den wichtigen Infos zu eurem Angebot auch noch mehr Bilder aus eurer Gruppe. Diese machen die Menschen, die am Schaukasten vorbei gehen, neugierig und bewegen sie dazu, stehen zu bleiben.

Kirchentür

Eine weitere Möglichkeit, Menschen auf euch aufmerksam zu machen und zu euch einzuladen, kann auch eine gestaltete Kirchentür sein. Kirchentüren sind oft geschlossen und aus dunklem Holz. Das wirkt nicht gerade einladend.

Habt ihr schon mal darüber nachgedacht, die Tür auffällig zu gestalten? Natürlich könnt ihr sie nicht einfach bunt anstreichen. Das würde vielen in eurer Gemeinde vermutlich nicht gefallen. Aber ihr könnt sie – natürlich in Absprache mit eurer Pastorin/eurem Pastor/Kirchengemeinderat/Presbyterium – eine Zeit lang bunt gestalten.
Ihr könnt Bilder, Flyer, Plakate und Texte aus eurer Gruppe an die Kirchentür hängen. Zu Zeiten Martin Luthers war die Kirchentür so etwas wie das schwarze Brett oder die Tageszeitung. Alle wichtigen Infos fanden die Menschen im Mittelalter dort. Deswegen brachte auch Martin Luther selbst seine 95 Thesen an der Schlosskirche in Wittenberg an. Dort wurden sie gesehen und gelesen. Alle Menschen gingen dort vorbei, bleiben stehen, diskutierten seine Worte.

So etwas könntet ihr auch machen. Schreibt doch in eurer Gruppe gemeinsam ein paar Thesen. Vielleicht zu einem Thema, das euch gerade beschäftigt. Vielleicht zu einer Andacht, die ihr gehört habt. Vielleicht auch zur Kirche, zur Gemeinde, zum Gottesdienst. Schreibt einfach zusammen auf, was ihr denkt, was euch gefällt und was ihr gerne ändern würdet, was ihr euch wünscht.

Vielleicht ist es sogar möglich, dass ihr den Menschen, die eure Thesen lesen werden, eine Chance gebt, mit euch zu sprechen oder euch zu antworten.

Ihr könntet z. B. eure Thesen an die Kirchentür hängen und alle Menschen, die mit euch darüber sprechen möchten zu einer Gruppenstunde in 2 Wochen einladen. Oder ihr könnt euch mit eurer Pastorin/eurem Pastor verabreden, dass die Thesen Thema in einem der nächsten Gottesdienste werden. Vielleicht wollt ihr diesen Gottesdienst dann ja sogar mitgestalten. Dann dann die Gemeinde und alle anderen Menschen, die dazu kommen, euch und eure Gruppe gleich noch besser kennen lernen. Möglicherweise könnt ihr auch einen kleinen Briefkasten, Papier und Stifte an die Kirchentür stellen, damit die Menschen euch schriftlich auf eure Thesen antworten können.

Tag der offenen Tür

In vielen Schulen, Firmen usw. gibt es Tage der offenen Tür, damit Menschen die Einrichtungen besuchen und sich selbst ein Bild machen können. Wäre das nicht auch eine tolle Idee für eure Gemeinde oder eure Gruppe? Plant doch mal einen Tag der Offenen Tür und ladet dazu ein.

Dafür braucht ihr:

  • Einladungen bzw. Flyer/Plakate mit den wichtigsten Infos (Datum, Ort, Zeit).
  • Ein Programm (Das könnt ihr in Kurzform gerne auch schon auf euren Einladungen veröffentlichen. Dann wissen die Menschen schon ein wenig, was sie an diesem Tag erwartet.). Ihr solltet die Menschen an eurem Tag der offenen Tür natürlich begrüßen und euch vorstellen. Vielleicht bastelt ihr euch dafür vorher Namensschilder, damit die Menschen euch gut ansprechen können. Dann könnt ihr z.b. mit den Menschen die Lieder singen und die Spiele spielen, die ihr sonst in euren Gruppenstunden auch gerne singt und spielt. Ihr könnt Kuchen, Muffins oder Waffeln backen und mit euren Gästen gemeinsam essen und dabei ins Gespräch kommen. Sicher habt ihr selbst noch viele Ideen, wie ihr so einen Tag der offenen Tür gestalten könntet. Und vielleicht machen ja sogar noch mehr Gruppen aus eurer Gemeinde mit und es wird ein richtig großes Gemeindeprojekt – ein Gemeindefest vielleicht sogar.

Welcome-Party

Ihr könnt in eurer Gruppe immer wieder Welcome-Partys für neue Kinder oder Jugendliche organisieren – z. B. jedes Jahr im Januar, wenn ihr nach den Weihnachtsferien wieder startet und nach den Sommerferien.
Dazu könnt ihr extra mit selbstgemachten Flyern und Plakaten Kinder oder Jugendliche zu euch einladen und sie mit dieser besonderen Party bei euch begrüßen.
Ihr könnt alkoholfreie Begrüßungscocktails für sie mixen, das schmeckt lecker und macht Spaß. Anschließend gemeinsam essen, quatschen, tanzen, oder worauf ihr Lust habt.
Oder ihr bereitet für diese Gruppenstunde ein besonderes Programm vor – wie beispielsweise einen Casionabend (oder -nachmittag).

Auf den Weg machen

Vielerorts gibt es Straßen- , Stadtteil- oder Dorffeste. Wenn es solche Veranstaltungen auch bei euch in der Gegend gibt, dann macht euch doch auch mal auf den Weg. Geht mit eurer Gruppe dorthin. Nehmt Flyer und vielleicht sogar eine Stellwand mit Infos und Bildern von eurer Gruppe mit, damit die Menschen sehen und lesen können, wer ihr seid. Und beteiligt euch doch an der Veranstaltung mit einem eigenen kleinen Angebot. Vielleicht könnt ihr ein oder mehrere Spiele für Kinder anbieten oder Kinderschminken – oder Kuchen oder Ähnliches verkaufen und auf diese Weise sogar noch ein wenig Geld für eure Gruppe einnehmen.

Es gibt viele Möglichkeiten, Menschen zu euch einzuladen. Überlegt doch gemeinsam in eurer Gruppe, welche Idee etwas für euch ist, worauf ihr Lust habt und was ihr ausprobieren möchtet.

Andacht (zum Vorlesen):

Du bist in deinem Leben schon durch unzählige Türen gegangen, als Baby oder Kleinkind getragen worden, als du krank warst vielleicht auch mal gefahren (worden) … Gibt es Türen, an die du dich besonders erinnerst?

Vielleicht die Tür von deinem Kinderzimmer? Durch sie konntest du in dein eigenes kleines Reich gehen. Du konntest sie hinter dir schließen und deine Ruhe haben, dich ein wenig zurück ziehen. Du konntest sie öffnen und bestimmen, wer wann durch sie hindurch in dein Zimmer darf und wer vielleicht (noch) nicht.

Vielleicht erinnerst du dich auch gern an die Tür zu deiner (Grund-)Schule. Durch sie bist du oft gegangen. Hinter ihr lag viel Wissen, viel Neues für dich. Auf vieles hast du dich vielleicht gefreut und warst neugierig. Vielleicht ist gerade diese Tür aber auch eher eine schlechte Erinnerung für dich. Vielleicht lag oder liegt hinter deiner Schultür auch viel Ärger, viel Wut, viel Leid oder Langeweile, viel Frust. Möglicherweise ist die Schule für dich kein guter, sicherer Lernort.

Vielleicht denkst du dann lieber an die Kabinentür in deinem Sportverein. Dort wo du deine Wut, deinen Frust und alle deine Gefühle beim Sport alleine oder im Team rauslassen kannst. Wo du Ausgleich findest, der dir gut tut.

Oder vielleicht denkst du an die Kirchentür oder die Tür zum Gemeindehaus. Weil du gern hierher kommst. Weil du hinter diesen Türen vielleicht einen Ort gefunden hast, an dem du einfach sein kannst, wie du bist und so willkommen geheißen wirst. An dem du keine besondere Leistung erbringen musst, sondern einfach sein darfst.

Oder du denkst an die Tür des Ferienhauses, in das du mit deiner Familie schon so oft gefahren bist. Dort kannst du im Urlaub hoffentlich immer gut entspannen und all den Stress aus dem Alltag hinter dir lassen. Kannst dich ausruhen hinter dieser Tür und neue Kraft tanken.

Vielleicht fällt dir auch als erstes die Tür von deinem ersten Auto ein. Hinter dieser Tür lag/liegt so viel Abenteuer. Es gibt so viel zu entdecken und mit deinem Auto kannst du einfach losfahren und sogar deine Freund*innen können dich dabei begleiten.

Es gibt so viele unterschiedliche Türen:

  • Türen, durch die du gern hinein gegangen bist. An schöne Orte. Oder an neue aufregende Orte.
  • Und sicher auch Türen, durch die du vor allem schnell wieder rausgehen wolltest. Türen, hinter denen sich für dich unangenehme, schlechte Erinnerungen verbergen.
  • Und Türen, die du bisher vielleicht auch nur von Außen kennst. Durch die du gern einmal hindurch gehen würdest – aber noch ist es nicht so weit.

Türen sind oft geheimnisvoll finde ich. Wenn sie verschlossen sind, wissen wir oft nicht genau, was hinter ihnen liegt. Wird es uns gefallen? Wird es uns positiv oder vielleicht auch negativ überraschen? Werden wir uns wohl fühlen? Werden dort nette Menschen sein, mit denen wir uns gut verstehen? Gibt es dort Aufgaben, denen wir gewachsen sind und die uns Spaß machen? Oder eher Aufgaben, die uns überfordern?

Manchmal gehe ich gerne durch Türen. Aber manchmal habe ich auch Angst davor. Vor dem, was dahinter vielleicht kommt. Vor dem Ungewissen.

Jesus sagt im Johannesevangelium: „Ich bin die Tür zu den Schafen. Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein und aus gehen und Weide finden.“ (Joh 10,7.9).

Jesus macht uns hier Mut, durch seine Tür zu gehen – also an ihn zu glauben und mit ihm zu leben. Er sagt uns, verspricht uns, dass es gut für uns werden wird – was allerdings nicht heißt, dass uns nie wieder schlimme Dinge passieren, wenn wir an Jesus glauben. Aber es heißt, dass Jesus bei uns ist und mit uns durch jede Tür geht. Und dass Jesus unser sicherer Ort sein kann. Unsere Tür, hinter der wir uns auch mal verstecken können. Hinter der wir Ruhe und Geborgenheit finden können. Hinter der wir Mut sammeln können für alle neuen Türen und Herausforderungen. So verstehe ich Jesu Worte, und meine Erfahrung sagt mir auch, dass es stimmt und ich seinem Versprechen glauben kann.

Lasst uns als Menschen, als Gruppe der Kirchengemeinde doch auch so klar sein wie Jesus. Lasst uns Menschen so offen zu uns einladen und ihnen schon, bevor sie durch unsere Tür eintreten, zeigen, wer und wie wir sind und dass sie bei uns herzlich willkommen sind – zum Beispiel durch Bilder und Texte, die im Internet, im Gemeindebrief, im Schaukasten zu unserer Gruppe einladen. Durch ganz konkret offene Türen in unseren Kirchen und Gemeindehäusern, damit Menschen bei uns reinschauen können. Euch fällt sicher noch viel mehr ein.

Amen.

Der Begriff der Willkommenskultur beschäftigt sich eigentlich in erster Linie mit der Frage, auf welche Art und Weise Menschen mit Migrationsbiografie in der Gesellschaft auf- und wahrgenommen werden. Wikipedia beleuchtet drei Aspekte. Dabei geht es um

  1. die positive Einstellung von Gemeinschaft, Bürgern und Institutionen gegenüber den Migrant*innen zu verdeutlichen
  2. den Wunsch, das Migrant*innen sich immer in den Kontakten zu anderen willkommen fühlen
  3. die getroffenen Maßnahmen, die ganz praktisch für eine „erlebbare Willkommenskultur“ umgesetzt werden

In einer Zeit, in der in Deutschland neben Menschen aus den bisher bekannten Krisen- und Kriegsgebieten wie z. B. Syrien, Afghanistan oder Ländern des afrikanischen Kontinents auch zunehmend Menschen aus der Ukraine Asyl suchen und immer mehr Menschen illegal nach Deutschland kommen, in einer Zeit, in der die rechtspopulistischen und -radikalen Stimmen in Deutschland immer lauter werden und deren Vertreter bei den Wahlen immer besser abschneiden, scheint ein Riss durch diese Willkommenskultur zu gehen.

Böse und zugespitzt könnte ich schreiben, dass auf der einen Seite immer noch die Menschen stehen, die nach wie vor gerne und fröhlich auf andere Menschen zugehen und sich dafür einsetzen, dass Migrant*innen hier in Deutschland gut ankommen und eine neue Heimat finden können. Auf der anderen Seite gibt es die Menschen, die hinter allem „Fremden“ etwas Feindliches wittern, die sich abschotten und den Märchen des Faschismus in unserem Land blind Gehör schenken.

Klar, damit mache ich es mir total einfach. Ich weiß, dass es nicht nur „schwarz“ und „weiß“ gibt, sondern auch noch „50 shades of grey“ mit allem, was wir zwischen den beiden extremen Außenpositionen wahrnehmen können und dass die Frage nach der heutigen Willkommenskultur keine einfache Antwort findet.

Doch ich weiß noch etwas anderes: dass wir in unserer kirchlichen „Bubble“ tatsächlich ein Problem mit der Willkommenskultur haben – und zwar ganz losgelöst von der Frage danach, wie wir uns in den Diskussionen rund um die Herausforderungen der deutschen Asyl- und Migrationspolitik positionieren.

Es geht mehr um die Grundsatzfrage, wie wir mit Menschen umgehen, die bei uns auf einmal neu am Horizont auftauchen: in unseren Gottesdiensten, in unseren Gruppen, bei unseren Veranstaltungen – und zwar unabhängig von einer möglichen Migrationsbiografie. Was haben wir in diesem Kontext für eine Willkommenskultur?

Rückblende I:

Gemeinsam mit einigen Jugendlichen meiner damaligen Gemeinde bin ich auf Städtetour in Dresden. Um dabei „über den Tellerrand“ zu gucken, besuchen wir einen Gottesdienst einer lokalen freien Gemeinde. In diesem Fall war es die ICF, die dort erst seit kurzem dabei war, eine Gemeinde aufzubauen.

Gleich nachdem wir angekommen waren, wurden wir von Leuten der Crew wahrgenommen und angesprochen: wer wir denn wären, was wir so machen würden und auch, wie toll es sei, uns im Gottesdienst dabei zu haben. Über diese persönliche Begrüßung hinaus gab es für uns einiges zu entdecken: eine kleine Kaffee-Bar, wo man sich noch ein Heißgetränk besorgen und mit anderen ins Gespräch kommen konnte, eine Möglichkeit, Gebetsanliegen zu notieren, damit die Gemeinde im Gottesdienst für konkrete Dinge beten konnte, ein kleiner Stand mit Büchern und anderen Dingen, die man sich kaufen konnte und noch so einiges mehr – und alles in einem ziemlichen hippen und schicken Style eingerichtet.

Im Laufe des Gottesdienstes gab es dann noch eine ganz besondere Überraschung, als die Gebetsanliegen der Gemeinde vorgelesen wurden: Da hatte jemand uns im Blick und bat darum, dass Gott unsere Gemeinschaft segnen möge und wir viel Spaß in Dresden haben würden. Unsere Jugendlichen waren ganz begeistert – so etwas konnte man bei uns in der Gemeinde ja nicht erleben.

Rückblende II:

Ein anderes Jahr, ein anderes Ziel unserer Städtetour. Dieses Mal sind wir in Hamburg, und wieder besuchen wir einen Gottesdienst einer freien Gemeinde. Wir sind zu Gast in der Elim-Kirche in Hamburg. Anderes Setting, aber viele Parallelen: Wir werden wieder wahrgenommen und fröhlich angesprochen – und zwar nicht nur als Gruppe beim Betreten der Veranstaltungsräume, sondern auch in einzelnen Situationen, z. B. von den Nachbarn in der Stuhlreihe oder beim Getränkestand. Auch hier herrscht eine große Fröhlich- und Lebendigkeit, wird moderne Lobpreis-Musik gespielt und erleben die Jugendlichen eine ganz andere Stimmung, als normalerweise sonntags in der eigenen Gemeinde herrscht. Wir fühlen uns willkommen.

Rückblende III:

Wieder ein anderes Jahr, dieses Mal bin ich allein unterwegs. Allein besuche ich den Gottesdienst meiner „neuen“ Gemeinde, in der ich nach meinem Umzug an die Nordsee gelandet bin. Es ist eine „klassische“ evangelische Gemeinde der Landeskirche, vieles kommt mir bekannt vor und ich kann mich im Gottesdienst schon etwas heimisch fühlen. Und danach? Wird, typisch ostfriesisch, Tee angeboten. Ich bleibe stehen, greife zu … und bleibe allein stehen. Niemand, der mich anspricht, keiner, der auf das unbekannte Gesicht in der Runde zugeht und das Gespräch sucht. Tatsächlich macht sich bei mir etwas Enttäuschung breit, denn ich hätte mich schon sehr über einen ersten Kontakt gefreut.

Natürlich ist mir klar, dass sich aus diesen drei Begebenheiten keine Gesetzmäßigkeit ablesen lässt – vor allem möchte ich damit nicht behaupten, dass es „typische Kennzeichen“ von freien bzw. landeskirchlichen Gemeinden sind. Aber ich weiß jetzt sehr genau, wie es sich anfühlt, irgendwo fremd zu sein und nicht „dazuzugehören“. Und seitdem achte ich noch genauer darauf, wie ich mit Menschen umgehe, die neu in meiner Umgebung auftauchen und auf welche Weise sie von der Gruppe wahrgenommen und integriert werden, mit der ich unterwegs bin.

Und so stelle ich mir aufgrund meiner persönlichen Erfahrung doch einige Fragen. Die eine oder andere Frage ist als Impuls für deine eigene Arbeit vor Ort – unabhängig davon, ob es sich bei den „neuen Leuten“ in der Gruppe um Geflüchtete, Menschen mit Migrationsbiografie oder einfach nur um Zugezogene aus dem Nachbarort oder einem anderen Bundesland handelt – vielleicht ganz gut geeignet.

Impulsfragen

  1. Versteht mein Gegenüber meine Sprache?
    Nicht nur die Frage nach der Muttersprache ist hiermit gemeint, sondern auch die nach so ganz „eigenen Formulierungen«, einem besonderen Dialekt, ungewohnten Insidern… Sprache entscheidet ganz viel darüber, ob ich mich irgendwo wohl fühlen und ankommen kann.
  2. Kennt mein Gegenüber den Ablauf?
    Nicht selten unterscheiden sich die Gottesdienst-Formen der Landeskirchen (oder auch der Gemeinden im gleichen Kirchenkreis) etwas voneinander. Darum: wie kann ich versuchen, den Ablauf eines Gottesdienstes, einer Gruppe oder Veranstaltung deutlich zu machen, ohne den ganzen Prozess zu unterbrechen?
  3. Wie nehme ich mein Gegenüber wahr und wie beziehe ich neue Leute in mein Handeln ein? Biete ich z.B. eine Vorstellungsrunde an, erzähle ich von der Gruppe, erkläre ich mich und mein Handeln, verrate ich „Insider«, bitte ich mein Gegenüber darum, eigene Erfahrungen beizusteuern.
  4. Bin ich bereit, meine bisherigen „Traditionen, Rituale und Glaubenssätze“ zu verändern, um neue Menschen in meine bestehende Arbeit zu integrieren?

Die hier zusammenstellten Fragen erheben nicht den Anspruch, vollständig zu sein oder weitgehend genug. Aber ich denke, sie zeigen den Weg auf, den wir beschreiten sollten, um wirklich für alle Menschen offen sein zu können und eine ernsthafte Willkommenskultur zu leben, die tragfähig ist und von Herzen kommt.

Wenn wir als Kirche, als CVJM, als EC o.a. auch weiterhin zukunftsfähig bleiben, relevant für unsere Mitglieder sein und gerne auch andere Menschen für unsere Arbeit und Jesus gewinnen wollen, müssen wir uns auf den Weg machen sowie Antworten und Raum anbieten für alle, die auf der Suche sind:

  • Die auf der Suche sind nach Gottesdienst- und Gemeinde-Formen, die modern sind, ohne den Schatz der Traditionen aufzugeben.
  • Die auf der Suche sind nach einem SafeSpace, in dem queeres Leben, Lieben und Glauben seinen Platz finden kann.
  • Die auf der Suche sind nach jemandem, der/die ihre Sorgen ernst nimmt, mehr zu bieten hat als Floskeln und stattdessen Nächstenliebe tatsächlich lebt und in verschiedenen not-wendenden Diensten Gestalt gibt.

Auf diese Weise werden wir zu Gemeinden, zu Kreisen und zu Gruppen, die das Evangelium ernst nehmen – und die „alte biblische Worte“ in neues Handeln übersetzen. Auf diese Weise nehmen wir die ernst, die zu uns kommen – und werden selber ernst genommen.

Die Situation im Nahen Osten erschüttert uns immer wieder aufs Neue. Wir können unsere Hilflosigkeit, die Not der Menschen und die verzweifelte Hoffnung auf Frieden nur Gott klagen und ihn um Hilfe bitten.

Schenke Frieden – Ein Gebet

Du Gott der Gerechtigkeit und des Friedens,
hilflos stehen wir vor den Bildern des Schreckens und des Terrors.
Hass und Gewalt haben sich Bahn gebrochen,
Menschen wurden ermordet.
Wir kommen zu Dir
und bitten Dich um Dein Erbarmen!
Schenke Frieden – auch wenn aus menschlicher Sicht Frieden so unerreichbar fern ist.

Du Gott der Gerechtigkeit und des Friedens,
wir denken vor Dir an die Menschen in Israel,
die Angehörige verloren haben, die Zuflucht gesucht haben vor dem Terror.
Wir bitten Dich für Kinder, Jugendliche, Familien.
Wie kann Versöhnung geschehen in diesem so zerrissenen Land?
Kann hier überhaupt Friede werden?

Aber wir kommen zu Dir,
weil wir keinen anderen Ausweg kennen als Dein unergründliches Erbarmen:
Schenke Frieden – auch wenn aus menschlicher Sicht Frieden so unerreichbar fern ist.

Wir halten uns fest an Deinem
Versprechen, Frieden zu bringen.
Du bist uns in Jesus Christus ganz nahe gekommen,
Du hast selber Hass und Gewalt und Tod ausgehalten,
damit es Hoffnung gibt auf unserer Welt.

Komm Du, Herr Jesus, und schaffe Frieden.
Du bist stärker als Hass und Gewalt.
Herr, erbarme dich.
Amen.

Kurzbeschreibung und Lernziel

Alle Menschen haben verschiedene Bedürfnisse: Sicherheit, Schutz, Vertrauen, Gemeinschaft, Zugehörigkeit, Freiheit, Selbstbestimmung, Mitbestimmung, Leistung, Erfolg, Anerkennung sowie Respekt. Immer dort, wo Bedürfnisse verletzt werden, erleben wir Eingriffe in die freie Entfaltung unserer Persönlichkeit. In diesem Kapitel geht es speziell um verschiedene Formen von Gewalt und Vernachlässigung, die Kinder und Jugendliche in den unterschiedlichsten Systemen (Schule, Familie oder Gruppen) erleben. Dabei muss es sich nicht immer zwangsläufig um körperliche Gewalt handeln. Fast genauso einschneidend, wenn nicht gravierender, ist psychische Gewalt oder sexualisierte Gewalt. Die weite Verbreitung der digitalen Medien und Smartphones spielen dabei eine große Rolle. Gewalt und grenzverletzendes Verhalten sind nicht auf ein soziales Milieu beschränkt, sondern ziehen sich durch alle Schichten. Dies kann dazu führen, dass es unter Umständen schwierig sein kann, gefährdete Kinder und Jugendliche frühzeitig zu erkennen. Bei der Vorbereitung und Durchführung sollte man bedenken, dass Betroffene unter Umständen in der eigenen Trainee-Gruppe sitzen könnten.

Ziel dieser Einheit ist es, die Trainees für das Thema zu sensibilisieren, wo Gewalt in verschiedenster Form, auch im eigenen Alltag, vorkommt. Es ist zeitlich nicht möglich, alle Bereiche detailliert zu betrachten, daher beschränken wir uns nach einer Einführung auf den Bereich Mobbing und sexualisierte Gewalt.

Tabellarischer Ablauf

Nr.InhaltDauerMaterial
1Einstieg ins Thema: #Above the Noise15 minBeamer, Lautsprecher, Laptop (Internetzugang), Papier, Stifte; DIN-A6-Karten
2Bedürfnisse von Menschen und Verletzungen20 minBedürfnisse auf Karten, Kärtchen, Stifte
3Mobbing30 minArbeitsblatt Mobbing, Fallbeispiel für alle ausgedruckt (s. Downloads)
4Energizer „Zahlen“5 min
5Einstieg „Sexualisierte Gewalt“: Nähe und Distanz15 min
6#MeToo30 minBilder
7Abschluss/Kurzimpuls: All that we share10 minBeamer, Lautsprecher, Laptop (Internetzugang)

1. Einstieg ins Thema: #Above the Noise

Der Einstieg in dieses breite Themenfeld geschieht mit Hilfe eines Youtube-Videos:

„#AboveTheNoise feat. Serena Williams, Neymar Jr., Cara Delevingne, Michael K. Williams, and Kris Wu“ (www.youtube.com/watch?v=oWithLP0VlQ, letzter Zugriff am 28.02.2019). Da das Video komplett in englischer Sprache ist, ist es wichtig, bei den Einstellungen darauf zu achten, dass deutsche Untertitel eingestellt sind. Die Einstellungen kann man rechts unten im Videoclipfenster vornehmen.

Die Trainees bearbeiten während des Clips folgende Beobachtungsaufgabe in Einzelarbeit:

Benenne die verschiedenen Situationen und Gewalterfahrungen, die die Hauptpersonen in dem Clip erleben:

  • körperliche Gewalt: Szene auf dem Fußballplatz
  • sexuelle Belästigung: Szene im Restaurant
  • Ausgrenzung / psychische Gewalt: Szene im Club (Mikrofon)
  • Haushalt von Alleinerziehenden und Übernahme von Pflichten: Szene mit dem Mädchen und ihrer Schwester (Diese Szene stellt zwar keine Form von Gewalt dar, aber Jugendliche, die in Haushalten von Alleinerziehenden aufwachsen, haben aufgrund ihrer Situation schwierigere Grundvoraussetzungen, ihr Leben zu gestalten.)

Nach dem Video tauschen die Trainees in Zweierteams ihre Ergebnisse aus. Danach stellen die Zweierteams ihr Ergebnis im Plenum vor.

Alternativ zum Video kann als Einstieg ins Thema mit der Gruppe gesammelt werden, welche Formen von Gewalt bekannt sind. Hierzu eignet sich eine Sammlung auf DIN-A6-Karten. Diese Karten können dann gemeinsam in Kategorien sortiert werden.

2. Bedürfnisse von Menschen und Verletzungen

Gewalt erfahren wir vor allem dort, wo unsere grundlegenden Bedürfnisse verletzt werden. In Anlehnung an die von Abraham Maslow entwickelte Bedürfnishierarchie überlegen sich die Trainees, wodurch die folgenden Bedürfnisse verletzt werden können. Die Ergebnisse werden auf Karten gesammelt und dem jeweiligen Bedürfnis zugeordnet.

Die Jugendlichen dürfen beim Sammeln gern auf persönlich erlebte oder beobachtete Situationen eingehen. Persönliche Erlebnisse sollten vertraulich behandelt werden. Die Gruppe soll darauf hingewiesen werden, dass Erzähltes nicht weitergesagt werden soll.

Bedürfnisse und Verletzungen:

  • Bedürfnisse: Sicherheit, Schutz, Vertrauen, Gerechtigkeit
    • Verletzungen: z. B. beleidigen, beschimpfen, schlagen, treten, Gerüchte verbreiten
  • Bedürfnisse: Freundschaft, Gemeinwesen, Zugehörigkeit
    • Verletzungen: z. B. ausgrenzen, mangelnder Zusammenhalt, nicht unterstützen
  • Bedürfnisse: Freiheit, Selbstbestimmung, Mitbestimmung
    • Verletzungen: z. B. erpressen, zu etwas zwingen, herumkommandieren
  • Bedürfnisse: Spiel und Spaß
    • Verletzungen: z. B. herumkritisieren, nörgeln, schlechte Stimmung verbreiten, Angst machen
  • Bedürfnisse: Leistung, Erfolg, Anerkennung, Respekt
    • Verletzungen: z. B. hänseln, auslachen, demütigen, Neid, Vorurteile, auf Schwächen herumreiten

3. Mobbing

Das Wort Mobbing stammt vom englischen Verb „mob“ (bedrängen, über jemanden herfallen). Das Verhalten, das wir im deutschen Sprachgebrauch „Mobbing“ nennen, wird im englischsprachigen Raum als „bullying“ (schickanieren, tyrannisieren) bezeichnet. Viele Jugendliche kennen Mobbing vor allem aus der Schule, wo sie sich selbst in der Beobachterrolle befinden. Dies bedeutet nicht, dass Mobbing sich auf das System Schule beschränkt. Mobbing kann grundsätzlich in allen Gruppen vorkommen, allerdings sind die meisten Gruppenangebote außerhalb der Schule freiwillig – daher kann sich jemand, der sich in der Opferrolle befindet, leichter einer Situation entziehen. Und trotzdem kann Mobbing natürlich auch in der christlichen Jugendarbeit vorkommen. In den meisten Fällen wird es sich um Mobbing in der Testphase handeln. In dieser Phase können Mitarbeitende gut eingreifen und dafür sorgen, dass alle respektvoll miteinander umgehen.

Einige Kinder und Jugendliche, die unsere Gruppen und Kreise besuchen, haben vermutlich Erfahrungen mit Mobbing gemacht, unter Umständen auch in der Opfer- oder Täterrolle. Es ist daher wichtig, dass die Mitarbeitenden sensibel mit dem Thema umgehen und Mobbingstrukturen benennen können. Nur wenn Übergriffe erkannt und benannt werden, kann auf die Situation und das Opfer eingegangen werden.

Besprecht das Phänomen Mobbing mit der Gruppe anhand des Arbeitsblattes Mobbing (s. Downloads). Bildet Kleingruppen mit ca. drei bis vier Trainees (je nach Gruppengröße). Die Kleingruppen erhalten alle das gleiche Fallbeispiel, das sie anhand der Fragen bearbeiten sollen. Die Ergebnisse werden im Plenum besprochen. Hierbei soll der Schwerpunkt auf möglichen Lösungsansätzen gegen Mobbing liegen.

Ideen für Mitarbeitende

Für Gruppenstunden, für die ich persönlich die Verantwortung habe, können mögliche Vorgehensweisen u. a. folgende sein:

  • Wir haben Verhaltensregeln, die auf gegenseitigem Respekt beruhen, und setzen uns für diese Regeln auch ein bzw. zeigen Grenzen auf.
  • Es gibt Konsequenzen für wiederholt unsoziales Verhalten (Einzelgespräch, um zu reflektieren, evtl. auch ein Gespräch mit den Eltern, sich ordentlich beim anderen entschuldigen).
  • Wir stärken und bestärken Kinder und Jugendliche, die es immer wieder abkriegen, darin, sich selbst auf gute Art zu wehren.
  • Wir vermeiden persönliche Verletzungen (sowohl gegenüber Opfern als auch gegenüber Tätern).

Es gibt letztlich nicht die eine Lösung, die in jedem Mobbingfall funktioniert. Aber durch aufmerksames Beobachten der Gruppe ist es möglich, Machtstrukturen zu erkennen und dann einzugreifen, wenn sichtbar wird, dass sich Teilnehmende nicht allein wehren kön-nen bzw. wenn der Werterahmen, den die Gruppenleitung vorgibt, angegriffen wird.

4. Energizer „Zahlen“

Das Thema ist emotional anstrengend. Folgende Übung dient dazu, die Gruppe nach dem ersten Teil nochmals aufzulockern, bevor es mit dem Themenblock sexualisierte Gewalt weitergeht. Die Trainees bilden Zweierteams. Die erste Aufgabe ist, abwechselnd bis drei zu zählen, wobei die Zahl Eins durch eine gemeinsam beschlossene Geste ersetzt wird. Nach einigen Durchgängen, soll auch die Zahl Drei durch eine Geste ersetzt werden.

5. Einstieg „Sexualisierte Gewalt“: Nähe und Distanz

Bei dieser Übung geht es darum, die persönlichen Grenzen oder auch Distanzzonen, die wir Menschen haben, zu visualisieren.

Distanzzonen lassen sich in drei Bereiche einteilen:

  1. intime Distanzzone, ca. 50 cm um unseren Körper (Familie oder enge Freunde sind hier meistens in Ordnung)
  2. persönliche Distanzzone, ca. 1 m um unseren Körper (persönliche Gespräche finden hier statt)
  3. gesellschaftliche Distanzzone, ca. 1 bis 2 m um unseren Körper

Es gibt bei den Distanzzonen kulturelle Unterschiede. Der Abstand ist in südlichen Ländern oft kürzer. Die Übung erfolgt in zwei Stufen:

Die Trainees finden sich in Zweierteams zusammen. Beide Trainees stellen sich mit etwa 5 Metern Abstand zueinander auf. Ein Trainee geht langsam Schritte auf die andere Person zu, bis sie die Hand als Stoppsignal hochhebt. Das Stoppsignal soll dann gegeben werden, wenn ein angenehmer Abstand erreicht ist. Dann wechseln die Rollen.

Die Trainees mischen sich neu. Im zweiten Durchgang ist es die Aufgabe, sich mit jemandem zusammenzufinden, die/den man nicht gut kennt oder mit der/dem man außerhalb vom Trainee-Programm nicht so viel Kontakt hat. Dann wird die Übung wiederholt.

Im anschließenden Reflexionsgespräch geht es darum, die Distanzzonen zu besprechen. In den meisten Fällen wird hervorstechen, dass die Distanzzone beim zweiten Durchgang größer ist.

6. #MeToo

Die weltweite Twitterbewegung mit dem #MeToo, angestoßen von Schauspielerin Alyssa Milano, richtet sich gegen sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt. Zunächst in der Glitzerwelt Hollywoods, dann aber auch in den verschiedensten Kontexten. Auslöser war der Skandal um Hollywood-Produzent Harvey Weinstein, der im Oktober 2017 von mehr als 70 Frauen der sexuellen Belästigung bezichtigt wurde. Einige Schauspielerinnen haben ihn angezeigt, andere haben sein Verhalten öffentlich gemacht. Die Bewegung hat das Gespräch um das Tabuthema sexualisierte Gewalt auf neue Art und Weise angefacht und in die gesellschaftliche Mitte gerückt.

Der Einstieg in dieses nicht ganz einfache Thema soll über eine Bildbetrachtung erfolgen. Verschiedene Bilder von sexueller Belästigung durch Männer und Frauen sowie Mobbing/Cybermobbing (aus dem Internet – öffentliche Aufführungsrechte beachten! – oder selbst nachgestellt) sollen ohne Kommentar nach und nach in eine Stuhlkreismitte gelegt werden. Wer mit Beamer und Laptop arbeitet, kann die Bilder auch nach und nach einblenden. Die Trainees sollen, nachdem sie Gelegenheit hatten, die Bilder zu betrachten, frei erzählen, was ihnen zu den Bildern einfällt. Falls wenig Reaktion kommt, kann man die Trainees einzelne Bilder beschreiben lassen. Da das Thema nicht einfach ist, kann es sein, dass die Bilder Betroffenheit auslösen.

Wenn die Bilder besprochen sind, geht es in diesem Teil hauptsächlich darum, den Trainees einen kurzen Einblick in das Thema zu geben, denn alle Mitarbeitenden in der Kinder- und Jugendarbeit sollten dafür geschult sein. In Württemberg ist es der Präventionskurs „Menschenskinder“, wo das Thema sexualisierte Gewalt intensiv behandelt wird. Weitere Infos erhält man unter www.ejwue.de/service/praevention-sexuelle-gewalt (letzter Zugriff am 28.02.2019). In anderen Bundesländern gibt es vergleichbare Angebote, über die man sich informieren sollte.

Die sozialwissenschaftliche Definition von sexualisierter Gewalt lautet: „Sexueller Missbrauch oder sexuelle Gewalt an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor Mädchen und Jungen gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Der Täter oder die Täterin nutzt dabei seine/ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.“ (www.beauftragter-missbrauch.de/praevention/was-ist-sexueller-missbrauch/definition-von-sexuellem-missbrauch (letzter Zugriff am 28.02.2019).)

Das deutsche Strafrecht geht davon aus, dass Kinder unter 14 Jahren grundsätzlich keiner sexuellen Handlung zustimmen können. Sexualisierte Gewalt als Form der Grenzverletzung ist in Deutschland leider nicht die Ausnahme. Genaue Zahlen sind recht schwer zu erheben, da viele Fälle nicht angezeigt oder entdeckt werden. Die polizeiliche Kriminalstatistik gibt Aufschluss über die Zahl der Anzeigen. Für das Jahr 2016 verzeichnet sie

  • 12.019 Anzeigen wegen Kindesmissbrauchs,
  • 1.161 Anzeigen wegen Missbrauchs an Jugendlichen und
  • 447 Anzeigen wegen Missbrauchs an minderjährigen Schutzbefohlenen.

Diese Zahlen sind seit 2010 nahezu gleichgeblieben. Die Betroffenen reagieren unterschiedlich und nicht immer ist von außen erkennbar, dass ein Fall von sexualisierter Gewalt vorliegt. Dadurch kann es beispielsweise zu Verhaltensänderungen kommen – u. a. zu Ängstlichkeit, Aggressivität, Leistungsabfall oder sexualisiertem Verhalten. Auch psychosomatische Beschwerden wie Kopf- oder Bauchschmerzen, Schlafstörungen oder Hauterkrankungen können ebenfalls Anzeichen sein.

Allerdings ist keines dieser Symptome spezifisch für sexuellen Missbrauch! Das bedeutet, dass jede dieser Auffälligkeiten auch andere Ursachen haben kann. Veränderungen bedeuten oft, dass das Kind oder der Jugendliche Probleme hat oder belastende Dinge erlebt und die Unterstützung zugewandter Bezugspersonen benötigt. Als Gruppenleitung in der Jugendarbeit bedeutet dies, dass wir aufmerksam mit unseren Kindern und Jugendlichen umgehen. Wenn sich Teilnehmende vertrauensvoll an uns wenden, ist es wichtig, sich selbst Hilfe zu holen – entweder beim Leitungsgremium der örtlichen Jugendarbeit, einer/einem Hauptamtlichen in der Gemeinde oder beim Bezirks- oder Landesjugendwerk. Darüber hinaus gibt es einige Anlaufstellen, an die man verweisen kann:

  • das örtliche Jugendamt (Ansprechpersonen oder Kontaktnummern finden sich immer auf der Homepage des Landkreises)
  • der Mädchengesundheitsladen Stuttgart (www.maedchengesundheitsladen.de, letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • die Beratungsstelle Wildwasser (gibt es in mehreren Städten und Landkreisen)

7. Abschluss/Kurzimpuls: All that we share

Um die Einheit positiv abzuschließen, lohnt es sich, ein weiteres Youtube-Video einzublen-den: „All that we share“ (www.youtube.com/watch?v=i1AjvFjVXUg, letzter Zugriff am 28.02.2019), ein TV-Werbespot des Fernsehsenders TV2 Dänemark. Bei allen Verschiedenheiten und unterschiedlichen Lebenswegen und Entscheidungen, die wir treffen, ist es wichtig, sich nicht nur von Äußerlichkeiten leiten zu lassen. Was wir als Menschen manch-mal von anderen wahrnehmen, entspricht nicht der Wirklichkeit. Andere ver- und beurteilen ist oft leicht und passiert uns immer wieder. Bei Gott gelten andere Maßstäbe – er blickt hinter die Kulissen direkt in unser Herz. Dabei sollten wir folgenden Bibelvers im Auge behalten: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“ (1. Sam 16,7b Lu).

Literaturtipps

  • Büchle, Johannes / Ulmer, Alma (Hg.): Menschenskinder, ihr seid stark. Prävention vor sexualisierter Gewalt; die Arbeitshilfe für die Evangelische Kinder- und Jugendarbeit kann kostenlos bestellt werden: www.ejwue.de/service/praevention-sexuelle-gewalt (letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • www.beauftragter-missbrauch.de (letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • Das Handbuch von Konflikt-KULTUR und klicksafe zur Intervention bei (Cyber-) Mobbing (2. aktualisierte Auflage 2018), kostenloser Download unter www.konflikt- kultur.de/images/Was_tun_bei_Cybermobbing_neu_M%C3%A4rz2018_51f7c.pdf (letzter Zugriff am 28.02.2019)
  • Schäfer, Mechthild / Herpell, Gabriela: Du Opfer! Wenn Kinder fertig machen, Rowohlt, Berlin 22010 (nur noch antiquarisch erhältlich)
  • Grüner, Thomas / Hilt, Franz: Systemische Mobbingprävention und -intervention, in: Anti-Mobbing-Strategien für die Schule, hrsg. v. Anne A. Huber, Link, Köln 32015
  • Olweus, Dan: Täter-Opfer Probleme in der Schule. Erkenntnisstand und Interven- tionsprogramm, in: Forschung über Gewalt an Schulen. Erscheinungsformen und Ursachen, Konzepte und Prävention, hrsg. v. Heinz Günter Holtappels / Wilhelm Heitmeyer / Wolfgang Melzer / Klaus-Jürgen Tillmann, Juventa, Weinheim 52008

Wie geht eigentlich … Leben? Darauf versucht die KON-Redaktion auf Grundlage einiger der 10 Gebote mit dem neuen Material Antworten zu finden. Dazu gibt es Themenartikel mit Hintergrundwissen für MitarbeiterInnen sowie Bibelarbeiten und Stundenentwürfe für die Gruppenarbeit.

Neben den 10 Geboten allgemein werden unter anderem spielerisch oder biblisch wichtige Themen wie Neid und Mobbing behandelt. Aber auch das Geschenk des »Ruhetages« im 3. Gebot findet mit einem Vorschlag für eine Bibelarbeit besondere Beachtung.

oder auch: Es könnte alles so einfach sein

Es hätte damals wirklich alles so einfach sein können – wenn Adam und Eva im Paradies einfach ihr Vertrauen voll auf Gott und sein Wort gesetzt hätten, statt dem Gerede der Schlange auf den Leim zu gehen. Dann wären sie taub gewesen für die Lügenmärchen, die ihnen die Schlange einflößte. Sie wären fein damit geblieben, dass Gott ihnen geboten hatte, weder vom Baum des Lebens noch vom Baum der Erkenntnis Früchte zu essen. Wir säßen alle noch im Paradies, statt uns jetzt mit Krieg, Klima und anderen Katastrophen auseinander zu setzen. Das ist ein zugleich sehr nachvollziehbarer und dennoch etwas weltfremder Gedanke, der sich das Wesen der Menschen schön redet und die Bibel eher wörtlich als ernst nimmt.

Machen wir uns nichts vor – wir Menschen sind einfach nicht dafür geschaffen, uns an alle Regeln und Gesetze zu halten. Moment. Heißt das etwa, der allmächtige Gott hat gerade bei dem Prunkstück seiner Schöpfung, beim krönenden Abschluss, gepatzt und einen Fehler gemacht? Immerhin ist er doch allmächtig … Warum hat Gott uns dann nicht so geschaffen, dass das Einhalten von Regeln und Gesetzen dann quasi zu unserer „Standardausstattung“ gehört, ähnlich einer werkseitig vorinstallierten App, die sich weder deinstallieren noch löschen lässt? Aus einem, zumindest aus meiner Glaubensüberzeugung heraus betrachtet, ganz einfachen Grund: Wenn ich keine Möglichkeit habe, mich gegen etwas zu entscheiden (z. B. „Nein, ich will aber nicht nur 50 km/h innerorts fahren, immerhin habe ich es eilig“), dann ist es auch nicht machbar, mich bewusst für eine Sache zu entscheiden – z. B. dafür, jemand anderes zu lieben. Und dann ist es egal, ob ich von meiner Liebe zu einem anderen Menschen spreche oder von meiner Liebe zu Gott.

Liebe ist immer freiwillig, ist das Resultat einer freien Entscheidung und kann nicht verordnet werden. Wenn ich Liebe erfahren möchte, muss ich das Recht zur falschen bzw. anderen Entscheidung gewähren und möglich machen. Soweit eine persönliche Einschätzung.

Gott kümmert sich um mich

Kommen wir aber nun zu dem, was über die Grenzen des Juden- und des Christentums hinweg bekannt geworden ist und sogar in vielen weltlichen Bereichen Einzug in den Alltag gefunden hat: die 10 Gebote.

In der Geschichte des Volkes Israel werden die 10 Gebote von Gott an Mose diktiert, nachdem er die Israeliten aus der Sklaverei in Ägypten befreit hat. Nach dem Bund, den Gott früher mal mit Abraham geschlossen hatte, sollten jetzt die 10 Gebote quasi die „Rahmenvereinbarung“ bzw. die Regeln für einen neuen Bund und einen gemeinsamen, weiteren Weg des Volkes Israel mit Gott bieten.

Heute sind die 10 Gebote scheinbar den wenigsten Menschen bekannt. Immer wieder liest man davon, dass die 10 Gebote den Menschen so vieles verbieten und Gott quasi eine übernatürliche Spaßbremse ist, die den Menschen alles vorschreibt. Tatsächlich geht es aber schon bei den ersten Worten der 10 Gebote um etwas ganz anderes: in der BasisBibel heißt es im 2. Mose 20: 1:

„Gott sprach alle diese Worte: »Ich bin der Herr, dein Gott!
Ich habe dich aus dem Land Ägypten herausgeführt – aus dem Leben in der Sklaverei.“

Das erste, worum es also geht, ist keine Vorschrift an uns Menschen, sondern die Erinnerung an das, was Gott für sein Volk getan hat – ohne dabei vorher Bedingungen zu stellen. Aber jetzt, auf dem Berg Sinai, macht Gott den Israeliten klar: Wenn ihr weiterhin unter meinem Schutz stehen wollt, wenn ich euer Gott sein soll, dann braucht es einen festen Rahmen. Und diese Gebote, die den Rahmen abstecken, lassen sich auf eine Grundfrage reduzieren, die Gott seit damals allen Menschen ganz persönlich stellt:

„Vertraust du mir, deinem Gott, dass ich mich um alles kümmern werde, damit es dir gut geht?“

Wenn ich diese Frage für mich mit „Ja“ beantworten kann, dann geht es für mich nicht länger um ein „Du sollst nicht …“ – sondern um die Erkenntnis „Ich brauche nicht …“ Ich brauche mich nicht selber zu kümmern, sondern darf darauf vertrauen, dass Gott sich kümmert. Dass er dafür Sorge tragen wird, dass ich alles bekomme, was ich zum Leben brauche … Und dann ist es nicht mehr nötig, voller Neid auf andere zu schauen. Schlecht über sie zu reden und ihnen Dinge abzuluchsen. Mit Beziehungen fahrlässig umgehen und den/die andere betrügen. Ich darf aufhören, mich mit allen und allem um mich herum zu vergleichen. Das ist keine Einengung – das ist Freiheit.

Die Gebote als Grundlage für allgemeine Menschrechte

Zu einer ganz ähnlichen Einsicht sind auch viele andere Menschen gekommen, die ansonsten mit dem Glauben an einen (christlichen) Gott vielleicht so ihre Schwierigkeiten hatten. Denn das, was in den sieben Geboten vom vierten bis zum zehnten Gebot formuliert wurde, findet sich sowohl sinngemäß auch in den Regeln und Geboten anderer Religionen und Gemeinschaften wieder als auch auf der politischen Weltbühne.

Mit Luther, Augustinus, dem jüdischen Philosophen Philon von Alexandrien und später auch dem niederländischen Theologen Hugo Grotius, dem Lutheraner Pufendorf und dem englischen Philosophen Locke gelang der Wandel von den „Gott gegebenen Geboten“ hin zu der Ansicht, dass sich aus diesen Geboten und Regeln Rechte für die allgemeine Menschheit ableiten lassen, die über eine Konfessionsgebundenheit hinausgehen.

Aus der Arbeit dieser Menschen heraus und über viele Jahrhunderte hinweg wurden diese Rechte zu festgeschriebenen Menschenrechten, wie sie 1789 in der französischem Nationalversammlung beschlossen wurden. Heute sind die Menschenrechte das Werte-Fundament der westlichen Welt.

Und seien wir doch mal ehrlich: Sicherlich gibt es über die Zehn Gebote hinaus viele Gebote und Gesetze im Alten Testament, die uns heute nur schwer oder gar nicht mehr begreiflich sind. Das liegt ganz einfach daran, dass sie in eine ganz bestimmte Zeit hineingesprochen wurden. Um herauszufinden, was diese Gebote also heute noch in unserem Leben bedeuten können, müssen wir den Transfer der Lebenssituation des „Damals“ ins „Heute“ schaffen. Dann stellen wir fest, dass viele Gesetze unter Umständen gar nicht mehr die Relevanz oder Bedeutsamkeit haben, wie es vor 2000 Jahren vielleicht noch der Fall gewesen sein mag. Darum achtet heute auch niemand mehr darauf, aus wie vielen Stoffarten die Kleidung hergestellt wird oder ob wir Frauen nach jeder Periode auch brav Tauben als Opfer verbrennen. Darum werden auch keine frechen Söhne mehr an der Stadtmauer gesteinigt. Und darum sollte es heute auch egal sein, welchen Menschen ich liebe.

Aber die 10 Gebote haben nichts von ihrer Aktualität und Relevanz verloren. Selbst wenn ich Gott ablehne und darum die ersten drei Gebote ignorieren möchte: Niemand kann ernsthaft etwas dagegen haben, wenn wir die Unversehrtheit des Lebens, den Respekt für Ältere, den Schutz von Beziehungen, den Schutz des Eigentums und den Schutz vor Verleumdung bzw. Rufmord auch heute noch achten.

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